Logo
Aktuell Bürgerinitiative

Wieso diese Mittelstädter Windkraftpläne ablehnen

Die Bürgerinitiative übt Widerstand gegen zwei Gebiete aus, die für Windenergienutzung geplant sind.

Mitglieder der Mittelstädter Bürgerinitiative möchten keine Windräder im Hardtwald hinter ihnen:(von links) Bernd Rein, Manuel G
Mitglieder der Mittelstädter Bürgerinitiative möchten keine Windräder im Hardtwald hinter ihnen (von links): Bernd Rein, Manuel Geiselhart und Laura del Giudice. Bezirksbürgermeister Wilhelm Haug (ganz rechts) erklärt den Bürgern den Stand des Verfahrens. Foto: Stephan Zenke
Mitglieder der Mittelstädter Bürgerinitiative möchten keine Windräder im Hardtwald hinter ihnen (von links): Bernd Rein, Manuel Geiselhart und Laura del Giudice. Bezirksbürgermeister Wilhelm Haug (ganz rechts) erklärt den Bürgern den Stand des Verfahrens.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN-MITTELSTADT. Bedroht sieht die »Bürgerinitiative Gegenwind am Standort Mittelstadt« mehrere grüne Idyllen der Ortschaft. Denn auf seinen Plänen für den Ausbau der Windenergie hat der Regionalverband Neckar-Alb zwei Gebiete als möglicherweise geeignet ausgewiesen, die den Bürgern als komplett ungeeignet erscheinen. Außerdem erzählen die Mittelstädter, dass diese zu Anfang des Jahres vorgelegten Planungen jetzt erheblich größere Flächen zeigten, als dies noch vor einem Jahr der Fall gewesen sei. Die Reutlinger Stadtverwaltung widerspricht heftig dem Eindruck, hier sei ihrerseits irgendetwas windig gelaufen.

Es geht um zwei sogenannte Vorranggebiete für Windkraftanlagen: Das Gebiet RT 21 umfasst Teile des Hardtwaldes sowie einiger Felder davor. Es liegt links von der Bempflinger Straße, und stellt laut Bürgerinitiative mit seinem »alten Baumbestand und brütenden Vögeln« nicht nur eine »grüne Lunge« inklusive Quellgebiet des Wieslenbaches dar – sondern wird wegen seiner natürlichen Schönheit als Naherholungsgebiet genutzt. Unter der Bezeichnung RT 20 weisen die Pläne Teile des Lachenhau aus, in dem die Quelle des Buchbaches zu finden ist, »auch für dieses Gebiet soll Wald geopfert werden«. Die Rede ist von zu wenig Wind und zu geringen Abständen, Schallbelastungen und einigem mehr. Vor Ort im Grünen beschreibt Bezirksbürgermeister Wilhelm Haug die Geschichte der Planungen aus seiner Sicht.

»Die ersten Pläne gab es 2014. Da war nur eine Fläche für Windkraftanlagen auf der Gemarkung Mittelstadt ausgewiesen: zehn Hektar außerhalb des Hardtwaldes«, sagt Haug, »die zehn Hektar waren damals kein Thema. Weil die Fläche zu klein für einen Investor ist, um einen Windpark zu bauen. Außerdem haben die Naturschützer interveniert«. Noch im Oktober des vergangenen Jahres sei »in allen Plänen nur von diesen zehn Hektar die Rede gewesen«. Womit das Thema Windkraft sowohl im Bewusstsein des Ortschaftsrates als auch der Bevölkerung vom Winde verweht gewesen sei. Stürmisch ist es erst vor wenigen Monaten geworden. »Das böse Erwachen kam im Februar 2024 in der Gemeinderatsdrucke 24/028/01 zum Thema Ausbau erneuerbarer Energien«, erinnert sich Haug, »da waren in den Plänen auf einmal 40 Hektar auf Mittelstädter Gemarkung«.

Der Bezirksbürgermeister versichert: »Fakt ist, dass die Stadtverwaltung Reutlingen uns im Vorfeld nicht einbezogen hat«. Als die Planungen Mitte Februar im Bezirksgemeinderat vorgestellt werden, treffen sie auf einen Sturm der Ablehnung. »Wir haben einstimmig gesagt: das geht so nicht«, erinnert sich Bezirksgemeinderätin Britta Pflugbeil-Görner. Auf einer Ortsbegehung unter dem Motto »Windenergieanlagen im Wald?« Ende April wird der Gegenwind kräftiger.

Ausbau erneuerbarer Energien in Reutlingen

So beschreibt das Amt für Stadtentwicklung und Vermessung in der Gemeinderatsdrucksache 24/028/01 das Verfahren, hier in Auszügen zitiert: "Im Rahmen der regionalen Planungsoffensive erneuerbare Energien erarbeitet der Regionalverband Neckar-Alb die Teilfortschreibungen Windenergie und Solarenergie des Regionalplans Neckar-Alb. Die Pläne enthalten Entwürfe für Gebiete für Windenergieanlagen und regionalbedeutsame Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Es liegen vier Gebiete für Windenergie ganz oder teilweise im Reutlinger Stadtgebiet.

RT-20 (Mittelstadt, Metzingen, Riederich – 10 Hektar), RT-21 (Mittelstadt – 30 Hektar), RT-TÜ-01 (Reutlingen, Bronnweiler, Gönningen, Ohmenhausen, Gomaringen, Pfullingen) und RT-TÜ-02 (Gönningen, Gomaringen, Mössingen, Nehren).

Die am Ende des Planverfahrens ausgewiesenen Gebiete markieren die Bereiche in der Region, in denen Windenergieanlagen errichtet werden können. Sie treffen jedoch keine Aussage zu den Windenergieanlagen selbst, wie zur Anlagenanzahl oder den Standorten im Gebiet. Themen wie diese sind Gegenstand der Projektierung von Windenergieanlagen und des für deren Errichtung erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens".

Aktuelle Karten (Achtung, sehr viele Megabytes groß) und weitere Informationen finden sich beim Regionalverband im Bereich »Aktuelles«. (zen)

www.rvna.de

Bernd Rein, Manuel Geiselhart, Laura del Giudice und Philipp Schäffer gründen die »Bürgerinitiative Gegenwind am Standort Mittelstadt«, und vertiefen sich in das Thema. »Wir waren schockiert«, sagt Bernd Rein. »Wir sind direkt betroffen, wohnen in Sicht- und Hörweite«, erklärt Laura del Giudice ihr Engagement. »Es geht um ein Biotop und Wasserquellen«, betont Manuel Geiselhart. Die Mittelstädter versichern, keinesfalls grundsätzlich etwas gegen Windenergie zu haben, »aber wenn der Standort derart ungeeignet ist« doch. Widerstand rege sich auch in Bempflingen und Neckartenzlingen.

Stadtverwaltung reagiert sachlich

Im Reutlinger Rathaus reagiert Stefan Dvorak als Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Vermessung sachlich auf die steife Brise aus dem Neckartal. Festzustellen sei, so Dvorak, dass die vom Bezirksbürgermeister auf das Jahr 2014 datierten Planungen weder von der Stadt Reutlingen noch vom Regionalverband Neckar-Alb erstellt worden seien, »sondern vom Nachbarschaftsverband Reutlingen-Tübingen im Rahmen der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes«.

Auch zwischen Ohnastetten und Kohlstetten sollen sich künfitg Windräder drehen. Die Details zu den  Planungen auf St. Johanner
Eine Windkraftanlage im Nebel. (Symbolbild) Foto: Woitas/dpa
Eine Windkraftanlage im Nebel. (Symbolbild)
Foto: Woitas/dpa

Die erwähnten zehn Hektar seien dann »aus Gründen des Naturschutzes ausgeschieden«. So weit der Blick in die Vergangenheit. Was in der Gegenwart ablaufe, sei ein Verfahren des Regionalverbandes – nicht der Stadt Reutlingen. »Wir als Stadt sind bei den Planungen des Regionalverbandes nicht eingebunden. Wir sind nur aufgerufen, eine Stellungnahme abzugeben«, betont Dvorak. Genau das habe die Stadtverwaltung auch inklusive der Mittelstädter Bedenken getan. Wichtig sei es, das frühe Stadium der Pläne zur Kenntnis zu nehmen.

Denn jetzt würden die auf den Karten eingezeichneten Gebiete gründlich unter die Lupe genommen, und zwar inklusive Bürgerbeteiligung. Womit sich der Reutlinger Amtsleiter und der Mittelstädter Bezirksbürgermeister dann wiederum inhaltlich einig sind. »Das Verfahren geht weiter. Alle Flächen werden geprüft«, sagt Wilhelm Haug. Die Bürgerinitiative Gegenwind möchte »mit allen Mitteln gegen die Standorte vorgehen«. (GEA)