REUTLINGEN-BETZINGEN. Es dürfte ein Besucherrekord gewesen sein, den der Betzinger Bezirksgemeinderat in seiner jüngsten Sitzung erlebte: Rund 40 Zuhörer drängten sich im Sitzungssaal. Fast alle waren wegen der Bürgerfragestunde gekommen, in der Susanne Pfisterer vom Kernzeitbetreuungs-Team der Friedrich-Hoffmann-Gemeinschaftsschule den Unmut über das Dauerärgernis Raumnot öffentlich machte – stellvertretend für die Eltern, die sie mit der geballten Präsenz in ihrem Anliegen unterstützten. »Die Lage spitzt sich zu«, fasste Susanne Pfisterer die Misere zusammen. Der Meinung sind auch die Elternbeiräte der Friedrich-Hoffmann-Gemeinschaftsschule, die sogar eine Petition gestartet haben. Darin machen sie darauf aufmerksam, wie dringend notwendig der Neubau ist, auf den die Betzinger Schule schon so lange wartet.
Raumnot macht zunehmend zu schaffen
2019 wurde die Planung des zweigeschossigen Neubaus für zusätzliche Klassenzimmer und eine Erweiterung des Mensa- und Betreuungsbereichs angestoßen – um dann in der Versenkung zu verschwinden. Bezug sollte in diesem Jahr sein, passiert ist nichts: Aus finanziellen Gründen wurde das Projekt auf die lange Bank geschoben. Auch im aktuellen Doppelhaushalt taucht es nicht auf, die Friedrich-Hoffmann-Gemeinschaftsschule muss also weiter warten.
Die Raumnot bereitet zunehmend Probleme, was Rektorin Daniela Halder bei ihren Jahresberichten im Ortschaftsrat immer wieder deutlich macht. Wie sehr es bei der Kernzeitbetreuung klemmt, schilderte Susanne Pfisterer in der jüngsten Sitzung. 20 Eltern, die einen Betreuungsplatz gebraucht hätten, habe man ablehnen müssen – telefonische Anfragen gar nicht mitgerechnet. Die Absagen hätten in vielen Fällen zu großen Problemen bis hin zu »persönlichen Katastrophen« geführt. Dann nämlich, wenn beide Eltern berufstätig und deshalb auf den Betreuungsplatz angewiesen sind.
Hoffnungsschimmer Hausmeisterwohnung
Wegen des Platzmangels muss aber auch das »Kerni«-Team Abstriche machen, erklärte die pädagogische Leiterin. Denn nur für Kinder aus der ersten Klasse gibt es einen geeigneten Raum, mit den anderen muss das Team auf Klassenzimmer oder sogar die Turnhalle ausweichen. Ein Unding, so Pfisterer. Die Kernzeitbetreuung verstehe sich als Ort, an dem Kinder gemäß ihren individuellen Bedürfnissen entspannen und Kraft tanken könnten. Das sei in diesen Räumen nicht möglich, was sich am Verhalten der Kinder deutlich bemerkbar mache.
Vor etwa einem Jahr dann der Hoffnungsschimmer: Der Schule wurde mitgeteilt, dass die geräumige Hausmeisterwohnung im Backsteingebäude nicht mehr gebraucht und für die Kernzeitbetreuung genutzt werden könne. Sogar eine mündliche Zusage auf finanzielle Unterstützung bei der Einrichtung habe es von der Stadt gegeben, so die »Kerni«-Mitarbeiterin. Bis heute sei aber nichts passiert – trotz mehrfachen Nachhakens.
Begrenzte Möglichkeiten
»Wir haben kein Verständnis dafür, dass sich solche Prozesse über Jahre hinziehen müssen und in Schubladen verschwinden, während wir hier kämpfen und sich die Kinder mit hemdsärmeligen Improvisationen oder Notlösungen zufriedengeben müssen«, monierte sie. Um dann zur nahe liegenden Frage an den Ortschaftsrat zu kommen: »Inwieweit unterstützen Sie uns?«
Bezirksbürgermeister Friedemann Rupp machte klar, dass die Möglichkeiten des Ortschaftsrates begrenzt sind. Das Gremium wisse um die Raumnot der Friedrich-Hoffmann-Gemeinschaftsschule. Deshalb habe es für den Doppelhaushalt auch den Neubau beantragt. Mittel seien wegen der Finanzmisere aber nicht eingeplant. »Das ist ein Antrag von vielen. Letztlich entscheidet der Gemeinderat, wofür Gelder zur Verfügung gestellt werden, das ist leider so«, dämpfte Rupp die Erwartungen, »wir kommen da an unsere Grenzen.« Das Thema Hausmeisterwohnung war Rupp neu. Aber, versicherte er: »Da helfen wir gerne.«
Wenigstens Sanierung
In der Bürgerfragestunde meldeten sich auch Initiatoren der Petition zu Wort, in der es um die Notwendigkeit des Neubaus geht. Begründet wird er ebenfalls mit der Misere bei der Kernzeitbetreuung, die etliche Eltern zwinge, sich gegen die Betzinger Bildungseinrichtung zu entscheiden oder einen Schulwechsel zu beantragen. Als weiteres Argument für die Dringlichkeit des Neubaus wird der »Containerbahnhof« genannt, in dem Betzinger Schüler seit Jahren unterrichtet werden. Die Stadt habe die Container als temporäre Lösung angepriesen, inzwischen seien sie »traurige Realität«, schreiben die Elternbeiräte. Ein Ort zum Lernen sehe anders aus. »Dieser Mangel an Wertschätzung stößt bei uns auf Unverständnis«, heißt es in der Petition, die aktuell von 316 Bürgern unterzeichnet ist – Tendenz steigend.
Mit der Petition wolle man erreichen, dass es wenigstens mit der Sanierung weitergeht, erklärte eine Elternbeirätin und nannte als Beispiel die völlig veralteten Toiletten. Der Neubau sollte längst stehen, merkte ein anderer Elternvertreter kritisch an: »Und die Stadt diskutiert über ein sechstes Gymnasium für viele Millionen. Aber wie marode die Schulen sind, das wird nicht berücksichtigt.« (GEA)