REUTLINGEN. Wer von der Autobahn 81 kommend nach Reutlingen fahren will und wenig bis gar nicht ortskundig ist, der dürfte aktuell ziemlich planlos im Auto sitzen. Es sei denn, er verfügt über ein Navigationssystem und hat dieses in weiser Voraussicht eingeschaltet. Oder über einen Beifahrer, der weiß, wo’s lang geht. Seit Monaten schon wird die Autobahn-Anschlussstelle Rottenburg umgebaut. Es gibt neue Auf- und Abfahrtsrampen, außerdem wurde die B 28 verbreitert und eine sanierungsbedürftige Brücke instand gesetzt.
Die Bauarbeiten gehen nun dem Ende zu, es wurde eine neue Beschilderung angebracht. Und siehe da: Reutlingen ist auf den großen Schilderbrücken, die ankündigen, welche Orte über diese Abfahrt zu erreichen sind, nicht mehr zu finden. Bis zum Umbau war die Achalmstadt noch in einer Zeile mit Tübingen zu finden. Nun sucht man vergeblich nach Reutlingen, das immerhin die einzige Großstadt auf den Schildern war. Was weiterhin ausgewiesen ist: Rottenburg, Tübingen, Nagold und Bondorf.
Für die Autobahnbeschilderung ist seit 2021 die Autobahn GmbH des Bundes zuständig. Deren Pressesprecherin Petra Hentschel löst das Schilder-Rätsel: Gemäß der Richtlinie für die wegweisende Beschilderung auf Autobahnen »soll eine Wegweisung nicht mehr als vier Orte anzeigen«. Klare Sache also: Ein Ort musste weichen. Wie man aber ausgerechnet auf Reutlingen kam? Mit der hiesigen Verwaltung jedenfalls hat niemand gesprochen. »Die Stadt Reutlingen wurde von der zuständigen Behörde nicht über die Änderungen der Beschilderung an der A 81-Anschlussstelle« informiert, teilt die städtische Pressestelle mit.
»Reutlingen ist aber weiterhin wichtig und die Stadt wird sich an die zuständige Behörde wenden und den Sachverhalt klären lassen«, heißt es weiter. Auch wenn man sich durchaus bewusst sei, dass Tübingen näher an der besagten Autobahn-Abfahrt liegt, werde man sich bemühen, »dass neben Tübingen auch Reutlingen wieder auf dem Schild dargestellt wird«.
Was aber nur wenig erfolgsversprechend ist: Die Beschilderung an der Anschlussstelle Rottenburg sei »endgültig«, sagt Autobahn GmbH-Sprecherin Hentschel. »Das bedeutet, dass auch nach Abschluss der Baumaßnahme die jetzige Beschilderung beibehalten wird.« Keine Chance für Reutlingen, wieder auf den Wegweiser zu kommen.
Aber wer hat’s entschieden
Bleibt noch die Frage zu klären, wer entschieden hat, dass ausgerechnet der Wirtschafts- und Hochschul-Standort Reutlingen gestrichen wird, der nachweislich hoch frequentiert ist von Geschäftsreisenden. Das wurde noch vor der Ägide der Autobahn GmbH entschieden, betont Pressefrau Hentschel. Die Spurensuche führt schließlich zum Regierungspräsidium Stuttgart.
Dort teilt die zuständige Pressesprecherin dem GEA mit, dass die Vier-Orte-Regel »Grundlage der damaligen Planungen« gewesen sei. »Dabei wird immer das übergeordnete Ziel angezeigt und keine dahinter liegenden Ziele.« Reutlingen ist also schlichtweg zu weit entfernt von der Anschlussstelle, um noch einen Platz auf dem Schild ergattern zu können.
Der ratlose Autofahrer merkt schließlich wenige Minuten nach Abfahrt, dass er sich richtig entschieden hat: An der B 28 taucht auf Höhe der Gemeinde Seebronn zum ersten Mal ein Schild auf, auf dem vermerkt ist, dass es noch 28 Kilometer bis zur Achalmstadt sind. Ein ähnliches Bild bietet sich übrigens auch an der danebenliegenden A 81-Abfahrt Herrenberg. Auch hier ist Reutlingen nicht auf dem Autobahnschild zu finden. Es taucht erst auf einem Schild auf der B 296 auf, kurz vor Entringen. (GEA)
