REUTLINGEN. Wromm, wrommm, wrommmmm! Es lässt sich nicht überhören: Der Herbst ist da. Und mit ihm zahllose Laubbläser oder -sauger, die jetzt wieder in Privatgärten und öffentlichen Grünanlagen den Ton angeben. Lautstark fräsen sie sich durch die Gehörgänge, wirbeln jede Menge (Fein-)Staub auf und machen Mikroben und Insekten, Spinnentieren und Gewürm, zuweilen auch Amphibien und Igeln den Garaus. Weshalb Naturschützer nicht erst seit gestern fordern, die ökologisch bedenklichen Krachmacher - in einschlägigen Internetforen als »Höllenröhrlinge« bezeichnet - gesetzlich zu verbieten.
Berechenbar tun sie das. Denn kaum hat der goldene Oktober Einzug gehalten, kaum streifen die ersten Bäume ihre bunten Blätterkleider ab, werden Vor- und Nachteile von Laubbläsern und ihren saugenden Pendants alle Jahre wieder rauf und runter diskutiert.
In die aktuelle Debatte hat sich jüngst eine GEA-Leserin eingeklinkt, die es – wie sie sagt – »wünschenswert« fände, wenn wenigstens die Stadt Reutlingen und deren Technische Betriebsdienste (TBR) mit gutem Beispiel vorangingen und »das Teufelszeug« aus ihrem Geräte-Arsenal verbannen würden. Zum Besten der Umwelt, versteht sich. Aber auch, um »die Dinger« in einem zweiten Schritt generell verbieten zu können - ohne sich in diesem Fall dem Vorwurf auszusetzen, mit doppeltem Maß zu messen.
TBR-Chef: »Ein Laubblasgerät ersetzt vier Arbeitskräfte«
Jedoch: Kann die Kommune tatsächlich so mir nichts, dir nichts auf Laubbläser verzichten? Und, wenn ja, zu welchem Preis? Ganz klar: Zum Preis der Unwirtschaftlichkeit, wie TBR-Chef Dirk Kurzschenkel und Reutlingens Grünwesen-Leiter Martin Wirth sagen. »Einer Studie aus Graz zufolge«, so Wirth, »ersetzt ein leistungsstarkes Laubblasgerät vier Arbeitskräfte«, die mit Besen und Rechen gegen die herbstliche Blätterflut ankämpfen. Ein Verhältnis, das aufhorchen lässt. Umso mehr, als die Personaldecke bei den TBR bekanntlich dünn, der Posten Grünpflege im städtischen Etat nicht eben üppig ausgestattet ist.
»Vor diesem Hintergrund müssen wir sparsam haushalten. Die Bürger wollen ja schließlich keine höheren Steuerbelastungen tragen. Deshalb ist es definitiv in ihrem Sinne, wenn wir einen kritischen Blick auf die Kosten haben« - und eben nicht auf Muskelkraft, sondern auf Laubbläser setzen.
Wiewohl Letztere »für uns keineswegs restlos überzeugend sind«: wegen ihrer teilweise sehr hohen Dezibelwerte und ihres CO2-Ausstoßes. Beides ist ungut. Allerdings: »Derzeit gibt es keine praktikablen Alternativen.« Und das, obschon Laubbläser-Hersteller binnen der zurückliegenden Jahre diverse akkubetriebene Modelle auf den Markt gebracht haben.
Flüster-Fabrikate nicht leistungsstark genug
Diese Flüster-Fabrikate können es indes - selbst im Profi-Segment - mit der Effizienz leistungsstarker Benziner (noch) nicht aufnehmen. Was Martin Wirth aus berufsalltäglicher Erfahrung weiß. Zumal die TBR durchaus über Elektro-Bläser verfügen. Nach Worten von Wirth beläuft sich der Stromer-Anteil sogar schon auf dreißig Prozent des gesamten, 50 Exemplare zählenden städtischen Laubbläser-Bestands. Fürs richtig Grobe taugen die Akku-Modelle freilich nicht.
Zum Einsatz kommen sie, wenn kleinere Grünflächen von losem, trockenem Laub befreit werden sollen. Bei großen Arealen oder wenn es um die Beseitigung regendurchtränkter, auf dem Asphalt festpappender Blättermassen geht, greift das Personal von Stadtreinigung und Grünwesen jedoch nach wie vor zu den leistungsstarken Verbrennern. Etwa in und um Volkspark, Pomologie und Stadtgarten. Wobei die TBR jenseits dieser drei grünen Lungen noch weitaus mehr Gelände »entblättern« müssen.
Ihr Arbeitsbereich reicht nämlich von Mittelstadt bis Gönningen, umfasst Sportplätze ebenso wie Reutlingens Friedhöfe. Kurz: Da läppert sich flächenmäßig enorm was zusammen. Zu viel für reine Handarbeit mit Besen und Rechen; und teilweise zu verwinkelt oder kleinteilig, um per Mäh-Container (Aufsitzer mit Fangkorb) beseitigt werden zu können.
Blätter erhöhen Unfallgefahr auf Wegen und Straßen
Doch warum das Laub nicht einfach liegen lassen - und basta? »Weil das auf Rasenflächen die Grasnarbe kaputtmachen würde«, mit der Folge, dass beispielsweise Fußballfelder im nächsten Frühjahr ziemlich braun aussähen, weil Blättermulchschichten ihr grünes Darunter erstickt haben. Derweil sich herabgefallene Blätter auf Wegen und Straßen schon allein aus Gründen der Verkehrssicherheit verbieten. Steigern sie doch insbesondere im nassen Zustand die Unfallgefahr – jedenfalls für die Menschen.
Für Tiere ist's hingegen irrelevant. Lebensbedrohlich ist für sie nämlich definitiv nicht am Boden liegendes Laub, sondern dessen Beseitigung mit motorisierten Hilfsmitteln. Wobei bis dato offen ist, ob Laubbläser tatsächlich den Titel Insekten-Killer Numero eins verdienen.
Nach Einschätzung von Dirk Kurzschenkel und Martin Wirth spielen die »Höllenröhrlinge« nämlich in einer Liga mit Rasenmähern - obschon diese weit weniger verpönt sind. Gar nicht zu reden von Laub-Rechen, die als ökologisch mustergültiges Arbeitsutensil gelten. Überall? Oh nein. Denn auch diese Arbeitsutensilien haben Gegner: Naturschützer, die vor Rechen warnen - weil sie Amphibien tödlich schlecht bekommen … (GEA)