Logo
Aktuell Wetter

Verprasselt der Regen Reutlinger Landwirten die Ernte?

In den zurückliegenden Wochen hat es geregnet. Sehr viel geregnet. Ob sich der nasse Mai nachteilig auf die lokale Landwirtschaft ausgewirkt hat? Der GEA hat sich bei Bauern auf dem Reutlinger Wochenmarkt umgehört.

Erdbeeren Wochenmarkt Reutlingen
Dauerregen hat die Erdbeerernte in diesem Jahr beeinträchtigt. Freilandkulturen haben vielfach Pilzerkrankungen erlitten. Foto: Pieth
Dauerregen hat die Erdbeerernte in diesem Jahr beeinträchtigt. Freilandkulturen haben vielfach Pilzerkrankungen erlitten.
Foto: Pieth

REUTLINGEN. Starkregen, Nieselregen, Sprühregen, Gussregen, Regen, der von allen Seiten kommt oder solcher, der sich in kurzen Schauern niederschlägt: Der Wonnemonat Mai war kühl und sehr nass. Und der noch junge Juni eifert ihm offenbar nach. Was die Laune vielfach drückt und der Sehnsucht nach Sonne gehörig Vorschub leistet. Wobei sich Letztere – vertraut man meteorologischen Prognosen – auch in den kommenden Tagen rar und Schirme oder Capes als zweckdienlichen Alltagsbegleiter unentbehrlichen machen wird.

Ganz so heftig wie Teile des Saarlands oder Schleswig-Holsteins haben die Wassermengen der zurückliegenden Wochen Reutlingen und die Region zwar nicht getroffen. Gleichwohl könnte sich die Dauernässe aber auch hier als für die Landwirtschaft problematisch entwickeln. Jedenfalls dann, wenn die himmlische Inkontinenz weiter anhält und zu Pfützen- oder gar Seenbildung auf den zwischenzeitlich bestens durchtränkten Äckern führt.

Davon kann aktuell jedoch noch keine Rede sein, wie Landwirte auf dem Reutlinger Wochenmarkt sagen. Unter ihnen der Sickenhäuser Agraringenieur Martin Frech, der – Stand heute – mit keinen gravierenden Ernteausfällen rechnet. Denn sein Getreide gedeiht und seine Kartoffeln ebenfalls. Abgesoffen ist ihm bislang nichts. Und: »Eine Dürreperiode im Frühjahr wäre weitaus schlimmer gewesen.«

Landwirte auf dem Reutlinger Wochenmarkt sind trotz großer Regenmengen zuversichtlich, was die Ernte betrifft.
Landwirte auf dem Reutlinger Wochenmarkt sind trotz großer Regenmengen zuversichtlich, was die Ernte betrifft. Foto: Frank Pieth
Landwirte auf dem Reutlinger Wochenmarkt sind trotz großer Regenmengen zuversichtlich, was die Ernte betrifft.
Foto: Frank Pieth

Noch ist also alles im grünen Bereich. Sieht man einmal von witterungsbedingten Verzögerungen bei der Heuernte und den widrigen Startbedingungen für Mais ab, dessen Keimlinge derzeit buchstäblich baden gehen. »Mais«, erklärt Martin Frech, »wird spät ausgesät, den hat der Dauerregen erwischt«. Derweil Weizen, Roggen und Co. proper dastehen und auf eine ertragreiche Ernte hindeuten – wenn Petrus denn in Bälde ein Einsehen hat und es zu keinem großflächigen Pilzbefall kommt.

Ein solcher freilich wird durch Nässe begünstigt. Weshalb der Sickenhäuser jetzt auf eine Phase stabiler Trockenheit hofft, um gegebenenfalls Fungizid ausbringen zu können. Was momentan nicht möglich ist, weil das aufgeweichte Erdreich ein Befahren der Flächen mit landwirtschaftlichem Gerät unmöglich macht. Zu groß wäre die Gefahr, die Böden zu schädigen oder im Schlamm stecken zu bleiben.

»Pilzkrankheiten sind immer von Übel - und zwar für jede Pflanze«

»Pilzkrankheiten«, so Martin Frech, »sind immer von Übel – für jede Pflanze.« Weshalb abzuwarten bleibt, wie sich der Dauerregen auch auf die Ernte von Obstbauern auswirken wird. Wobei schon jetzt klar ist, dass er die Erdbeersaison stark verwässert und Freilandplantagen enorm zugesetzt hat. Heißt für Erdbeerbauern: reichlich Mehrarbeit bei geringer Ausbeute.

Warum? »Weil Kulturen öfter als sonst durchgepflückt werden müssen«, wie der Engstinger Landwirt und Wochenmarktbeschicker Frank Kuhn erklärt. Gelte es doch faulige oder von Krankheitserregern befallene Früchte und Pflanzen flugs zu eleminieren – um Massenbefall vorzubeugen.

Das reichhaltige Himmelsnass hat die Apfelblüte nicht beeinträchtigt. Während der Fruchtbildung sollte der Regen aber nachlassen
Das reichhaltige Himmelsnass hat die Apfelblüte nicht beeinträchtigt. Während der Fruchtbildung sollte der Regen aber nachlassen. Andernfalls könnte die Ernte mau ausfallen. Foto: PR
Das reichhaltige Himmelsnass hat die Apfelblüte nicht beeinträchtigt. Während der Fruchtbildung sollte der Regen aber nachlassen. Andernfalls könnte die Ernte mau ausfallen.
Foto: PR

Grauschimmel ist einer jener Schädlinge, der in diesem feuchten Frühjahr auf Erdbeerfeldern fröhliche Urständ’ gefeiert hat. Ebenso wie die Anthraknose (Brennfleckenkrankheit), die für Obstfäule verantwortlich zeichnet. Derweil manches Früchtchen schlicht Opfer großer Regentropfen wurde und – weil angeditscht – nicht in den Verkauf gelangen konnte. Umso weniger, als die Kundschaft zunehmend anspruchsvoller geworden ist und zuweilen sogar Unmögliches verlangt: die vegane Eier legende Wollmilchsau in Bioqualität zum Dumpingpreis.

»Diese Anforderungen beißen sich. Reife und lange Haltbarkeit schließen sich gegenseitig aus«

Konkret: Konsumenten verlangen reifes, vollaromatisches und optisch makelloses Obst mit guter Lagerfähigkeit. »Aber diese Anforderungen«, sagt Kuhn, »beißen sich. Reife und lange Haltbarkeit schließen sich nun mal gegenseitig aus.« Was Zeitgenossen indes nicht daran hindert, trotzdem auf beides zu beharren …

Doch zurück zum Dauerregen und seinen Folgen. Wird er nach der Erdbeer- auch die Apfel-, Zwetschgen und Kirschernte beeinträchtigen? Diese Frage lässt sich heute noch nicht präzise beantworten. Deshalb nur so viel: »Bislang hat ihnen die Nässe eher gutgetan.« Während der Fruchtbildung wäre ein Zuviel an Regen allerdings kontraproduktiv. »Äpfel können innen glasig werden, Tafelkirschen aufplatzen. Manche Früchte verreißt es regelrecht.«

Überhaupt sind Wetterkapriolen das Letzte, was Obst gebrauchen kann. Beispiel: Apfelernte 2023. Erst war nasses und zugleich kaltes Wetter der Blüte abträglich, später hatten Hitze und Trockenheit zahlreichen Bäumen und ihrem Behang den Rest gegeben. (GEA)