GROSSELFINGEN. Ihren Traumsport hat Sandrina Sprengel schon lange gefunden. Ihren Traumberuf jetzt auch. Nach ihrem Top-Abitur absolviert das Leichtathletik-Mehrkampftalent der LG Steinlach-Zollern seit wenigen Tagen eine Ausbildung bei der Landespolizei und will dort später arbeiten. Nach drei Tagen ist aber schon wieder Schluss. Zumindest vorerst. Bis zum 11. August ist die 19-Jährige freigestellt, um ab dem 7. August bei den U 20-Europameisterschaft der Leichtathleten in Jerusalem zu starten.
- Vom Internat in die eigene Wohnung
Stressiger könnten die Wochen vor dem Saisonhöhepunkt für Sprengel kaum sein. Bevor es für die Siebenkämpferin nach Jerusalem geht, müssen erst mal fleißig Koffer gepackt werden. »Ich bin mitten im Umzugsstress«, erzählt sie. Nach vier Jahren im Sportinternat am Olympiastützpunkt in Stuttgart geht es nur eine Woche vor der EM in die eigene Wohnung – doch damit nicht genug.
- Traumberuf Kriminalpolizei
Zeitgleich begann die 19-Jährige ihre Ausbildung bei der Polizei. »Mein Traum war es immer zur Kriminalpolizei zu gehen«, erzählt sie. Auch nach den ersten Tagen vor Ort ist sie sich sicher, mit ihrem neuen Karriereweg über ein duales Studium in den gehobenen Dienst genau den richtigen Pfad eingeschlagen zu haben. Nicht ganz sicher ist sich Sprengel, ob es am Ende die Kripo sein muss. »Es gibt so viele Ausbildungswege«, erzählt sie. »Ich will einfach alles auf mich zukommen lassen und mich jetzt noch nicht festlegen.« Eines aber ist weiterhin sicher: Bei der Polizei soll es beruflich weitergehen, auch weil es ihr durch Sportförderprogramme möglich ist, ihre Mehrkampfkarriere weiter zu verfolgen.
- Vorfreude und große Ziele für die EM
Trotz der vielen Umstellungen und Aufgaben kurz vor der Europameisterschaft verliert Sprengel weder die Nerven noch ihre Ziele aus den Augen. »Ich freue mich sehr auf die EM«, erzählt Sprengel. Bereits im Vorjahr erkämpfte sie sich einen dritten Platz im Siebenkampf bei der U 20-Weltmeisterschaft in Kolumbien. »Ich hoffe, dass ich wieder eine Medaille ergattern kann. Ich möchte auf alle Fälle vorne dabei sein.« Optimismus versprüht die 19-Jährige, obwohl ihre Vorbereitung alles andere als rund lief. »Die letzten Wettkämpfe waren nicht gut«, gibt sie offen und ehrlich zu. Trotzdem hat sie Großes vor. »Ich würde gerne die 6.200 Punkte knacken.« Ihre bisherige Bestmarke liegt bei 6.015 Zählern.
- Hinter den Erwartungen geblieben
Zuletzt blieb Sprengel bei den deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock deutlich hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Im Hochsprung reichte es für die Mehrkämpferin bei den Spezialisten zu Platz fünf. Zufrieden war sie mit ihren 1,72 Metern nicht, da sie zehn Zentimeter unter ihrer persönlichen Bestleistung blieb. Noch klarere Worte fand die Siebenkämpferin für ihren achten Platz im Speerwurf: »Das war nicht gut, ich hatte mehr von mir erwartet.«
Grund zur Sorge sind die Leistungen für Sprengel aber nicht: »Letztes Jahr vor der WM war das genauso«, berichtet sie. Eine Erklärung für die eher schwächeren Leistungen in letzter Zeit: Ihr Trainingsplan sei voll auf die Europameisterschaft ausgelegt. Auf viele der zurückliegenden Events bereitete sich Sprengel nicht extra vor. »Wäre es ein wichtiger Wettkampf gewesen, hätten wir im Training davor etwas langsamer gemacht, um dann topfit am Start zu sein.«
- Von Polizei und Militär bewacht
Bei großen, internationalen Veranstaltungen anzutreten, ist für Sprengel eine große Ehre. Begeistert erzählt sie über die Weltmeisterschaften im kolumbianischen Cali im Vorjahr. »Die Stimmung dort war total beeindruckend. Im Deutschland-Trikot starten zu dürfen und in die riesige Arena einzulaufen war etwas ganz besonderes.« Auch das Tausende Zuschauer von der Tribüne aus anfeuerten und Kameras den Sport aus der Arena übertrugen, ließ richtiges Profi-Feeling aufkommen. Rund um den sportlichen Wettkampf hätte man aber in Kolumbien nicht viel mitbekommen. Um für die Sicherheit der Athleten zu sorgen, seien die Sportler die ganze Zeit von Polizei und Militär umgeben gewesen. Ähnlich werde es wohl auch in Jerusalem sein.
- Von Joshua Kimmich fürs Abi geehrt
Bei dem ganzen Stress kurz vor dem Wettkampf ist Sprengel glücklich, sich über eine Sache keine Gedanken mehr machen zu müssen: Die Schule. »Ich bin einfach froh, dass ich mein Abitur hinter mir habe«, erzählt sie. Und das besser als gedacht. Vorgenommen hatte sich die smarte Leichtathletin einen Schnitt von 1,9. Am Ende wurde es eine 1,6 – vor dieser Leistung zieht auch Fußball-Star Joshua Kimmich den Hut. Der Nationalspieler besuchte wie Sprengel das Wirtemberg-Gymnasium in Stuttgart-Untertürkheim und setzt sich mit einem Preis für besonders gute Leistungen in Sport und Schule ein. »Ich habe nie damit gerechnet, den Preis zu bekommen«, sagt die 19-Jährige. Freut sich jetzt aber umso mehr. Neben 1.000 Euro und einem Medientraining winkt der Grosselfingerin ein Treffen mit Kimmich, auf das sie sich bereits »riesig« freut.
- Leidenschaft für den Mehrkampf
Um sich für die Auszeichnung zu bewerben, »musste ich ein Bewerbungsvideo über mich einreichen, in dem ich erkläre, wie ich als Mensch so ticke«, berichtet sie. Ein großer Teil des Clips dürfte von ihrer großen Leidenschaft zum Siebenkampf handeln. Es sei die Herausforderung, die den Reiz am Mehrkampf ausmache. Die Vielseitigkeit der Sportarten (100 Meter Sprint- und Hürdenlauf, Hochsprung, Kugelstoßen, 200 Meter Lauf, Weitsprung, Speerwurf und 800 Meter Lauf) sei Fluch und Segen zugleich. »Man hat ständig Baustellen, an denen man arbeiten muss«, erklärt die Expertin. »Es wird ja nicht umsonst auch die Königsdisziplin genannt.« Umso glücklicher ist Sprengel, wenn am Ende alles klappt und das Ergebnis stimmt.
- Sprengel will eine Große werden
So groß wie ihre Liebe zum Sport ist auch ihr Ehrgeiz. »Mein größtes Ziel ist es, irgendwann bei den Olympischen Spielen dabei zu sein.« Außerdem peilt sie die »besondere 7.000 Punkte-Marke« an, die bisher nur eine Handvoll Sportlerinnen packten. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, will Sprengel trotz der neuen Herausforderungen weiter hart arbeiten, auch wenn ihr bewusst ist, dass der neue Karriereweg mehr Zeit als die Sportschule in Anspruch nehmen wird. Verbessern will sie sich vor allem im 800-Meter-Lauf und beim Kugelstoßen. Nun gilt es aber erst einmal das Deutschland-Trikot aus dem richtigen Umzugskarton zu kramen, die Koffer zu packen und dann ihre Bestleistung in Jerusalem abzurufen. Wie das geht, weiß Sprengel ja. (GEA)