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Warum junge Menschen aus Reutlingen ihr Bufdi beim Technischen Hilfswerk machen

Wer Bundesfreiwilligendienst beim THW leistet, darf auch Gabelstaplerfahren lernen. Martina Honermann macht's sichtlich Spaß.  F
Wer Bundesfreiwilligendienst beim THW leistet, darf auch Gabelstaplerfahren lernen. Martina Honermann macht's sichtlich Spaß. FOTOS: ZENKE
Wer Bundesfreiwilligendienst beim THW leistet, darf auch Gabelstaplerfahren lernen. Martina Honermann macht's sichtlich Spaß. FOTOS: ZENKE

REUTLINGEN. Das Lachen auf dem Gesicht von Martina Honermann hinter dem Lenkrad des Gabelstaplers ist eine Antwort auf die Frage, wieso die 18-jährige Reutlingerin freiwillig für ein Taschengeld jeden Tag beim Technischen Hilfswerk arbeitet. Die junge Frau ist eine Bufdi, leistet beim THW ihren Bundesfreiwilligendienst. Der macht offensichtlich Spaß, bringt dabei aber ganz im Ernst jede Menge. Unter anderem die Erkenntnis, was dieser Dienst eigentlich ist und soll.

Der Markt der Möglichkeiten ist reich gedeckt: »Der Bundesfreiwilligendienst ist ein freiwilliges Engagement in sozialen, kulturellen, ökologischen oder anderen gemeinwohlorientierten Einrichtungen in Deutschland. Das sind zum Beispiel Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, Rettungsdienste, Forstämter, Theater, Museen, Sportvereine und vieles mehr«, beschreibt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Dieses Amt ist auch der Vertragspartner von Martina Honermann und anderen Bufdis wie dem Pfullinger Mino Grau, der sich ebenfalls für das THW entschieden hat. Die Motive dafür gehen in eine ähnliche Richtung.

»Ich habe etwas Technisches gesucht«

Für die Reutlingerin stellt ihr Bufdi den praktischen Teil auf dem Weg zur Fachhochschulreife dar. »Ich habe etwas Technisches gesucht«, erklärt sie. Zuvor hatte sie mit dem THW nichts zu tun, aber seit September 2022 arbeitet sie auch im Stützpunkt des Ortsverbands Reutlingen. Zentrale für Honermann und Grau ist die THW-Regionalstelle Tübingen, in der Sandra Stopper als Sachbearbeiterin dafür sorgt, dass es den jungen Menschen gut geht – und alles reibungslos läuft. »Viele Erwartungen hatte ich nicht«, erzählt Martina Honermann von ihrer ersten Begegnung mit der für ihre blauen Fahrzeuge bekannten Einsatzorganisation des Bundes, »ich habe mich überraschen lassen.« Es ist offenbar keine böse Überraschung geworden.

Langeweile scheint beim THW ein Fremdwort zu sein. »Wir kriegen jede Woche am Freitag einen neuen Arbeitsplan«, beschreibt die junge Reutlingerin ihren Arbeitsalltag. Im Terminkalender steht dann beispielsweise Dienst in der Regionalstelle Tübingen. »Vorwiegend bearbeiten wir die Pakete, die reinkommen«, sagt Honermann. Das liest sich langweilig, ist es aber keinesfalls, denn in der Regionalstelle kommen alle möglichen Einsatzmittel oder Verbrauchsgüter für sämtliche Ortsverbände der Region an.

Wie dicke Bretter gebohrt werden, zeigt Christoph Peters (Mitte) vom THW Ortsverband Reutlingen den beiden Bufdis Martina Honerm
Wie dicke Bretter gebohrt werden, zeigt Christoph Peters (Mitte) vom THW Ortsverband Reutlingen den beiden Bufdis Martina Honermann (links) und Mino Grau. Foto: Stephan Zenke
Wie dicke Bretter gebohrt werden, zeigt Christoph Peters (Mitte) vom THW Ortsverband Reutlingen den beiden Bufdis Martina Honermann (links) und Mino Grau.
Foto: Stephan Zenke

Die Sachen müssen teilweise geprüft werden, bevor sie die Bufdis ausliefern. »Man geht mit den Prüfern mit, darf teilweise auch mithelfen. Ich fand es spannend, auch mal mit Elektronik zu tun zu haben«, erzählt Honermann. Ähnlich erfreut äußert sich ihr Kollege Mino Grau aus Pfullingen.

Beim Prüfdienst, sagt der junge Mann, »sieht man sehr viel«. Ebenso bei Einsätzen in den Ortsverbänden. Für ihn ist der Bundesfreiwilligendienst eine Zeit der Orientierung. »Während meines Abiturs wusste ich noch nicht, was mach machen will«, erklärt Grau, »auf jedem Fall nicht im Büro sitzen.« Bei Recherchen im Internet fällt ihm das Technische Hilfswerk auf, er bewirbt sich – und kriegt eine der begehrten Stellen. »Wir peilen zwischen 10 und 12 Bufdis pro Jahr an«, verrät Sachbearbeiterin Sandra Stopper, »meistens gibt es mehr Bewerbungen.« Eingestellt werde beim THW immer im September, weswegen sich Interessenten bis Mitte Juni bewerben sollten – nur online unter der speziellen Webadresse www.thw-bufdi.de. Wer genommen wird, hat auch etwas davon.

BUNDESFREIWILLIGENDIENST

Was der »Bufdi« ist und wer ihn machen darf

Wer noch nicht weiß, wie es nach der Schule weitergeht und sich erstmal orientieren möchte, ist ein Kandidat für den Bundesfreiwilligendienst. Ebenso Menschen, die Wartezeiten bis zum Start einer Ausbildung oder eines Studiums sinnvoll überbrücken wollen. Ein Bufdi kann zwischen sechs und 24 Monate dauern – er wird meistens für 12 Monate am Stück geleistet. In der Regel ist der Bufdi ein ganztägiger Dienst, bei dem die Freiwilligen überwiegend praktische Hilfstätigkeiten leisten. Dafür bekommen sie ein Taschengeld (Stand 2022: 423 Euro) und sind automatisch Mitglied in der gesetzlichen Renten-, Unfall-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Einen Bundesfreiwilligendienst können alle machen, die die Vollzeitschulpflicht erfüllt haben. Ansonsten spielen Alter, Geschlecht, Nationalität oder die Art des Schulabschlusses in der Regel keine Rolle. Zahlreiche Organisationen wie das THW bieten sich als Dienstort an. Dort muss man sich direkt bewerben, etwa auf der THW-Website. Passende Einsatzstellen findet man über die Einsatzstellensuche beim Bundesamt im Internet (siehe Link unten). Bei der Suche helfen auch die regionalen Beraterinnen und Berater sowie die Zentralstellen weiter. (pr) www.bundesfreiwilligen-dienst.de www.thw-bufdi-de

»Wir tun alles dafür, die Bufdis zu begeistern«, verspricht Stopper. Die Freiwilligen erhalten mehr als eine gründliche Einführung. So darf jeder auch einen Gabelstaplerschein machen, bekommt ein Fahrsicherheitstraining und erlebt bei den verschiedensten Ortsverbänden ganz unterschiedliche Herausforderungen. Nein, betont Stopper, als billige Arbeitskräfte betrachte das THW die Bufdis keinesfalls – aber sie sind sehr gefragt für Projekte, die die fast durchweg ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer nicht schaffen. Als stellvertretender Ortsbeauftragter in Reutlingen zeigt Christoph Peters gemeinsam mit den Bufdis Honermann und Grau, was damit gemeint ist.

»Selber überlegen, wie etwas funktioniert«

Die jungen Leute haben Transportgestelle für die Ladefläche von Lastwagen gebaut, mit denen mobile Hygienewände der Küchenmannschaft sicher zum Einsatzort gefahren werden können. »Holz ist immer gut. Und wir müssen auch immer selber überlegen, wie etwas funktionieren könnte«, freut sich Honermann. »Das THW wird sehr unterschätzt«, ergänzt ihr Kollege Grau im Bezug auf die Vielfalt der Aufgaben und so manches mehr. Der junge Mann hat sich entschieden, die Laufbahn als ehrenamtliches Mitglied der Hilfsorganisation einzuschlagen. Auch das geht im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes. Jede Generation von Bufdis hinterlässt so ihre Spuren. Manchmal auch ganz originelle: Auf dem Hof des Reutlinger THW-Stützpunktes gibt es eine aus einem U-Betonstein und zwei Besen von Bufdis gebastelte Putzstation für dreckige Stiefel. Eine saubere Sache wie dieser Dienst, den auch andere Organisationen schätzen, und sich über Freiwillige freuen.

Beim Kreisverband Reutlingen des Deutschen Roten Kreuzes »sind die Nachfragen im Bereich des Rettungsdienstes nach einem Bundesfreiwilligendienst im Krankentransport gut. Im Bereich Soziale Dienste – Fahrdienst für Menschen mit Einschränkungen, Mahlzeiten-Service und Pflege – wäre eine erhöhte Nachfrage wünschenswert«, sagt Pressereferentin Kristin Freytag. Jede Organisation sei darauf angewiesen, Menschen zu gewinnen, die sich in einem freiwilligen Jahr engagieren möchten. Im Kreis Reutlingen sind das beim DRK 29 Bufdis. (GEA)