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Der kleinste Fehler wird bestraft

Russe Nikita Nagorni ist neuer Mehrkampf-Weltmeister. Andreas Toba 19. im hochklassigen Wettkampf

Andreas Toba aus Hannover nach Platz 19 im Mehrkampffinale: »Trotzdem habe ich eine gute WM geturnt.«foto: dpa
Andreas Toba aus Hannover nach Platz 19 im Mehrkampffinale: »Trotzdem habe ich eine gute WM geturnt.«foto: dpa Foto: dpa
Andreas Toba aus Hannover nach Platz 19 im Mehrkampffinale: »Trotzdem habe ich eine gute WM geturnt.«foto: dpa
Foto: dpa

STUTTGART. Vielseitig, sauber, zuverlässig – das sind Attribute, die untrennbar mit Deutschlands derzeit besten Mehrkämpfer verbunden sind. Doch am Ende eines hochkarätigen Final-Wettkampfs der 24 besten Turner am Freitag bei der WM in Stuttgart musste sich der 29 Jahre alte Niedersachse wegen ein paar Fehlern zu viel mit Rang 19 zufrieden geben.

Ausschlaggebend dafür war seine erste Übung am Pauschenpferd. Der »Held« von Rio – Toba hatte da mit einem Kreuzbandriss seine Seitpferdübung durchgezogen – leistete sich für ihn ungewöhnlich viele Wackler und wirkte verblüffend schwerfällig. Allerdings musste er wegen eines Defekts der Ergebnisanzeige auch fünf Minuten auf seinen Auftritt warten. Mit nur 12,566 Punkten landete er auf dem letzten Platz. Selbst wenn Toba dann bravourös eine Aufholjagd startete, das extrem hohe Niveau seiner Konkurrenten ließ ihm keine Chance, sich noch viel weiter nach vorne zu katapultieren.

In einer Art Fotofinish siegte nach sechs Geräten der 22 Jahre alte Russe Nikita Nagorni aus Rostow mit 88,772 Punkten – sein Highlight war ein Dreifachsalto am Boden – vor seinem Landsmann »King« Artur Dalalojan (87,165). Dritter wurde der Ukrainer Oleg Wernjajew (86,973). Wie schon im Mannschaftswettbewerb schrammten die Chinesen hauchdünn am Podestplatz vorbei. Nagorni, der mit der Rhythmischen Sportgymnastin Daria Spiridonowa verheiratet ist, die 2016 in Rio Olympiasilber gewann, hat in diesem Jahr schon den Europameistertitel gewonnen und nun bei der WM in Stuttgart bereits sein zweites Gold nach dem Teamtitel.

»Meine Probleme am Pauschenpferd haben mich irritiert. In den vergangenen vier Wochen habe ich am Pferd nicht so schlecht wie heute geturnt, selbst dann nicht, wenn ich kalt ans Gerät gegangen bin«, räumte der Hannoveraner später freimütig seinen Patzer ein und tröstete sich ein wenig selbst: »Immerhin bin ich oben geblieben und noch insgesamt gut davon gekommen. Erst einmal empfinde ich jetzt nur Freude und Dankbarkeit, dass ich mich überhaupt in dieses WM-Finale gekämpft hatte, denn nach meinen vielen Verletzungen hätte das vor zweieinhalb Jahren keiner geglaubt.«

In der Tat schwächelte Andreas Toba im Vergleich zu seiner glänzenden Qualifikation in der Folge nur noch etwas an den Ringen. Die unbeschwerte Leichtigkeit des Vorkampfes schien ihm abhanden gekommen zu sein. »An den Ringen bin ich total ins Pendeln gekommen«, erklärte er. Aber danach wollte er nicht »Trübsal blasen« und pushte sich selbst am Sprung, am Barren und am Reck zu besseren Werten als in der Qualifikation. Nur am Boden konnte er nichts mehr drauflegen. »Gleichgültig«, sagte er, »in diesem starken Feld hätte es für mich nicht unter die ersten Zehn gereicht, denn hier wird der kleinste Fehler bestraft.«

Vor einmal mehr 7 500 Zuschauern in der ausverkauften Schleyer-Halle sorgten die Top-Athleten für einen Kampf auf Biegen und Brechen. Nach jedem Gerät wechselte die Führung und die Favoriten jagten sich gegenseitig. Dabei mischte bis zum Schluss auch der chinesische Weltmeister von 2017 Xiao Ruoteng mit, der eine atemberaubende Übung am Pferd zeigte. Doch der Chinese büßte entscheidende Zähler mit einem Abflug vom Reck und einer schwächeren Ringeübung ein.

Auch der Amerikaner Sam Mikulak, der am Barren fantastische 15,325 Punkte erzielt hatte – nur der Ukrainer Wernjajew war mit der Tageshöchstwertung von 15,475 Punkten hier besser – vergab seine aussichtsreichen Medaillenchancen, als er am Pferd abstieg. Alle Athleten winkten aber am Ende dankbar dem Publikum zu, das sie stimmungsvoll zu atemberaubenden Übungen geführt hatte. Auch vier weitere deutsche Athleten – vergleiche Bericht auf dieser Seite – können diese vorbildliche Atmosphäre am Final-Wochenende bei der Heim-WM noch einmal genießen. (GEA)

 

WAS ZU VERDIENEN IST

Verglichen mit anderen Sportarten wie Leichtathletik und Schwimmen verdienen die Turner bei einer Weltmeisterschaft ziemlich wenig. Der Mehrkampftitel ist umgerechnet 4 500 Euro wert und eine Goldmedaille an einem Einzelgerät 2 700 Euro. Die Leichtathletik-Weltmeister in Doha wurden hingegen mit 55 000 Euro pro Titel belohnt und Schwimmer erhalten immer noch 18 000 Euro für WM-Gold. (bib)