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Windräder bei Gönningen und Bronnweiler?

Windräder bei Gönningen und Bronnweiler? Jede Menge offene Fragen verunsichern die Bürger

Blick aufs Wiesaztal: Im Reutlinger Süden gibt es noch viel Platz.  FOTO: SCHANZ
Blick aufs Wiesaztal: Im Reutlinger Süden gibt es noch viel Platz. FOTO: SCHANZ
Blick aufs Wiesaztal: Im Reutlinger Süden gibt es noch viel Platz. FOTO: SCHANZ

GÖNNINGEN/BRONNWEILER. Viele Fragen. Wenig Antworten: Derzeit sieht es jedoch so aus, als ob die Energiewende auf Reutlinger Markung markante Spuren im Landschaftsbild vor allem im Südraum hinterlassen könnte. Die Suchraumkarte Windkraft des Regionalverbands Neckar-Alb zeigt, wie berichtet, fürs Stadtgebiet nennenswert große weiße Flächen ohne relevante Restriktionen nur auf Gönninger und Bronnweiler Gemarkung im Bereich beim »Käpfle« und auf dem Gewann Plattach: Beide waren beim Suchlauf 2012 bereits im Fokus gewesen.

Die Unsicherheit in den beiden Teilorten verstärkt nun die Ankündigung der Stadtverwaltung, dass man die »interkommunale Zusammenarbeit« mit Nehren, Gomaringen, Pfullingen und Mössingen anstrebe, auch weil die Suchräume über die Gemarkungsgrenzen gehen. Die Bürger vor Ort fürchten Konzentration. Erste Gespräche laufen, es gebe eine »große Bereitschaft« zu dieser Kooperation, berichtete Stefan Dvorak, der Leiter des Stadtplanungsamts, bei der Sitzung des Bronnweiler Bezirksgemeinderats.

Dvorak betonte immer wieder, dass es auf viele Fragen aktuell keine Antworten gebe. Der Regionalverband habe bisher lediglich »Suchräume definiert«, in denen Räder grundsätzlich möglich wären, weil keine Restriktionen wie Siedlungsabstände oder Naturschutzbelange dagegen stehen. Erst nach vertiefter Untersuchung durch den Regionalverband würden bis Herbst 2025 Vorranggebiete ausgewiesen, die dann tatsächlich Anlagenbau erlauben. Genehmigungsverfahren dauerten dann weitere sechs bis sieben Jahre. Planungsrechtlich sei die Kommune außen vor. »Wir sind nicht Verfahrensführer.« Für die Genehmigung der Räder ist das Regierungspräsidium zuständig.

Die Windhöffigkeit ist bereits in der aktuellen Suchkarte Thema. Allerdings wurden die verwendeten Werte dem baden-württembergischen Windatlas entnommen: Sie sind damit keine Messungen, sondern Berechnungen.

»Käpfle« und Plattach?

160, 170 Meter Nabenhöhe plus Flügel? Konkretes zu den Maßen konnte Dvorak nicht sagen. Größere Windräder hätten aber den Vorteil, dass größere Abstandsflächen einzuhalten seien und entsprechend weniger Räder aufgestellt würden, die sich zudem langsamer drehten.

Bezirksgemeinderat Markus Jetter sorgt sich, das durch die interkommunale Zusammenarbeit viele Anlagen »auf einem kleinen Fleck geballt« zu stehen kommen. In einer internen Veranstaltung für die Kommunalpolitik in der Stadthalle zu Beginn der Woche will er von »neun bis elf« Windanlagen im Bronnweiler Süden gehört haben. Drei bis vier, das kann sich der Rat noch vorstellen, aber elf Räder? »Das ist massiv, das hat mich erschreckt.«

»Ich kann zu der Anzahl nichts sagen«, beteuerte Dvorak auch hier. Es sieht den Vorzug der Zusammenarbeit mit den Nachbarn aber auch darin, dass man mitreden könne, wie die Räder auf den Nachbargemarkungen zu stehen kommen.

Dass zu Anlagen auf dem Plattach noch welche auf dem »Käpfle« dazukommen könnten, treibt Ralf Glaunsinger um. Der Bezirksrat fürchtet neben Lärm »die Zerstörung von Naherholungsgebieten«. Dass gegebenenfalls »hektarweise« Wald gerodet werden müsste, missfällt ihm ebenfalls. In der Stadt werde wegen jedem Baum ein Aufschrei laut. Sein Kollege Andreas Glaunsinger kann Windkraft im Süden nicht unterstützen, solange es keine PV-Anlagen »auf jedem Dach in der Stadt« gibt. Plattach sei kostbare Anbaufläche, »die Kornkammer« des Wiesaztals. Bezirksbürgermeisterin Friedel Kehrer-Schreiber verwahrte sich dagegen, dass Bronnweiler in die Ecke der Windkraftgegner gestellt werde, nur weil man im Ort besonders kritische Fragen stelle. Man brauche Windenergie. Aber die Betroffenen müssten damit »gut leben können«. Sie lenkte den Blick nicht nur auf den Stöffelberg: »Habt Ihr Georgenberg und Achalm geprüft?« Die Dorfchefin will von Gesprächen zwischen Plattach-Grundstückseigentümern (das Gewann ist weitgehend in privaten Händen) und der Stadt wissen: »Zieht die Stadt dort schon Fäden?«

Stefan Dvorak wies diese Behauptung zurück. Bei einem emotionalen Thema wie der Windkraft komme schnell der »Hinterkammerverdacht« auf, derweil Stadtverwaltung und Regionalverband um größte Transparenz bemüht seien.

Soll Bronnweiler die Hauptlast tragen? Warum baut man statt hoher Windräder, nicht auf höher gelegenen Flächen? Wann gibt es genauere Pläne? In der Fragestunde konnten Bürger Befürchtungen loswerden. Im Publikum auch der BI-erfahrene Windkraftbegleiter Willi Neu, der sich schon 2012 intensiv mit dem Thema Windmessungen beschäftigt hatte und die genannten Gebiete für ungeeignet hält. Es sei »irrational«, dort zu bauen.

Stadtplaner Dvorak wiederholte, dass zentrale Fragen im weiteren Verfahren vom Regionalverband geprüft werden. Er versprach auch, dass die Stadt gegebenenfalls für eigene Gutachter Geld in die Hand nehmen werde. Keine Frage: Das hochpolitische Thema bietet Spaltpotenzial. Stadt und Land »müssen gut zusammenarbeiten«, sagte Dvorak den Blick auch gen Albhochfläche gerichtet. Reutlingen erreiche das politisch vorgegebene Flächenziel (1,8 Prozent für Windkraft) allein nicht.

Gönninger verschnupft

Der Amtsleiter packte die Bonbons aus: An den Windparks im Reutlinger Südraum sollen die Bürger finanzielle Teilhabe bekommen (siehe Seite 13). Dvorak sieht »hohe Wertschöpfung« auch für die Kommune unter anderem durch Pacht und Gewerbesteuer. Auch die Stadtwerke sollten in die Beteiligung kommen.

Vier für den Beschlussvorschlag, drei dagegen, eine Enthaltung: Der Zuspruch aus Bronnweiler für die städtische Beschlussvorlage, die im Kern dem weiteren Verfahren sowie der interkommunalen Zusammenarbeit den Segen gibt, fiel verhalten aus.

Im Gönninger Bezirksgemeinderat war zuvor die Abstimmung der Vorlage ausgefallen. Den Räten stieß sauer auf, dass aus Termingründen kein Verwaltungsvertreter aus Reutlingen in die Sitzung gekommen war. Das soll nun im September nachgeholt werden. Ratsmitglied Gerold Bross rügte den »Stil der Stadt«. Er sehe bisher keinerlei Beteiligung der Bürger und stellte den Antrag einer zeitnahen Bürgerinformationsveranstaltung. »Wollen wir, dass im Plattach Äckerle vergoldet werden«, fragt er zudem in die Runde.

Auch für Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl ist klar, dass in Reutlingen bei der Suche im Kern »Käpfle und Plattach übrig bleiben«. Eingezeichnete Freiflächen im Nordraum seien zu klein, um mehrere Anlagen zu errichten und damit unwirtschaftlich. Letztlich werde, so Markus Fetzer, ein Projektierer entscheiden, ob eine Fläche wirtschaftlich ist. Hinsichtlich der hellen Flecken in der groben Suchraumkarte sprach er von »Stochern im Nebel« und forderte, keine landwirtschaftlichen Flächen für Windkraft zu opfern. Christoph Ziegler rief den Rat auf, sich nicht zu verschließen, aber ein Mitspracherecht zu fordern. Mit Flügel bis zu 240 Meter hohe Bauwerke? Siegfried Randecker fürchtet einen »Schaden für die Kulturlandschaft«. Er sei für Windkraft: »Aber da, wo’s Wind hat und keinen stört.« (GEA)