STUTTGART. Sie hat ihr Herz zu Beginn der Bodenübung wieder in die Luft in Richtung der Zuschauer gemalt. Rhythmisch beklatscht turnte sich dann die Lokalmatadorin Elisabeth Seitz zu einer für sie fantastisch mit 13,300 Punkten bewerteten Bodenübung und bestätigte damit ihre famosen Leistungen am Stufenbarren und Schwebebalken zuvor. Nach dem Sprung hatte die Wahl-Stuttgarterin bei den Turn-Weltmeisterschaften in ihrem Wohnzimmer Schleyer-Halle vor ausverkauften Rängen mit Platz sechs das beste WM-Mehrkampfergebnis und zugleich mit 55,999 Punkten die für sie international beste Vierkampfwertung ihrer Karriere überhaupt erzielt. Auch die erst 19 Jahre alte Kölnerin Sarah Voss zeigte einen super Wettkampf und erzielte mit und Platz zehn ebenfalls einen Top-Platz.
Königin der Herzen
Dramaturgisch waren die Titelkämpfe so aufgebaut, dass US-Superstar Simone Biles in einem schneeweiß-glitzernden Turndress als letzte der 24 Endkampfteilnehmerinnen mit ihrer Flugshow am Boden die 7 500 Zuschauer einmal mehr faszinieren durfte. Auch wenn die 22 Jahre alte Ausnahmeathletin nach ihrem »Biles« die Fläche verlassen musste und dann noch ein zweites Mal die Begrenzung übertrat, reichten ihr hier 14,400 Punkte trotzdem locker zu ihrem insgesamt 16. WM-Gold und zum nun fünften WM-Mehrkampftitel. Die Chinesin Xijing Tang wurde hinter »Königin« Biles Zweite vor der Russin Angelina Melnikowa.
»Das war ein Super-Wettkampf von beiden Mädels«, zeigte sich Bundestrainerin Ulla Koch ebenso überwältig wie ihre beiden Vorzeigeturnerinnen, die bei der Heim-WM noch einmal auftreten werden. Elisabeth Seitz steht am Samstag im Barren-Finale und Sarah Voss am Sonntag im Schwebebalken-Finale. »Das war unbeschreiblich für mich neben all den Größen der Welt, neben meinen Idolen hier heute zu turnen und ich bin absolut glücklich und extrem stolz auf mich «, analysierte Sarah Voss recht abgeklärt ihre famosen Darbietungen. An ihrem Spezialgerät Schwebebalken erzielte sie ohne einen Wackler bei ihrer klasse WM-Premiere den siebtbesten Wert von allen Teilnehmerinnen, um sich dann im Vergleich zur Qualifikation am Sprung, am Stufenbarren und am Boden trotz einer Übertretung weiter zu steigern.
Dabei hatte sie schon vor dem Wettkampf gesagt, dass es für sie ein Erfolg sei, dabei zu sein und sie schon hundert Prozent bei dieser WM für sich herausgeholt habe. Beflügelt nach der erneuten Steigerung meinte sie dann sofort sogar, dass sie schon bald denke, sich noch weiter zu verbessern und »weiter an meiner Sicherheit und den Schwierigkeitselementen« zu arbeiten. Jetzt gelte es für sie aber erst, diesen tollen Wettkampf abzuhaken, Ruhe zu finden, um fürs nächste Finale am Sonntag wieder ganz bei sich zu sein.
»Ich bin über meine Platzierung selbst sehr überrascht und glücklich und ich freue mich einfach total«, sagte Elisabeth Seitz. »Das war nach meinem schon fast perfekten Wettkampf in der Qualifikation erneut ein perfekter Wettkampf von mir und das hört sich jetzt für mich selbst so an, als ob ich erst am Anfang meiner Karriere stünde.« Die 25-Jährige strahlte mit dem Blitzlichtgewitter der Kameraleute um sie herum um die Wette. »Ich bin noch nie über Platz neun bei einer WM hinausgekommen und habe mich hier selbst wieder übertroffen. Ich weiß auch nicht, wie ich das schon wieder geschafft habe. Ich blühe hier in Stuttgart einfach auf.«
In der Tat legte Eli Seitz vor den Augen ihrer Mutter und ihres kleinen Bruders Gabriel an ihrem Spezialgerät Stufenbarren zum Start fantastisch los und setzte bei dem hohen Ausgangswert von 6,4 und einer komplizierten Verbindung zwischen den Holmen mit 14,866 Punkten – dem zweithöchsten Wert hinter der Barren-Weltmeisterin Nina Derwael aus Belgien (15,200) – ein Ausrufezeichen. Mit ganz sicheren Schwebebalken- und Boden-Übungen und ihrer in den Stand gebrachten Doppelschraube am Sprung belohnte sich Seitz selbst und stimmte sich mit einem einfach hübschen Satz aufs Barren-Finale ein: »Es ist für mich einfach ein Geschenk, hier raus zu diesem tollen Publikum zu gehen.«
Die Begeisterung, die allen Turnerinnen von den Zuschauern für ihre attraktiven und unterhaltsamen Darbietungen zuteil wurde, empfand eine jede Athletin wie ein Geschenk. Biles: »Es war sehr schön.« Von Anfang hatte die Rekordturnerin glasklar Kurs auf ihren Sieg genommen. Das Sprungwunder errang nur am Stufenbarren nicht Platz eins, sondern wurde hier nur Dritte. Ob das ein Versprechen im Barrenfinale für Seitz, für die Stuttgarter Königin der Herzen ist? Heute, Freitag, ist von 16 Uhr an aber erst Deutschlands zurzeit bester und zuverlässigster Mehrkämpfer Andreas Toba im WM-Mehrkampf-Finale gefordert, ebenfalls alles aus sich herausholen. (GEA)