METZINGEN. Er war der erste Österreicher auf dem Trainer-Posten der Metzinger Bundesliga-Handballerinnen. Und er geht als Champion: Durch den Pokal-Triumph hat sich Werner Bösch unvergesslich gemacht. »Ich will unbedingt Fünfter werden. Denn die Tabelle lügt nicht über die Saison«, sagt der 39-Jährige vor seinem letzten Bundesliga-Spieltag am Samstag (19 Uhr, live bei Dyn und sportdeutschland.tv) beim Thüringer HC.
GEA: Wie kam's, dass die TuS Metzingen den Mannschaftsausflug jetzt machte, noch bevor die Saison vorüber ist?
Werner Bösch: Das ist ungewöhnlich, aber doch nicht so ungewöhnlich. Auch die Männer-Bundesligisten von Hannover-Burgdorf und Melsungen waren jetzt auf Mallorca. Wir wollten den Pokalsieg nochmal richtig feiern, um dem Titel den richtigen Stellenwert zu geben. Zuerst war der Mannschaftsausflug noch im März nach dem Buxtehude-Spiel geplant, aber die Form stimmte nicht. Jetzt war es nach dem letzten Heimspiel genau der richtige Zeitpunkt.
Entspannung und Ablenkung auf Mallorca oder Fokussierung auf das letzte Spiel - was verspricht mehr Erfolg?
Bösch: Mit dem Pokalsieg und der Europapokal-Qualifikation haben wir unser Riesen-Ziel erreicht. Nun ist es wirklich schwierig, konzentriert zu bleiben. Ich habe versucht, mit anderen Ideen und reduziertem Training die Spannung hochzuhalten. Denn wenn man zu lässig und zu entspannt wird, ist es auch nichts. Dann steigt die Verletzungsgefahr. Ob der Trip nach Mallorca ein Vor- oder Nachteil für uns war, wird sich zeigen. Wir hatten Sonne, Strand, waren sehr entspannt und gut drauf.
»Ich will unbedingt Fünfter werden«
Jetzt hat die TuS plötzlich noch Chancen auf Platz fünf. Eine besondere Motivation?
Bösch: Weil wir schon für den Europapokal qualifiziert sind, macht Rang fünf oder sechs für Viele keinen großen Unterschied aus. Für mich aber schon. Denn die Tabelle lügt nicht über die Saison. Wir könnten ein paar Punkte mehr haben, weil wir vier unnötige Spiele verloren haben - unter anderem in Zwickau und Leverkusen. Ich will unbedingt Fünfter werden.
Wie fällt das Fazit Ihrer zwei Jahre in Metzingen aus?
Bösch: Wir haben uns als Mannschaft zu wenig schnell entwickelt. Wir hatten überragende, aber auch schlechte Spiele. Daher die fehlende Konstanz. Ich bin nicht völlig happy, aber auch nicht richtig enttäuscht über die Entwicklung des Teams. Die Arbeit mit den Spielerinnen hat mir sehr, sehr gut gefallen. Alle haben super-gut mitgezogen. Ich habe viele sehr schöne Sachen erlebt und hätte gern weitergemacht. Daneben finde ich auch die Gegend toll. In Metzingen ist viel los. Man kann in den Weinbergen oder auf der Eninger Weide spazieren gehen. Es erinnert mich an meine Vorarlberger Heimat. Eine supergute Gegend, um sich wohl zu fühlen. Meine Freundin Sara hat, als sie mit Noelia schwanger war, viele Kontakte geknüpft, es ist ein tolles Netzwerk entstanden, das wir ungern verlassen. Alles ist uns ans Herz gewachsen.
»Im Finale ist alles aufgegangen«
Rückblick auf den Pokal-Triumph. Hätten Sie Ihrer Mannschaft eine solche Leistung zugetraut, nachdem die Saison zuvor ein Auf und Ab war?
Bösch: Ich traue der Mannschaft immer alles zu. Denn ich weiß, wenn wir perfekt und am Limit spielen, ist das möglich. Wir waren nach dem Halbfinale, als wir im Siebenmeterwerfen gegen Oldenburg gewonnen hatten, schon relativ glücklich. Und im Finale ist alles aufgegangen. Jana Scheib hatte einen Top-Tag, Marie Weiss im Tor einen guten Tag, bei Bietigheim hatte Xenia Smits einen schlechten Tag. Da kam viel zusammen.
Sie waren davor in der Schweiz mit dem LC Brühl Meister und Pokalsieger. Kann man diese Situationen und Emotionen miteinander vergleichen?
Bösch: Nein. In der Schweiz war das weniger überraschend. Das hier in Metzingen war emotional der großartigste Titel, den ich geholt habe. Ich habe geweint, das ist mir zuvor nie passiert. Es war wunderschön. Aber auch die Verabschiedung letzte Woche vor den Fans mit den Standing Ovations war Weltklasse und ist mir sehr nahe gegangen.
»Marie Weiss wird Nationaltorhüterin - da bin ich mir sicher«
Welche TuS-Spielerinnen haben in dieser Saison den größten Leistungssprung gemacht?
Bösch: Sabrina Tröster hat richtig Gas gegeben. Was sie geleistet hat, ist Extra. Das hätte ich nicht erwartet. Viktoria Woth konnte nach ihren Verletzungen erstmals ihr Potenzial ausschöpfen. Sie war super-wichtig vorne wie hinten. Bei Marie Weiss kann man nur sagen: Top. Was sie jetzt schon gezeigt hat, war viel Glück für uns. Jede Torhüterin hat Phasen, in denen sie auch mal nichts hält. Dann wechselt man und bringt sie später wieder. Bei Marie fällt ihre Comeback-Qualität auf. Sie kommt zurück und hält Bälle, als wäre vorher nichts gewesen. Das habe ich bei einer 19-Jährigen ganz selten gesehen. Die Zukunft gehört ihr. Sie wird Nationaltorhüterin - da bin ich mir zu 2.000 Prozent sicher.
In der nächsten Saison gibt's einen Play-off-Modus in der Bundesliga. Was halten Sie davon?
Bösch: Ich bin ein großer Fan des Play-off-Modus. Da kann Platz sechs den Dritten schlagen. Man kann nicht voraussagen, was passiert. Und für die Zuschauer und die Medien-Wirksamkeit ist es gut.
Was trauen Sie den »TusSies« im Europapokal zu?
Bösch: Sie können zumindest die Gruppenphase überstehen. Wir haben ja im Pokal gesehen, wozu die Mannschaft fähig ist, wenn sie am Limit spielt. In dieser Saison haben wir die Top-Teams Bietigheim und Thüringer HC geschlagen. Du brauchst Losglück und Spielglück. Wenn alles zusammenkommt, ist auch das Erreichen des Final-Four-Turniers nicht ausgeschlossen. Ich wünsche der Mannschaft superviel Erfolg. (GEA)