REUTLINGEN/MÜNSINGEN. Die Begeisterung für die recht neue Satelliten-Technik hält sich bei den Bauern in der Region in Grenzen. Auch bei Gebhard Aierstock, Vorsitzender des Bauernverbandes im Landkreis Reutlingen: »Die neue Vorgehensweise soll die Bauern eigentlich entlasten. Tatsächlich sieht es so aus, als wenn es mehr Büroarbeit am Computer und am Smartphone für uns bedeutet.« Was er meint, betrifft nicht nur Landwirte im Kreis Reutlingen oder Baden-Württemberg, sondern in ganz Deutschland und Europa. Schließlich werden die Satellitenaufnahmen im Auftrag der EU gemacht.
Der Hintergrund ist schnell erklärt: Die EU schüttet Milliarden Euro an Agrarsubventionen an die Bauern aus. Im Klartext: Weil nahezu alle Landwirte Förderungen erhalten, möchte EU auch wissen, wofür sie ihre Milliarden verteilt und wohin die genau fließen. Die Satelliten sollen dabei erfassen, was beispielsweise jeder einzelne Landwirt genau auf seinen Flächen anbaut und es auch dem entspricht, was beim Förderantrag angegeben wurde. Soll heißen: Wenn schon Beihilfen für die Wintergerste auf einer bestimmten Anbaufläche überwiesen werden, will die EU auch wissen, ob der Bauer tatsächlich Wintergerste dort anbaut und nicht etwas anderes.

Nur kommt es aber wohl immer wieder vor, dass die automatische Erkennung nicht so richtig funktioniert. Dass der Satellit beispielsweise nicht Wintergerste erkennt, sondern Weizen. Dann droht dem jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieb die Streichung der Subvention. Damit das nicht passiert, sollen die Bauern Bescheid geben und die Satellitenauswertung korrigieren. Dafür gibt es erst seit einigen Wochen eine neue App. Für Landwirte in Baden-Württemberg ist das die »profil (bw)«-App. (In anderen Bundesländern gibt es andere.) Sollte also der Satellit statt Wintergerste Weizen oder statt einer Blumenwiese ein Maisfeld erkannt haben, muss der Bauer Fotos von seinen entsprechenden Feldern machen, in der App hochladen und so den Satellitenfehler korrigieren.
Diese neue Vorgehensweise ist Teil einer fortschreitenden Digitalisierung in der Landwirtschaft. Zwar wurden subventionierte Anbauflächen bereits vorher kontrolliert. Nur kamen dann eben Menschen vom Landwirtschaftsamt beispielsweise aus Münsingen vor Ort und sahen sich Anbauflächen immer mal wieder persönlich an. Die jetzt angelaufene automatisierte Form, stößt bei den Bauern auf Skepsis.
»Das mit der Satellitenerfassung fühlt sich an, wie eine Überwachung auf höchster Stufe«
So sagt Peter Werner, der in Römerstein-Strohweiler seinen landwirtschaftlichen Betrieb führt, im Gespräch mit dem GEA: »Das mit der Satellitenerfassung fühlt sich an, wie eine Überwachung auf höchster Stufe. Man stelle sich vor, an allen Arbeitsplätzen würden die Abläufe so überwacht werden.« Er sieht aber ein größeres Problem auf seine Branche zukommen: »Ich schätze, dass etwa 30 Prozent der Betriebe bei der neuen Technik außen vor bleiben, weil die Kollegen mit der Digitalisierung nicht Schritt halten können. Selbst für Bauern mit moderner Computertechnik, Tablet oder Smartphone bedeutet das alles zusätzliche Bürokratie und Zeitaufwand. Von der Politik wurde uns aber weniger Bürokratie und Entlastung versprochen.«
Gerhard Neuscheler, der seinen Schönbuchhof bei Walddorfhäslach leitet, findet die Satellitenüberwachung unheimlich: »Ich habe auf Fotos, Menschen und Traktoren auf Feldern und Äckern erkannt. Das hat was von Überwachung an sich.« Dass die Betriebskontrolle durch die Landwirtschaftsämter durch die neue Methode ersetzt werde, bedeute zunächst nur eine Entlastung für die Ämter, für die Landwirte bedeute sie dagegen mehr Arbeit und mehr Bürokratie. Auch er befürchtet, dass viele Bauern mit dieser Art von Digitalisierung nicht mithalten können. »Denken wir nur an die vielen Kleinbauern und Nebenerwerbsbetriebe, die wir besonders in unserer Region haben. Oder die ältere Generation, die möglicherweise nicht mit moderner Technik ausgerüstet ist«, gibt er zu bedenken.
Neuscheler kritisiert zudem, dass die Förderungen für die Bauern an immer höhere Auflagen gekoppelt seien. Das zeige sich jetzt. Er stellt sich mittlerweile die Frage: »Ist es dann nicht besser, auf die Förderungen zu verzichten?«
»Die App ist eine moderne und effiziente Methode, um die Vorgaben der gemeinsamen Agrarpolitik zu erfüllen«
Das für den Landkreis Reutlingen zuständige Landwirtschaftsamt in Münsingen möchte zur neuen Satellitenüberwachung noch keine Stellungnahme abgeben. Das sei alles noch zu neu und müsse zunächst noch anlaufen und somit sei es zu früh für eine erste Bilanz, hieß es aus dem Landratsamt Reutlingen.
Das baden-württembergische Landwirtschaftsministerium in Stuttgart sieht die Kontrolle per Satellit eher als Entlastung für die Landwirte. In einer aktuellen Mitteilung heißt es von Minister Peter Hauk zur neuen Landwirtschafts-App »profil (bw)«: »Die App ist eine moderne und effiziente Methode, um die Vorgaben der gemeinsamen Agrarpolitik zu erfüllen und für den Landwirt einfach sicherzustellen, dass die Beihilfe nicht gekürzt oder sanktioniert werden muss. Das lästige Ausfüllen von Formularen oder Abwarten von richtigen Zeitpunkten entfällt und beschleunigt so auch die Antragsbearbeitung.« So wirklich mitgenommen hat sein Ministerium die Bauern im Land aber offenbar noch nicht. (GEA)