REUTLINGEN/TÜBINGEN. In der Nacht auf Samstag hat es gegen 1.15 Uhr einen massiven Stromausfall gegeben, der Betzingen, Wannweil, Kirchentellinsfurt, Ohmenhausen und Teile des Industriegebiets Mark West betraf. Dieser Stromausfall war auch der Grund dafür, dass am Samstag im gesamten Verbreitungsgebiet kein gedruckter GEA in den Briefkästen unserer Leser zu finden war.
Die Ursache für die massive Stromunterbrechung mit den großen Folgen war nur rund 17 Zentimeter groß: »Es haben sich mehrere Siebenschläfer in der Schaltanlage des Umspannwerks West aufgehalten«, berichtet Roland Löhn, Leiter der Abteilung Bau- und Betrieb beim lokalen Netzbetreiber Fair-Netz, dem GEA. »Dort ist es warm, da fühlen die sich wohl.« Wie die Tiere in die Anlage gekommen sind, war am Sonntag noch unklar.
Der oder die Siebenschläfer haben in der Anlage kein Kabel angeknabbert. Sie haben vielmehr mit ihrem Körper verschiedene Stromquellen verbunden und so den besagten Kurzschluss ausgelöst. Löhn spricht von »äußerst unglücklichen Umständen«, die anschließend zu einem Stromausfall in dieser Dimension geführt haben. Als er am Morgen nach dem Ausfall vor dem Umspannwerk gestanden sei, habe er gedacht, dass die Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto größer sei.
»Es haben sich mehrere Siebenschläfer in der Schaltanlage aufgehalten«
»Es sind mehrere Schalter gefallen, das hat man in der Leitstelle sofort bemerkt«, so Löhn weiter. Der alarmierte Bereitschaftsdienst sei sofort ins Industriegebiet gefahren und habe dort bemerkt, dass das Umspannwerk verraucht war. Die Feuerwehr Reutlingen wurde sofort alarmiert, musste aber nicht löschen, nur noch belüften.
Unter Hochdruck hätten die Fair-Netz-Mitarbeiter dann versucht, das Problem zu beheben. Gegen 2.55 Uhr seien alle Firmen und Haushalte wieder mit Strom versorgt gewesen. Für Hunderte betroffene Privathaushalte hatte der Ausfall in der Nacht wenn dann nur kleinere Konsequenzen. Viele Betriebe kämpften aber noch am Folgetag mit größeren Folgen. So konnte eine Bäckerei in Betzingen nachts zwei Stunden lang kein Brot backen, weil der Ofen nicht mehr funktioniert hat. Die einzige Arbeit, die möglich war: Brezeln schlingen. Weil aber auch das Licht in der Backstube nicht funktionierte, geschah dies im Schein von Teelichtern.
Im Fitnessstudio f1 im Industriegebiet Mark West fuhr aufgrund des Stromausfalls der Hauptrechner herunter. »Der hat sich dann, auch als wieder Strom da war, nicht mehr automatisch mit unsere Software verbunden«, berichtet Inhaberin Jacqueline Walz. Vom Türöffner bis zum Kleiderschrank, von den Getränken bis zum Check-in: Da im Studio eigentlich nahezu alles elektronisch abläuft, ging am Morgen nach dem Stromausfall erstmal – nichts. »Es hat bis ungefähr 13 Uhr am Sonntag gedauert, bis alles wieder glatt lief«, berichtet Jacqueline Walz. Zuvor musste man sich mit manuellen Lösungen aushelfen.
Außerdem betroffen: Das Druckzentrum Neckar-Alb (DNA), in dem verschiedene Tageszeitungen produziert werden – auch der Reutlinger General-Anzeiger. Als die Siebenschläfer zuschlugen, waren einige der Blätter zwar bereits gedruckt, nicht aber der GEA und das Schwäbische Tagblatt, die den Abschluss der nächtlichen Produktion bilden. Und selbst als der Strom wieder floss, verstrich geraume Zeit, bis die hochmoderne Anlage wieder komplett einsatzbereit war.
»Es hat bis ungefähr 13 Uhr am Sonntag gedauert, bis alles wieder glatt lief«
Gegen 4 Uhr morgens zogen die Verantwortlichen in Rücksprache mit der Rotationsleitung und den Spediteuren die Reißleine, weil klar war, dass eine geordnete Zustellung der Zeitungen nicht mehr zu gewährleisten war. Bei so großer Verspätung können viele Zusteller ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen, weil sie andere Verpflichtungen haben. Die Zeitungen wären dann übers Wochenende stapelweise an den Sammelablagestellen liegen geblieben, wo die Zusteller sie normalerweise abholen. Die Gefahr, dass die Pakete von Unbefugten geöffnet, Zeitungen entnommen und möglicherweise verstreut oder gar entsorgt würden, schien einfach zu groß. Deshalb fiel die Entscheidung, die Samstagsausgabe erst am Montag zusammen mit der aktuellen Ausgabe nachzuliefern – parallel dazu aber im Internet als E-Paper kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Außen- und Innendienst des Vertriebs waren pausenlos im Krisenmodus, eine Bandansage informierte verwunderte Anrufer, versprach aber, weil standardisiert, die Nachlieferung noch am selben Tag. Eine andere Version einzuspielen, sei in der Nacht auf die Schnelle einfach nicht möglich gewesen, sagt Vertriebsleiter Joachim Eggert.
Dass es hier und da im Einzelhandel dennoch den Samstags-GEA zu kaufen gab, hat den einen oder andere Abonnenten dann ebenfalls verwirrt. Aber auch das war eine bewusste Entscheidung: Eine sogenannte Notauslieferung von 1 000 Exemplaren ging an besonders stark nachgefragte Verkaufsstellen. (GEA)