PFULLINGEN. Wenn man nach sechs Spieltagen mit nur vier Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz steht, dann ist in der jungen Saison ziemlich sicher noch nicht viel zusammengelaufen. Aber muss man sich deshalb bereits ernsthafte Sorgen machen um den VfL Pfullingen? »Nein« sagt Sportchef Paul Stingel vor dem Verbandsliga-Heimspiel am Samstagmittag gegen die SF Dorfmerkingen (14.30 Uhr). Doch woran liegt es, dass die Echazstädter mit neun Punkten weniger dastehen als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr?
»Man muss auch sehen, dass wir ein anspruchsvolles Auftaktprogramm hatten«, betont der 28-jährige Stingel, der sich selbst die Kickstiefel für die Pfullinger Dritte in der Reutlinger A-Liga schnürt. Dem möchte auch der VfL-Chefcoach Yasin Yilmaz nicht widersprechen. Schließlich verlor seine Mannschaft die letzten vier Begegnungen gegen gleich drei Vereine (Ehingen-Süd, Oberensingen und Hofherrnweiler), die derzeit unter den Top fünf im württembergischen Oberhaus stehen. »Das sind alles gestandene Vereine, die sehr abgezockt sind. Diese Liga verzeiht dir keine Fehler. Das macht uns als junge Mannschaft schon ein Stück weit zu schaffen«, berichtet Yilmaz.
»Wir müssten den Jungs eigentlich die nötige Zeit geben, aber irgendwie geht das gerade nicht«
Dass die Pfullinger auch in dieser Saison wieder eine blutjunge Mannschaft ins Rennen schicken? Soweit keine Überraschung. Dass die Jungen Wilden um den zentralen Mittelfeldspieler Nico Rall, der Ende November erst seinen 19. Geburtstag feiert, oder Filip Djakovic (19) - beide waren vergangene Saison noch in der A-Jugend am Ball - aber tatsächlich direkt auch in erster Reihe liefern müssen und gebraucht werden? Ist in dieser Form dann doch eine größere und vor allem ungeplante Überraschung. Nicht umsonst betont der Trainer: »Wir müssten den Jungs eigentlich die nötige Zeit geben, aber irgendwie geht das gerade nicht.« Die Antwort darauf ist ganz einfach: Weil der VfL aktuell mit großen personellen Problemen zu kämpfen hat.
So zum Beispiel Timo Krauß. Der 27-Jährige, der auf der Sechser-Position mit seiner Ruhe und Erfahrung so dringend benötigt würde, fehlt aufgrund einer selten auftretenden Schambein-Verletzung und wird im Jahr 2024 nicht mehr auflaufen können. Die beiden spielstarken und bereits mit reichlich Verbandsligaerfahrung ausgestatteten Sommerzugänge Roman Schubmann und Finn Edelmann: Kommen verletzungs- und auch krankheitsbedingt bislang nur auf zwei und drei Einsätze. Dazu kommt, dass Leistungsträger und Innenverteidiger Marco Digel aufgrund von bereits zwei Ampelkarten in zwei Partien gesperrt zusehen musste. Ach ja, nicht zu vergessen: Gleich drei verschiedene Torhüter mussten in den ersten vier Partien das Pfullinger Gehäuse hüten. Darunter der erst vor 19 Jahren geborene Jannis Gebhard. Ganz schön viel auf einmal. »Wir hatten seit Spieltag eins immer eine andere Startelf. Da kommt man nicht so einfach in einen Flow«, meint Sportvorstand Stingel. Ebenfalls nicht unter den Tisch zu kehren ist der Fakt, dass mit Robin Hiller und Timo Gutjahr zwei Stammkräfte über entweder - wie im Fall von Hiller - noch gar keine Verbandsliga-Erfahrung verfügen. Oder es wie bei Gutjahr, der aus der Bezirksliga kam, schon zehn lange Jahre her ist, dass er zum letzten Mal in einer Partie in der sechsten Liga auf dem Rasen stand.
»Ich hatte fünf Spieler auf der Bank, die 18 oder 19 Jahre alt waren. Das bindet einem Trainer schon irgendwo die Hände«
Zurück zu den Jungen Wilden, die durch all diese verschiedenen Umstände nun früher als gedacht auf dem hohem Niveau in der Verbandsliga Verantwortung übernehmen müssen und denen Yilmaz »in keinster Weise böse sein kann« und vor allem will. Weil er aufgrund der angespannten Personalsituation »eigentlich schon viel zu viel von ihnen verlangt«. Gleichzeitig gibt der 31-Jährige eine spannende Anekdote preis. Der Ehinger Trainer Michael Bochtler habe am Wochenende nach der 1:3-Niederlage des VfL zu ihm gesagt: »Es war sehr wichtig und gut, dass ich einem 18-Jährigen endlich einmal fünf Minuten Einsatzzeit geben konnte.«
Darüber muss Yilmaz schmunzeln. Überhaupt nicht böswillig. Aber: »Der Gegner hat munter wechseln können. Ich hatte hingegen fünf Spieler auf der Bank, die erst 18 oder 19 Jahre alt waren. Das bindet einem Trainer schon irgendwo die Hände. Ob man einen 18-Jährigen in der zweiten Hälfte da einfach reinschicken möchte, in einer Phase in der die Mannschaft gerade die Spielkontrolle verloren hat und ihn dadurch vielleicht auch kaputtmacht?«, fragt Yilmaz ironisch. Er möchte auf keinen Fall falsch verstanden werden und hat das auch gegenüber seiner Mannschaft so kommuniziert. Denn grundsätzlich finde er, dass die Jungs alle schon weit für einen erst 18- oder 19-Jährigen seien. »Aber halt noch nicht so weit, dass sie in dieser Liga von heute auf morgen problemlos Fuß fassen können. Das ist einfach ein Reife- und Entwicklungsprozess«, betont der Pfullinger Coach und ergänzt abschließend: »Die nötige Zeit kann ich ihnen aktuell aber leider nicht geben.« (GEA)