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Was sich Frank Zeeb für Sickenhausen wünscht

Der Bezirksbürgermeister ist tief in Sickenhausen verwurzelt. Er hat wenige, aber dafür drängende Wünsche für sein Dorf. Und schaut manchmal mit Skepsis auf die finanziellen Priorisierungen im Reutlinger Gemeinderat.

Frank Zeeb vor seinem Lieblingsort: der Friedenslinde beim Sportplatz.
Frank Zeeb vor seinem Lieblingsort: der Friedenslinde beim Sportplatz. Foto: Frank Pieth
Frank Zeeb vor seinem Lieblingsort: der Friedenslinde beim Sportplatz.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN-SICKENHAUSEN. Frank Zeebs Lieblingsplatz ist groß, mächtig - und eingezäunt. »Leider«, sagt der Bezirksbürgermeister. Die Reutlinger Stadtverwaltung hat die 1871 gepflanzte Friedenslinde am Sickenhäuser Sportplatz aus Sicherheitsgründen mit einer natürlichen Barriere versehen. Eine Hecke verhindert seitdem, dass Menschen dem prächtigen Gebilde zu nahe kommen oder gar - wie früher üblich - Feste darunter feiern. Und eventuell einen Ast auf den Kopf bekommen.

Wenn der 55-Jährige nun an der Friedenslinde sitzt, die nicht mehr ganz so hübsch anzusehen ist, wie noch in seiner Kindheit, dann stellt er sich manchmal eine kuriose Frage. Warum in aller Welt ist im Gemeinderatsprotokoll aus dem Jahr 1871 von einer Pflanzung der »Kaiser-Eiche« die Rede? Konnten die Kommunalpolitiker damals Linde und Eiche nicht auseinander halten? Oder gab's ursprünglich mal eine Eiche, und die Linde ist gar nicht stattliche 152 Jahre alt?

Ein Mysterium, das Zeeb wohl nicht mehr auflösen kann. Auch wenn er sich prächtig mit der Geschichte Sickenhausens auskennt, Chroniken und Ortsnamensbücher gewälzt hat. So kann er mühelos referieren, wie Sickenhausen von den Achalmgrafen zur katholischen Kirche kam, und von da an eine Patrizierfamilie und dann an Württemberg verkauft wurde.

»Ich fühle mich sehr verwurzelt, dem Dorf sehr verbunden. - Frank Zeeb, Bezirksbürgermeister von Sickenhausen«

»Ich fühle mich sehr verwurzelt, dem Dorf sehr verbunden«, sagt Zeeb. Seit 25 Jahren ist er Bezirksgemeinderat, seit vier Jahren Bezirksbürgermeister. Es ist keine leichte Arbeit, direkt an der Basis und doch ohne endgültiges Mitbestimmungsrecht. Seit der Eingemeindung 1973 werden alle großen Entscheidungen final im Reutlinger Rathaus getroffen. »Es gibt schon Stimmen im Bezirksgemeinderat, die sagen: Es hat ja eh keinen Wert, was wir machen«, berichtet Zeeb. Er nehme Resignation wahr. Und gleichzeitig die Einstellung: »Wären wir nicht da, dann hätten wir ja gar niemand mehr, der die Stimme erhebt.«

Er will nicht so sehr in Richtung Reutlingen schimpfen an diesem Sommertag neben der Friedenslinde, »es ist ja nicht so, dass die Stadt nichts macht«. Trotzdem mache ihn manches »skeptisch«, wie er es ausdrückt. »Reutlingen hat schon den Hang zu Großprojekten, die co-finanziert werden. Und sobald etwas co-finanziert ist, denkt der Gemeinderat in Reutlingen: Das Geld muss man mitnehmen, das müssen wir machen.«

»Reutlingen hat schon den Hang zu Großprojekten, die co-finanziert werden. - Frank Zeeb, Bezirksbürgermeister von Sickenhausen«

Okay, der Blick in Reutlingens Stadtkasse sorgt also nicht unbedingt für beschwingte Stimmung beim Bezirksschultes. Also eine kleine Träumerei: Hätte er unbegrenzt Geld zur Verfügung, welche Großprojekte würde er schnellstmöglich fertigbringen? Frank Zeeb antwortet auf die ihm eigene unaufgeregte Art. »Ich würd' trotzdem keine Großprojekte machen. Ich will ja nicht unnütz Geld zum Fenster rauswerfen.« Und Kleinprojekte? »Ich würde die Parkplätze am Friedhof fertig machen. Und die Kulturwache.«

Zwei Projekte, die eigentlich sinnbildlich für die Herausforderungen stehen, mit denen Orte wie Sickenhausen kämpfen. 2.100 Einwohner, Tendenz steigend. Viele Zugezogene, das Miteinander, wie es Zeeb noch aus seiner Kindheit kennt, existiert so nicht mehr.

Frank Zeeb, Jörg Launer und Andreas Weinand (von links) hoffen bei einem Vor-Ort-Termin im März 2023, dass wieder mehr Bewegung
Frank Zeeb, Jörg Launer und Andreas Weinand (von links) hoffen bei einem Vor-Ort-Termin im März 2023, dass wieder mehr Bewegung ins Projekt Kulturwache kommt. Foto: Frank Pieth
Frank Zeeb, Jörg Launer und Andreas Weinand (von links) hoffen bei einem Vor-Ort-Termin im März 2023, dass wieder mehr Bewegung ins Projekt Kulturwache kommt.
Foto: Frank Pieth

Die Alteingesessenen leben noch im Ort, haben aber altersbedingte Anliegen. So hat der Friedhof beispielsweise aktuell keine Parkplätze. Was Fußmarsch und Schlepperei für Angehörige nach sich zieht. »Eine Zumutung vor allem für die alten Leute«, bilanziert Zeeb. Zwölf Parkplätze würden 60.000 bis 70.000 Euro kosten. Die Planungen sind vonseiten des Bezirksgemeinderats abgeschlossen. »Aber es ist kein Geld da.« Dann muss Zeeb manchmal an die Oberamteistraße und die Sanierung der alten Häuser in der Reutlinger Innentsadt denken. Und kriegt Bauchgrummen. »Da gibt man für ein Glashaus Millionen aus und bei uns macht man rum wegen ein bisschen Geld für die Parkplätze.«

»Wir wollen versuchen, dem Dorf wieder ein Seele zu geben. - Frank Zeeb, Bezirksbürgermeister von Sickenhauen«

Einerseits muss der Schultes auf die achten, die schon immer da waren. Aber er darf auch die nicht vergessen, die neu dazugekommen sind. Er muss es schaffen, auch sie ins Dorfleben zu integrieren. »Wir haben ein reges Vereinsleben«, sagt Zeeb zufrieden. Eigentlich gibt's alles, bis auf einen Musikverein. Damit die Vereine und die Einwohner auch ein Zentrum haben, an dem sie feiern und sich treffen können, wird das Alte Feuerwehrhaus nun zur Kulturwache umgebaut. »Wir wollen versuchen, dem Dorf wieder eine Seele zu geben.«

Und damit wäre Zeeb nach einem kleinen Exkurs auch direkt wieder beim Geldthema angelangt. Die Komplett-Renovierung des Gebäudes koste sicher »eine halbe Million«, sagt er. Bislang hat die Stadt 50.000 Euro Zuschüsse in zwei Tranchen gewährt, der Förderverein Ortsmitte Sickenhausen hat nochmal rund 15.000 Euro gesammelt.

Doch Zeeb ist nicht nur Meister des Optimismus (»sonst geht das nicht«), sondern auch höchst pragmatisch. Man warte nun auf die Pläne des neuen Statikers. Der alte Statiker war nach einem tragischen Unfall bei den Sanierungsarbeiten im Vorjahr abgesprungen. Wenn dann in baldiger Zukunft Klos und Küche fertig sind, könne man die schon für Feste nutzen. Was den Vereinen große (auch finanzielle) Erleichterung bringen würde.

Frank Zeeb beim Fassanstich: Dorffest in Sickenhausen.
Frank Zeeb beim Fassanstich: Dorffest in Sickenhausen. Foto: Max Schniepp
Frank Zeeb beim Fassanstich: Dorffest in Sickenhausen.
Foto: Max Schniepp

Denn was die vielen Vereine im kleinen Sickenhausen auf die Beine stellen, macht Zeeb (und viele Einwohner) ziemlich glücklich. Und das soll unbedingt so bleiben, sagt er. »Unser Dorffest neulich, das war toll und super besucht«, resümiert der Vater von vier Kindern. Für ihn persönlich waren es aber gleichzeitig auch harte Tage. »Ich hab' ja noch meinen Betrieb, das ist in solchen Momenten eine Doppel- und Dreifachbelastung.« Zeeb hat den Geflügel-Hof 1998 von seinem Vater übernommen. Schon seit mehr als 200 Jahren betreiben seine Vorfahren Landwirtschaft in Sickenhausen.

Manchmal brauche sein Tag mehr als 24 Stunden, sagt er. Zehrend sei das Ehrenamt stellenweise schon. Deshalb überlege er sich auch gut, ob er nochmal eine Wahlperiode lang Bezirksbürgermeister sein will. »Spruchreif« sei da noch nichts. Was nichts an seiner Liebe zu Sickenhausen und den kleinen und großen Geschichten ändern wird, die das Dorf zu bieten hat. (GEA)