REUTLINGEN. Ziemlich atemberaubend ist das Ganze inzwischen. Im Geschäft mit dem Profifußball ist in diesen Tagen mehr die Rede von den Trainern als von den Kickern. Was nichts Schlimmes ist - und für einen jungen Mann aus Nürtingen vielleicht die größte Chance seines beruflichen Lebens bedeutet.
Der frühere Hoffenheim-Profi Matthias Jaissle wird neuer Trainer von Österreichs Fußball-Meister FC Red Bull Salzburg. Der Sohn von Kurt Jaissle, der einst für den SSV Reutlingen und den TSV Pliezhausen spielte, folgt auf Jesse Marsch, der in der neuen Saison zu Salzburgs Kooperationsclub RB Leipzig wechselt.
Ganz spezielle Dramaturgie
Dort wiederum war Jaissle, inzwischen 33 Jahre jung, nach seinem frühen verletzungsbedingten Karriereende als Profi von 2015 bis 2017 als Jugendcoach tätig. Danach arbeitete er als Assistent von Alexander Zorniger bei Bröndby IF in Dänemark, 2019 übernahm er die Salzburger Junioren. Im Januar rückte er als Erbe von Bo Svensson, der inzwischen den FSV Mainz 05 erfolgreich vom Bundesligaabstieg fernhält, zum Chef beim österreichischen Zweitligisten FC Liefering auf.
Jaissle erhält in Salzburg einen Vertrag bis zum Sommer 2023. Vom Tisch sind damit Spekulationen um einen Wechsel von Oliver Glasner vom VfL Wolfsburg, der in den vergangenen Tagen ebenfalls als Kandidat für den Posten in Salzburg gehandelt wurde. »Der Weg und die Ausrichtung des Clubs entsprechen meinem Zugang als Trainer sehr genau, und ich bedanke mich für das Vertrauen«, sagt Jaissle selbstbewusst, der nun zunächst die Saison in Liefering erfolgreich abschließen will.
Resignation hatte keinen Platz
Jaissle galt als Innenverteidiger als Wechsel auf die Zukunft. Nach seinem Wechsel aus Neckartailfingen zum VfB Stuttgart holte ihn Ralf Rangnick 2007 nach Hoffenheim. Zwei Aufstiege hintereinander führten den Club und Jaissle in die Bundesliga. Vermutlich wäre er bald von Joachim Löw in die Nationalmannschaft geholt worden, ehe eine schicksalhafte Verletzungsmisere das Karriereende für das begnadete Talent bedeutete. Aber im Leben von Jaissle hat Resignation keinen Platz. »Ich will dem Fußball erhalten bleiben«, sagt er und richtet sein Leben auf eine Trainerkarriere aus. Und wieder stand Rangnick Pate, der ihn nach Leipzig holte. Danach lief alles fast wie von selbst.
Was natürlich nur die halbe Wahrheit ist, weil Jaissle keinem Interessierten verborgen blieb. »Im schnelllebigen Fußballgeschäft macht es keinen Sinn, einen Karriereplan aufzustellen«, sagte Jaissle im Gespräch mit dieser Zeitung. Aber selbst wenn er den Plan nicht dezidiert aufgeschrieben hat, folgt sein Leben doch einer speziellen Dramaturgie. Vermutlich wird man ihn irgendwann in der Fußball-Bundesliga sehen. Und niemand wird sich darüber ernsthaft wundern. (GEA)