REUTLINGEN-MITTELSTADT. Dieser Könner arbeitet im Untergeschoss, aber ohne ihn würde oben im Laden etwas fehlen. Wolfgang Schmidt repariert seit 40 Jahren beim media@home Hoss – bis vor Kurzem noch unter dem Namen Radio Haug bekannt – allerlei Unterhaltungselektronik. Für die Kundschaft macht das den Unterschied. Denn an der Riedericher Straße gibt’s wie bei anderen Fachgeschäften neben Beratung auch noch jenen Service, der Geräte zu einer langfristigen Investition macht. Wenn Schmidt erzählt, welche Fernseher oder Stereoanlagen ihm Freude machen, ist das sehr aufschlussreich: Minderwertige Ware lässt sich oft überhaupt nicht mehr reparieren.
Die Werkstatt ist gestapelt voll. Bildschirme in allen Formaten warten gemeinsam mit anderen elektronischen Geräten auf die Behandlung durch den 61 Jahre alten Schmidt. Der gebürtige Stuttgarter sitzt vor der aufgeklappten Rückwand eines digitalen Wunderwerks, dem irgendwas fehlt. Sein Job gleicht einem Wettstreit. Wer siegt? Er oder die Technik. Was Schmidt zum Gewinner macht, sind Erfahrung und Hartnäckigkeit.
Korrekte Bewertungen
Im Netz kritiklos nach Bewertungen von Unterhaltungselektronik zu suchen, kann zu von Herstellern oder Versandkonzernen beeinflussten Resultaten führen. Glaubwürdig und unbestechlich hat sich die Stiftung Warentest als gemeinnützige deutsche Verbraucherorganisation einen Namen erworben. Die Testberichte sind ihr Geld wert. Gute Ratschläge liefern auch die Verbraucherzentralen. Und noch eins: Bei manchen Discountern »beraten« Vertreter bestimmter Hersteller. (zen)
Den Beruf des Radio- und Fernsehtechnikers, der heute Informationselektroniker heißt, hat er bei Radio Grüner in Stuttgart gelernt. Direkt nach der Lehre vermittelt ihn sein Meister nach Mittelstadt. Am 5. März 1984 beginnt der junge Mann bei Radio Haug – ebenso formlos wie problemlos. »Handschlag, und gut war’s«, erinnert er sich an den Beginn seiner Karriere. Im Prinzip mache er Jahrzehnte später das Gleiche wie damals: Große und schwere Geräte beim Kunden abholen, Fehlersuche, »gucken ob’s Ersatzteile gibt, sich die Reparatur lohnt«. Dann kleinere Instandsetzungen direkt machen, Größeres mit dem Auftraggeber absprechen. Was sich in 40 Jahren erheblich geändert hat, sind die Geräte.
»Früher war nicht alles besser, aber die Laufzeiten der Modelle länger«
»Früher war nicht alles besser, aber alles anders. Die Laufzeiten der Modelle waren länger, Modellwechsel seltener«, beschreibt der in Reicheneck wohnende Fachmann den Wandel. Es habe mehr Firmen gegeben, hinter denen »ein richtiger Konzern mit Kundendienst und Ersatzteillager steckte. Etwa Saba oder ITT Schaub-Lorenz«. Da seien nicht ständig neue Fernseher auf den Markt geworfen worden, blieben bewährte Geräte im Angebot. »Wenn man Ersatzteile gebraucht hat, sind sie vor Ort zu bekommen gewesen«. Vor allem bei Discounterware sehe das Geschäftsmodell heute jedoch gänzlich anders aus.
Flachbildfernseher zum Schnäppchenpreis laufen irgendwo in China als Großserie vom Band, werden unter beliebigen Namen verscherbelt. Das Sonderangebot ist nach den Worten von Wilhelm Haug, Gründer und ehemaliger Besitzer des heutigen media@home Hoss, so kalkuliert: »Einen Container mit 5.000 Exemplaren ordern, davon 300 für Garantiefälle zurücklegen. Sind die Ersatzgeräte weg oder die zweijährige gesetzliche Garantiezeit abgelaufen, gibt’s weder Ersatzteile noch Service«. Selbst bei vermeintlich namhaften Herstellern, ergänzt Wolfgang Schmidt, werden meist nur innerhalb der Garantiezeit noch Teile geliefert, »danach wird es ungewiss«. Manche Geräte seien »so konstruiert, dass man sie nicht reparieren kann«. Hat er Tipps für Kunden, die keinen »Schrott« kaufen wollen? Neben der Beratung im Fachgeschäft nennt er Marken, die ihn überzeugen.
»Die Hardware zickt selten, aber die Software macht Probleme«
Eine langfristige Ersatzteilversorgung sowie einen Kundendienst, bei dem er als Techniker anrufen könne, seien zur Rarität geworden. »Das haben heute etwa Loewe und Metz. Panasonic versucht noch, Module zu reparieren, Technisat auch«, nennt Schmidt einige aus seiner Sicht respektable Marken ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Unternehmen sind in Deutschland oder mindestens mit einem Entwicklungszentrum in Europa zu Hause und nicht nur irgendwo sonst auf der Welt. Wie wichtig diese Nähe ist, zeige sich bei der Lösung des Problems Nummer 1 in der aktuellen Unterhaltungselektronik.
»Die Hardware zickt selten, aber die Software. Die Geräte früher waren eben keine Computer«, erklärt Schmidt. Ein Fernseher braucht manchmal Aktualisierungen. Deswegen beginnt die Fehlersuche des Technikers stets mit den installierten Programmen: »Erstmal gucken, was drauf ist, ob es etwas Neues gibt«. Manchmal erledigen sich damit alle Probleme von Zauberhand. Gelegentlich sorgen auch die Kabelbetreiber für den Zwang zu Software-Updates. Ändere ein Anbieter seinen Datenstrom, habe das eben Auswirkungen auf den Bildschirmen der Zuschauer. »Ich möchte alles zum Laufen kriegen – wenn es noch finanziell im Rahmen bleibt«, fasst Wolfgang Schmidt seine Arbeitseinstellung zusammen. Genau das macht ihn auch für seinen neuen Chef so wertvoll und geschätzt.
Nach 46 Jahren hat Firmengründer Wilhelm Haug sein Geschäft an die nächste Generation übergeben. Neuer Chef ist seit Jahresbeginn mit Marcel Hoss ein 34 Jahre junger Mann, der im Unternehmen als Azubi angefangen hat. Hoss hat alle Mitarbeiter übernommen. »Ich bin davon überzeugt, dass das Zukunft hat«, sagt Hoss. Denn mag der Laden in Mittelstadt auch noch so klein wirken, sein Einzugsbereich ist weitaus größer. »Menschen, die Erfahrungen mit den Flächenmärkten oder dem Internet gemacht haben, kommen auf uns zu. Bei uns finden sie qualifizierte, aktuelle Beratung«, unterstreicht Firmengründer Haug. Und sollte mal etwas Probleme bereiten, gibt es in der Service-Werkstatt Könner wie Schmidt und seinen Kollegen. Menschen, die sich damit auskennen, wie man Unterhaltungselektronik und Elektrogeräte wieder zum Laufen bringt. (GEA)