REUTLINGEN. Locker vom Hocker beantwortet der Präsident der Hochschule Reutlingen, Professor Dr. Hendrik Brumme, die Fragen zur Zukunft der Reutlingen University. Brumme sitzt mit entspanntem Gesicht im weißen Hemd in seinem Büro, das Sakko hängt am Kleiderhaken, der Fahrradhelm liegt auf dem Schreibtisch. Pressechefin Hjördis Kettenbach hört mit. Offenbar läuft der Laden mit rund 5.000 Studierenden, 47 Studiengängen, 160 Professorinnen und Professoren sowie 372 Lehrbeauftragten wie geschmiert. Jedoch gibt's da auch einige Sandkörner im Getriebe.
GEA: Wie geht's der Hochschule Reutlingen aktuell?
Professor Dr. Hendrik Brumme: Gut. Wir sind im Umbruch, weil wir uns gerade neu ausrichten. Es sind herausfordernde Zeiten für das ganze Hochschulsystem.
Was läuft gut – und was schlecht?
Brumme: Gut ist, dass wir auf der ganzen Linie die Hochschule neu ausgerichtet haben. Das betrifft alle Fakultäten, die teilweise sogar umbenannt worden sind. Auch sind wir dabei zu schauen, was die Themen der Zukunft sind, die wir adressieren können: Klima, künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit zum Beispiel. Wir sind auch stark im biomedizinischen Bereich unterwegs. Dass etwas besonders schlecht läuft, kann ich nicht wirklich sagen.

Haben Sie immer noch mit einem Bewerberrückgang zu kämpfen?
Brumme: Der Trend hat sich geändert. Durch die Corona-Pandemie kam der Einbruch in Verbindung mit dem sinkenden Interesse an Ingenieursberufen. Aber wir haben den Turn-Around geschafft. Wir haben seit anderthalb Jahren 10 bis 15 Prozent mehr Bewerber pro Semester. Wir wollen wieder auf 5.200 Studentinnen und Studenten kommen. Dafür sollen auch neue Studiengänge und Marketingmaßnahmen sorgen. Durch digitale Prozesse kriegen mittlerweile 80 Prozent der Bewerber in zwei Tagen eine Antwort von uns.
»Wir möchten die Leute noch fitter fürs Studium machen«
Wie entwickelt sich die Struktur der Studierenden?
Brumme: Unsere Studentinnen und Studenten werden immer jünger, vor allem durch das G8-Abitur. Wir haben viele Erstsemester, die noch nicht mal volljährig sind. Wir haben deshalb mittlerweile mehr Vorbereitungskurse an der Hochschule, weil es teilweise deutliche schulische Defizite vor allem in den Bereichen Physik, Mathematik und Sprachen gibt. Wir möchten mit unserem Angebot die Leute noch fitter fürs Studium machen und sie begleiten.
Was sagen Sie zu den Verzögerungen vor der Eröffnung des Texoversums sowie den Umgang mit dem Sturmschaden?
Brumme: Es gab anfangs einfach qualitative Mängel am Gebäude. Monatelang ist der Bauleiter ausgefallen. Das hat dann dazu geführt, dass wir das Gebäude später bekommen haben. Die Sturmschäden resultierten daraus, dass das Texoversum noch nicht fertig war. Heute freuen wir uns sehr über das Gebäude.
Was macht die Sanierung der Mensa?
Brumme: Die läuft gut. Im Moment sind wir im Zeitplan. 2026 soll sie fertig sein.
Wie groß ist der Sanierungsbedarf der Hochschule mit ihren alten Gebäuden insgesamt?
Brumme: Wir haben die meisten Sanierungen glücklicherweise hinter uns. Was noch kommt, ist das Gebäude 9 der Informatik. Das ist im Prozess. Wir sind in der Planung, haben aber noch keinen Termin.

Was macht der Masterplan Klimacampus, der im vergangenen Jahr dem Gemeinderat vorgestellt wurde?
Brumme: Das entwickelt sich in vielen Bereichen. Beispielsweise sieht man deutlich mehr Fahrradständer und Lademöglichkeiten für E-Scooter und E-Bikes auf dem Campus. Die Bustaktung wurde hochgefahren. Aber trotzdem stehen noch viele Autos auf unseren Parkplätzen. Der Grund: 60 Prozent der Studierenden kommen aus einem Umkreis von 80 Kilometern.
Was soll die neue Fakultät »Nachhaltigkeit und Technologie NXT« bringen?
Brumme: Sie adressiert wichtige gesellschaftliche Themen. In der neuen Fakultät werden zukünftig Herausforderungen integrativ aus sozialer, technologischer und wirtschaftsbezogener Perspektive betrachtet. Das dient auch dem Renommee der Hochschule. Der Ansatz war eine Fakultät zu schaffen, um dort Menschen ganz breit auszubilden. Das werden dann zum Beispiel die Change-Manager in Firmen. Mit dieser strategischen Initiative greift die Hochschule aktuelle gesellschaftliche Strömungen auf, und etabliert perspektivisch neue zukunftsgerichtete Studiengänge, in denen Nachhaltigkeit, Sozialwissenschaften, Technologie und Engineering ergänzende Disziplinen bilden.
»Die Fakultät NXT adressiert wichtige gesellschaftliche Themen«
Wie wird die Fakultät NXT finanziert?
Brumme: Die ist finanziert, weil wir nichts anderes machen, als bestehende Strukturen umzubauen. Wir werden frei werdenden Professorenstellen in die neue Fakultät geben. Wichtig ist, dass der Studiengang Soziale Arbeit so bleibt, wie er ist. Da wird keinesfalls gekürzt.
Wie sieht die Finanzlage der Hochschule insgesamt aus?
Brumme: Keine Klagen. Wir haben einen vor vier Jahren verhandelten Finanzierungsvertrag mit dem Land, der Gültigkeit hat. In der Forschung hätten wir gerne mehr Geld. Heute muss jeder bei uns forschen. Fast immer in Projekten, in die Firmen integriert sind. Dafür brauchen wir Mittel.
Wie wirken sich die zunehmend schwierigeren internationalen Beziehungen auf die Hochschule aus?
Brumme: Wir haben im Senat die Entscheidung getroffen, mit als kritisch eingestuften Ländern – bis auf Russland – trotzdem auf Basis der Lehre zusammenzuarbeiten. Das ist ein Beitrag, um weiterhin wenigstens miteinander zu reden. Wir schaffen so auch die Basis für länderübergreifende Freundschaften bei jungen Leuten.
Kommen weiterhin Studenten aus Russland oder China?
Brumme: Keine mehr aus Russland. Weniger aus China.
Sie haben vor zwei Jahren angekündigt, die digitalen Systeme der Hochschule widerstandsfähiger zu machen – wie wurde das umgesetzt?
Brumme: In der Informationstechnik ist echt viel passiert. Auch gibt es Krisenpläne für eine Hochschule ganz ohne IT. Insgesamt haben wir uns bestmöglich aufgestellt. (GEA)