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Aktuell Stürze

Wie sicher sind die Reutlinger Busse für Senioren?

Eine Vollbremsung und schon ist es passiert: Ein Fahrgast im Bus ist schwer gestürzt - besonders gefährdet sind Menschen, die nicht gut zu Fuß sind. Wie oft passiert so was in Reutlingen und was tut die RSV?

Roland Schwarz ist Mitglied im Fahrgastbeirat und ein regelmäßiger Nutzer des ÖPNV.
Roland Schwarz ist Mitglied im Fahrgastbeirat und ein regelmäßiger Nutzer des ÖPNV. Foto: Frank Pieth
Roland Schwarz ist Mitglied im Fahrgastbeirat und ein regelmäßiger Nutzer des ÖPNV.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Roland Schwarz nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel aus Überzeugung. »Meine Frau und ich, wir achten auf unseren ökologischen Fußabdruck«, erklärt der 71-jährige Rentner, »unser Auto nehmen wir nur, wenn es nicht anders geht«. Fast täglich fährt er mit der Linie 4 vom Hohbuch in die Stadt und er ist nicht nur Mitglied des Fahrgastbeirats, sondern auch vom Kreisseniorenrat. Daher weiß er um die Befürchtungen und Ängste, die mancher ältere Mitbürger hat, wenn es um den ÖPNV geht.

Immer wieder hört und liest man von schweren Stürzen in Bussen. Bei den aktuellen Zahlen in Reutlingen sieht es so aus, dass der Rettungswagen in diesem Jahr neunmal angefordert werden musste, berichtet Bernd Kugel, Prokurist und Leiter Marketing bei der Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft (RSV). Solche Vollbremsungen mit Verletzten seien meist auf das Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer zurückzuführen, erklärt er. In der Statistik der Polizei tauchen diese Fälle auf, weil »ein sanktionierbares Verhalten eines Verkehrsteilnehmers vorliegt, beispielsweise Vorfahrtsverletzungen oder Fehler beim Spurwechsel, in dessen Folge der Busfahrer auf das Verkehrsgeschehen reagieren musste, wobei ein oder mehrere Fahrgäste zu Fall kamen und sich verletzt hatten«, schreibt Alessa Grieb von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Reutlingen auf Nachfrage des GEA. In solchen Fällen ist es durchaus ratsam, Anzeige zu erstatten, falls es zu zivilrechtlichen Ansprüchen kommt.

»Ich fühle mich da manchmal wie Tarzan, der sich von Stange zu Stange durch den Bus schwingt. - Roland Schwarz, Kreisseniorenrat und Mitglied im Fahrgastbeirat«

Aber auch abseits solcher ungeplanten Bremsmanöver kommt es in den Bussen öfter zu gefährlichen Situationen, wie Roland Schwarz berichtet: »Immer wieder kann man beobachten, wie Fahrgäste ins Schlittern kommen.« Beispielsweise, wenn der Bus schnell losfährt oder spät vor der Haltestelle zu bremsen beginnt. Vor allem die neuen E-Busse starten schneller durch als ein Verbrenner. »Diese Beschleunigung berücksichtigen manche Fahrer nicht«, beobachtet er immer wieder. Ganz allgemein wünscht sich der Senior, dass die Fahrer etwas rücksichtsvoller fahren würden. Beispielsweise, wenn sie mit dem Losfahren warten würden, bis alle sitzen. Auch fürs Anfahren an die Haltestellen wäre weniger Hektik von Vorteil: »Viele Fahrgäste haben Angst, im fahrenden Bus schon aufzustehen«, weiß Schwarz. »Ich fühle mich da manchmal wie Tarzan, der sich von Stange zu Stange durch den Bus schwingt.« Er ist dafür noch fit genug, aber andere treibt freilich die Sorge um, dass sie hinfallen könnten.

Ganz ausschließen kann man Stürze nie, aber Bernd Kugel betont: »Die Sicherheit in unseren Bussen ist sehr hoch.« Immer wieder besuchen die Fahrer Sicherheitstrainings und es wurden auch schon spezielle Kurse angeboten, die für die besonderen Bedürfnisse von älteren oder beeinträchtigen Passagieren sensibilisieren. Dafür werden die Fahrer in Simulationsanzüge gesteckt, die einem vermitteln, wie sich ein geh- oder sehbehinderter Mensch fühlt. »Das hat bei vielen durchaus zu einem Aha-Erlebnis geführt«, sagt Kugel - sie fahren seitdem noch umsichtiger. Zu warten, bis tatsächlich alle sitzen, sei jedoch gar nicht so einfach für die Fahrer, erklärt er, schließlich müssen sie sich an den Fahrplan halten und der Überblick in einem voll besetzen Bus ist nicht jederzeit gegeben. Die meisten geben aber ihr Bestes, ist Kugel überzeugt.

»So ein Gelenkbus hat ja eher eine Beschleunigung wie eine Wanderdüne. - Bernd Kugel, RSV«

Zudem wird das Ribas-System genutzt: Ein Telematik-Programm, das hilft, den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren und gleichzeitig vorausschauender zu fahren, indem es mit Tönen und Leuchten Alarm schlägt, wenn der Busfahrer zu schnell anfährt oder abbremst. Hohe Geschwindigkeiten seien mit den großen Bussen in der Stadt ohnehin nicht zu erreichen, sagt Kugel, auch nicht mit den neuen E-Bussen. »So ein Gelenkbus hat ja eher eine Beschleunigung wie eine Wanderdüne«, zieht er einen Vergleich. Die neuen E-Fahrzeuge kämen bei den Fahrgästen übrigens gut an, »weil sie leise sind, aber auch, weil sie viel ruhiger fahren«.

Senioren sind eine wichtige Klientel für die RSV, die darum auf die Barrierefreiheit besonderen Wert legt. »Da hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan«, erklärt Kugel. Und tut es noch: Nach und nach werden die sogenannten »Kasseler Sonderbordsteine« an den Haltestellen eingebaut, die ermöglichen, dass man beinahe eben einsteigen kann. Zudem sind alle Busse mit Klapprampen ausgestattet. Die Plätze für Rollatoren, Rollstühle, aber auch Räder und Kinderwagen sind natürlich begrenzt, genau so die Sitze ohne Stufen. Hier wünscht sich Schwarz, dass jüngere Fahrgäste einfach aufmerksamer sind und auch mal für Ältere oder Kranke aufstehen. Das kann Kugel nur unterstreichen, dies sei allerdings ein gesellschaftliches Problem: »Wir als Verkehrsunternehmen können schlecht die Menschen erziehen.«

Die Unfallzahlen sind in Reutlingen glücklicherweise recht selten und ohne nennenswerte Zuwächse. »Im Stadtgebiet Reutlingen haben sich in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 20 dieser Verkehrsunfälle ereignet (acht in 2020, sieben in 2021 und fünf in 2022). Dabei wurden insgesamt 23 Fahrgäste verletzt, 20 leicht und drei schwer,« so die Bilanz der Polizei.

So bleibt als Fazit: Manches ist gewiss noch verbesserungsbedürftig, aber im Grunde ist der Busverkehr in Reutlingen auf einem guten Weg. Weshalb auch Roland Schwarz empfiehlt, wenn möglich, auf die »Öffentlichen« umzusteigen. »Die Innenstädte sind ohnehin mit dem vielen Verkehr überlastet, da widerspricht es doch der Logik, mit dem Auto reinzufahren.« (GEA)