DETTINGEN/ERMS. Leise, still und heimlich ist im idyllischen Ermstal im beschaulichen Dettingen ein Mann heimisch geworden, der auf den in Sport-Deutschland nicht ganz unbekannten Namen Clemens Fritz hört. Und nein, hier handelt es sich nicht um den gleichnamigen früheren 22-fachen deutschen Nationalspieler, der beim Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen im Sommer zum Geschäftsführer aufsteigen wird.
Doch wie sein Namensvetter blickt der 41-Jährige ebenso auf einen spannenden Lebensweg. Von Montag bis Freitag hat Fritz als Standortleiter der Eventlocation Motorworld in Metzingen alle Hände voll zu tun. Den Chefposten trägt er aber auch am Wochenende mit sich, wenn er erfahrene Profis nach seiner Pfeife tanzen lässt. Fritz, dessen Lebensgefährtin aus Bad Urach stammt, ist seit 2003 als Schiedsrichter in der Basketball-Bundesliga (BBL) unterwegs. Der Wahl-Dettinger zählt seit vielen Jahren zu den Top-Referees im deutschen Oberhaus. Neben seinen bislang 645 BBL-Einsätzen blickt er zudem auf etliche Partien in der Euroleague, dem höchsten europäischen Basketball-Wettbewerb, der mit der Champions League im Fußball vergleichbar ist. Die wichtigsten und spannendsten Punkte aus dem exklusiven GEA-Gespräch mit Fritz im Überblick.
- Bundesliga-Debüt mit 21 Jahren:
Fritz ist zwar erst 41 Jahre alt, absolviert allerdings bereits seine 21. Saison als Referee im deutschen Oberhaus. Zur Schiedsrichterei kam er aber nicht ganz aus freien Stücken. Jeder Verein muss eine bestimmte Anzahl an Referees stellen, Fritz wurde diese Aufgabe damals von den Verantwortlichen seines Heimatvereins in Sandhausen übertragen. Sein Debüt in der Bundesliga feierte er nur wenige Jahre später. Das war 2003, im zarten Alter von 21 Jahren. Ein im Profi-Fußball undenkbares Szenario. Wie kam es dazu?
»Zu dieser Zeit begann die Basketball-Bundesliga mit einem Förderprogramm für junge Schiedsrichter, die in einer Art und Weise gefördert wurden, wie es in anderen Sportarten nicht der Fall war«, erklärt Fritz. Hilfreich war sicherlich, dass 2003 in der BBL die Drei-Mann-Technik eingeführt wurde und so plötzlich ein Drittel mehr an Unparteiischen benötigt wurde. Zuvor waren jeweils nur zwei Schiedsrichter pro Spiel im Einsatz gewesen. »Das führt dazu, dass man jetzt einen Kader hat, in dem die Anfang 40-Jährigen fast alle schon 20 BBL-Jahre auf dem Buckel haben«, berichtet der studierte Diplom-Sportökonom weiter.
Ist ein solches Szenario auch noch heute denkbar? »Ich glaube nicht, dass man heutzutage bereits in diesem jungen Alter reif für die Bundesliga ist. Es gibt mittlerweile eine ganz andere Transparenz und Öffentlichkeit. Jedes Spiel kann von jedem von überall aus angeschaut werden«, erklärt Fritz. »Das ist schon etwas anderes als damals, als der 20-Jährige vor 800 Zuschauern in der Ulmer Kuhberghalle gepfiffen hat. Da gab es maximal eine Hauptkamera von oben unter dem Hallendach. Da konnte man einen dritten Schiedsrichter mit zwei arrivierten Kollegen auch mal ins kalte Wasser werfen und wenn etwas schiefgegangen ist, hat es außerhalb der Halle auch niemanden so richtig interessiert.«
- Thema Video-Schiedsrichter:
Im Vergleich zum Fußball greift der Basketball schon deutlich länger auf diese innovative Methode zurück. Seit der Saison 2014/15 gibt es den Videobeweis in der BBL. In der Fußball-Bundesliga wurde der Video-Schiedsrichter erst zur Saison 2017/18 eingeführt. Im Basketball gibt es jedoch keinen Kölner Keller. Die Referees schauen sich zwar ebenfalls auf dem Feld die jeweiligen Szenen an, treffen schlussendlich aber die Entscheidung eigenständig. Anders als im Fußball ist der Videobeweis im Basketball jedoch nie zum großen Politikum unter den Fans geworden.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Während im Fußball eine einzige Szene das Spiel drehen kann, gibt es beim Basketball »gefühlt 365 Situationen davor, die zum Ausgang des Spiels gleichermaßen beitragen«, wie Fritz betont. Er finde den Videobeweis eine »absolut gute Sache«. An den Rahmenparametern müsse jedoch noch ein bisschen gefeilt werden. Fritz denkt vor allem an die Coaches-Challenge, bei der jeder Trainer seit dieser Saison einmal pro Spiel eine Entscheidung überprüfen lassen kann. Als Beispiel für den nötigen Optimierungsbedarf führt Fritz ausgerechnet den Tübinger Headcoach Danny Jansson an, der gegen Würzburg nach 37 Sekunden beim Stande von 0:0 eine Challenge genommen hatte, um einen Ausball überprüfen zu lassen. »Selbst wenn dieses Ding glasklar gewesen wäre, müssen es die Regularien verbieten, dass nach 37 Sekunden das Spiel für anderthalb Minuten unterbrochen wird. Denn sowas hat rein gar nichts mit dem Spielausgang zu tun«, findet Fritz, der diese Partie als Schiedsrichter leitete.
- Aufwand und Ertrag:
In Deutschland gibt es mit Robert Lottermoser und Gentian Cici zwei hauptberufliche Basketball-Referees. In der aktuellen Spielzeit bekommt laut einem Bericht der Sport Bild jeder BBL-Schiedsrichter 750 Euro pro Einsatz. Diese Zahl deckt sich auch mit den GEA-Informationen. Findet das Spiel unter der Woche statt, sind es 900 Euro pro Begegnung. In den Playoffs steigt das Honorar mit jeder Runde nochmals leicht an.
Zum Vergleich: Die 23 aktiven Referees in der Fußball-Bundesliga kassierten laut dem Sportmagazin kicker in der Saison 2022/23 ein durchschnittliches Grundgehalt von 72.000 Euro jährlich, pro Erstliga-Einsatz kamen nochmals 5.600 Euro obendrauf. Da kann der Basketball nicht mithalten. »Für die meisten wie mich ist es aber sowieso reine Passion«, berichtet Fritz, der im Hauptberuf seit Ende des vergangenen Jahres als Standortleiter in der Metzinger Motorworld tätig ist und ergänzt: »Dennoch ist es ein vernünftiges und angemessenes Honorar, das wir bekommen. Das würden viele gerne nehmen.« Interessant: Teilweise pfeifen die Schiedsrichter in der Basketball-Bundesliga sogar zwei Spiele pro Wochenende. »Bei mir passiert das aber maximal ein bis zweimal jede Saison. Andere Kollegen handhaben das anders«, erzählt Fritz, der seit März 2020 nicht mehr auf internationaler Ebene pfeift, auf der er zuvor sieben Jahre lang unterwegs war.
»In dieser Zeit habe ich erfahren, dass ich nochmals Vater werde. Dann habe ich entschieden, dass ich das alles nicht mehr in dieser Art und Weise stemmen kann«, berichtet der dreifache Familienvater. Wie lange er noch in der BBL, in der es für Schiedsrichter anders als in der Fußball-Bundesliga keine Altersgrenze gibt, weiterpfeifen möchte? »Das entscheide ich immer nach jeder Saison. Aktuell macht es mir aber noch großen Spaß.«
- Spießrutenlauf in Belgrad:
»An dieses Spiel werde ich mich auch noch in 30 Jahren erinnern«, erzählt Fritz und schmunzelt. Ein Spiel in der Euroleague bei Roter Stern Belgrad in der berühmt-berüchtigten Aleksandar-Nikolic-Halle. Offiziell war damals Platz für 7.000 Zuschauer, »aber es waren bestimmt 12.000 Leute da«, sagt er lachend. Bereits vor der Partie in der serbischen Hauptstadt, in der Basketball eine Religion ist, habe eine eigene Sicherheitseinheit mit sechs Mann das Schiedsrichtergespann aufs Spielfeld geführt. Mit Stahlhelmen und Schutzschildern.
Wenige Sekunden vor Schluss hatte Fritz bei einer knappen Führung für Belgrad einen spielentscheidenden Pfiff gegen die Hausherren ausgesprochen, die am Ende zur Niederlage führten. »Das war ein Foul und wurde objektiv von keinem angezweifelt. Nur eben von den 12.000 Zuschauern«, erklärt er und ergänzt: »Ich wusste, dass mein Pfiff zu 100 Prozent richtig war.«
- Folgen nach dem Hoyzer-Skandal:
Anders als im Fußball gibt es in der Basketball-Bundesliga im Vorfeld keine Informationen darüber, welche Schiedsrichter bei welchen Spielen im Einsatz sind. »Es wird im Prinzip und im besten Fall bekanntgegeben, wenn wir vor dem Spiel in die Halle laufen«, erklärt Fritz. Das ist eine Konsequenz, die die Verantwortlichen aus dem Manipulationsskandal um den früheren Fußball-Schiedsrichter Robert Hoyzer aus dem Jahr 2004 zogen. Zudem müssen alle BBL-Schiedsrichter einen »Letter of Conduct« unterschreiben. Was übersetzt so viel bedeutet, dass sich Fritz und Co. dazu verpflichten, dass sie als Privatperson keine Sportwetten betreiben. Und zwar völlig egal, um welche Sportart es sich handelt. (GEA)