REUTLINGEN. Staffelübergabe in der Schiedsrichtergruppe Reutlingen. Nach dreijähriger Amtszeit hört Obmann Daniel Leyhr auf. Am kommenden Montag wird auf der Jahres-Hauptversammlung in der Stadiongaststätte des VfL Pfullingen ein Nachfolger gewählt. »Die Anfeindungen auf den Sportplätzen sind ein Problem«, betont der 35 Jahre alteFunktionär. Leyhr, der aktiv Spiele bis zur Oberliga leitet, spricht im Interview mit GEA-Mitarbeiter Tobias Fischer über die Gründe seines Rückzugs, wagt einen Blick in die Zukunft und zeigt auf, was sich von Verbands- und Vereinsseite alles ändern muss, damit die Zahl der Schiedsrichter nicht weiter rückläufig ist.GEA: Nach drei Jahren als Schiedsrichter-Obmann hören Sie nun auf. Warum?
Daniel Leyhr: (lacht) Der Beweggrund ist relativ klein und noch nicht einmal ganz zwei Monate alt. Ich bin Anfang Dezember Vater einer Tochter geworden und möchte mir nun mehr Raum für die Familie nehmen. Es fehlt dann schlichtweg die Zeit an der Spitze einer Schiedsrichtergruppe. Ich möchte betonen, dass es keine inhaltlichen Gründe für meinen Rückzug gibt. Überhaupt nicht.
»Der Stellenwert des Schiedsrichters muss in den Vereinen wieder größer werden«
Inwiefern bleiben Sie der Gruppe noch erhalten?
Leyhr: Wir haben in der letzten Zeit im Ausschuss nach einem Nachfolger gesucht und können bei der Hauptversammlung auch einen Vorschlag für meine Nachfolge unterbreiten. Positiv ist, dass der Ausschuss zusammenbleibt, auch ich mache in dieser Funktion weiter. Die Arbeit der vergangenen Jahre kann also fortgeführt werden. Bei einer Wahl stehe ich für meinen Nachfolger in der Beratung und als Hilfestellung auf jeden Fall zur Verfügung.
Wie lautet Ihre Bilanz nach dreijähriger Amtszeit?
Leyhr: Die Bilanz fällt recht positiv aus. Wir sind gut aus der Corona-Zeit herausgekommen, indem wir die Schiedsrichterzahlen halten konnten. Auch auf Verbandsebene können wir uns recht gut präsentieren. Sportlich haben wir fünf Schiedsrichter in den Amateurligen, da sind wir stolz darauf. Abschließend ist es schön, dass wir mit Jan Streckenbach als Lehrwart auch diese Lücke schließen konnten.
Wie ist die Schiedsrichtergruppe Reutlingen grundsätzlich aufgestellt?
Leyhr: Wir haben aktuell etwa 140 aktive Schiedsrichter, dazu kommen 30 passive Unparteiische. Auf Verbandsebene sind wir eine recht große Gruppe und sind folgerichtig auch noch ganz gut aufgestellt. Wir haben jedoch ebenfalls Probleme, alle Spiele besetzen zu können. Pro Saison sind das mehr als 2.000 Partien. Und nicht jeder Schiedsrichter ist natürlich bereit, 30 und mehr Spiele im Jahr zu leiten. Das ist auch verständlich. Die Neulingsgewinnung bleibt nach wie vor wichtig, um die Aufhörer aufzufangen und gleichzeitig die aktiven Schiedsrichter weiter zu motivieren. Zusammenfassend geht es uns aber (noch) gut.
Aktuell leiten Sie Spiele bis zur Oberliga. Wie sehen Ihre Pläne aktiv an der Pfeife für die Zukunft aus?
Leyhr: Kurz- und mittelfristig möchte ich auch hier kürzer treten. Wann das genau sein wird, habe ich aber noch nicht final entschieden. Möglicherweise schon nach dieser Saison oder aber dann vielleicht ein Jahr später. Ich werde aber auf keinen Fall mehr zehn Jahre in der Oberliga pfeifen. Die Tendenz geht ohnehin dazu, dass jüngere Schiedsrichter gefragt und gewünscht sind. Mir macht die Schiedsrichterei aber weiterhin viel Spaß, von der ich mich zudem schlecht trennen kann.
Auf Staffeltagen hört man regelmäßig, dass die Schiedsrichterzahlen rückläufig sind. Worauf führen Sie das zurück?
Leyhr: Ohne Umfragen zu kennen, gibt es einfach attraktivere Angebote und vermehrt Anfeindungen bis hin zur Gewalt auf den Sportplätzen. Vor allem die Gewalt ist natürlich kein Anreiz für neue Schiedsrichter. Dazu bin ich der Meinung, dass die Bereitschaft im Ehrenamt tätig zu sein, nicht mehr so groß ist. Insgesamt sind die Zahlen der Unparteiischen gesunken, das stimmt. Zu Beginn meiner Amtszeit im Jahr 2021, also mitten in der Corona-Pandemie, hatten wir Angst hinsichtlich größerer Verluste. Das ist glücklicherweise ausgeblieben. Wir haben in den vergangenen drei Jahren vier Neulingskurse mit 51 Personen hinbekommen, davor waren es drei Neulingskurse bei 70 Leuten.
Abschließende Frage: Was muss sich von Verbands- und Vereinsseite alles ändern, dass das Schiedsrichterwesen wieder interessanter wird?
Leyhr: Ich wünsche mir, dass der Stellenwert des Schiedsrichters in den Vereinen wieder größer wird. Kritik ist in Ordnung, es kommt aber auf den Ton an. Die Anfeindungen sind schon ein Problem. Warum sollte es sich ein Referee antun, ein A-Liga-Spiel zu leiten, bei dem er von 22 Spielern und den Zuschauern angegangen wird?! Die Thematik ist allen, also auch den Vereinen, bewusst. Am Ende klappt es aber dann doch nicht immer. Mehr Wertschätzung und Toleranz für das Amt des Schiedsrichters wären wünschenswert. Von Verbandsseite hatten wir zuletzt das Jahr des Schiedsrichters. Das hat auch dazu beigetragen, eine höhere Wertschätzung für dieses Ehrenamt ins Rollen zu bringen. Dazu wäre ein Anreiz die Spesen zu erhöhen, dies soll zur neuen Saison auch geschehen. (GEA)
ZUR PERSON
Daniel Leyhr wurde am 10. Mai 1988 in Münsingen geboren. Der Diplom-Mathematiker hat das Staatsexamen für das Gymnasial-Lehramt in den Fächern Mathematik und Sport abgeschlossen. Leyhr ist verheiratet, Vater einer Tochter und pfeift für die TSG Münsingen. Beruflich arbeitet der 35-Jährige am Institut für Sportwissenschaft und Methodenzentrum der Universität Tübingen als Sportwissenschaftler und Dozent mit dem Schwerpunkt Forschung und Statistik. Als Schiedsrichter ist Leyhr seit 2002 aktiv. In seiner Karriere hat der Referee bereits über 1.200 Spiele geleitet, davon 99 Partien in der Oberliga. (tob)