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Thomas Ziegler verabschiedet sich aus dem Reutlinger Kreistag

Nach Jahrzehnten in der Kommunalpolitik hat sich Thomas Ziegler jetzt auch aus dem Reutlinger Kreistag verabschiedet. Welche Entscheidungen ihm wichtig waren.

Thomas Ziegler war 30 Jahre lang Kreisrat, davor und teils parallel dazu auch Gemeinderat.
Thomas Ziegler war 30 Jahre lang Kreisrat, davor und teils parallel dazu auch Gemeinderat. Foto: Stephan Zenke
Thomas Ziegler war 30 Jahre lang Kreisrat, davor und teils parallel dazu auch Gemeinderat.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Unauffällig läuft ein älterer Herr mit Zigarillo in gemessenen Schritten durch die Stadt – aber er hat eine auffällige Vergangenheit: Thomas Ziegler, der nach Jahrzehnten in der Kommunalpolitik jetzt auch dem Reutlinger Kreistag Lebewohl sagt. Verabschiedet hat er sich als Vertreter von »Die Linke«, auch wenn er nie Mitglied dieser Partei war. Wobei ihm seine Überzeugungen stets wichtiger gewesen sind als Parteizugehörigkeiten. Manches von dem, was der Rechtsanwalt sowohl im Gemeinderat als auch über 30 Jahre hinweg im Kreistag angestoßen oder durchgesetzt hat, wird von längerer Bedeutung bleiben.

Ziegler spricht leise und präzise von drei Themen, die für ihn im Kreis besonders herausragend gewesen seien. »Gesundheitspolitik heißt hier Kreiskliniken«, benennt er als ersten Schwerpunkt seines Engagements. Er war stets dafür, die Krankenhäuser in öffentlicher Hand zu behalten. Vor allem Erhalt und Neubau der Münsinger Albklinik gingen nicht zuletzt auf seinen Einsatz zurück. »Ende der 90er war die heiße Zeit, als Landrat Dr. Wais und sämtliche Fraktionen eine Privatisierung anstrebten«, erinnert sich der 1954 als Sohn einer gutbürgerlichen Familie geborene Ziegler. Sein Vater entstammt einer namhaften Gönninger Samenhändlerdynastie, die Mutter einer Reutlinger Textilunternehmerfamilie. Wie ist er angesichts dieser Herkunft zum Linken geworden, der sich heftig sowie letztlich teilweise auch erfolgreich gegen eine Privatisierung der Kreiskliniken in die Bresche geworfen hat?

Als er sich 1995 um das Amt des Reutlinger Oberbürgermeisters bewirbt, gegen Stefan Schultes verliert, passt seine Biografie sch
Als er sich 1995 um das Amt des Reutlinger Oberbürgermeisters bewirbt, gegen Stefan Schultes verliert, passt seine Biografie schon kaum auf ein doppelseitig bedrucktes Blatt Schreibmaschinenpapier. Foto: Stephan Zenke
Als er sich 1995 um das Amt des Reutlinger Oberbürgermeisters bewirbt, gegen Stefan Schultes verliert, passt seine Biografie schon kaum auf ein doppelseitig bedrucktes Blatt Schreibmaschinenpapier.
Foto: Stephan Zenke

»Ich bin ein 68er«, meint Ziegler, »damals beeinflusst von der Studentenbewegung an der PH Reutlingen«. Sprich: Erwachsen geworden ist er in »hochpolitisierten« Zeiten. Als er 1995 für das Amt des Reutlinger Oberbürgermeisters gegen Stefan Schultes kandidierte, wies seine Biografie schon ordentlich Vorzeigbares aus. Nach dem Jura- und Politikstudium in Berlin und Tübingen steigt er bei den Grünen und Unabhängigen am Fuße der Achalm ein. Im Februar 1987 rückt er in den Reutlinger Gemeinderat ein, dem er bis 2018 angehört. Ab Juni 1994 bis zu seinem Abschied in diesem Jahr wurde er sechsmal in den Kreistag gewählt, zuerst als Sprecher der »Grünen«, zuletzt der Linken-Fraktion. Sowohl den Bürgern der Stadt als auch dem gesamten Kreis verpflichtet zu sein, führt direkt zum zweiten Thema, das er rückblickend anspricht.

Die von Ex-OB Barbara Bosch verfolgte Auskreisung Reutlingens hält er »für Unfug«. Weil aus seiner Sicht »unser Kreis ohne die Großstadt gar nicht überlebensfähig gewesen wäre«. Außerdem hätten die Reutlinger sämtliche Kreistagsmandate inklusive ihres Einflusses auf das Umland verloren. Letztlich scheitern die Befürworter einer Auskreisung. Ziegler resümiert: »Dieses Thema hat massiv Ressourcen im Rathaus gebunden – ebenso im Landratsamt. Dazu das Klima zwischen Stadt und Kreis unnötig vergiftet«. Das alles wie manches andere auch hat Ziegler ganz sachlich durchgerechnet. Er kennt sich aus in Sachen kommunaler Finanzen, wird auch im sogenannten Ruhestand als Referent zu Fachseminaren eingeladen. Weswegen seine Redebeiträge in Bezug auf zukunftsweisende Projekte des Kreises stets wohl kalkuliert sind.

»Ich sehe mich politisch nicht als Wanderer, aber meine politischen Umgebungen haben sich verändert«

Als es um den Neubau des Landratsamtes geht, hält Ziegler allen Befürwortern einer Anmietung seine handfesten Bilanzen unter die Nase: Mit der letztlich umgesetzten Lösung, das Gebäude bauen zu lassen, um es dann zu kaufen, »haben wir Linken dem Landkreis 40 Millionen Euro erspart«. Politisch so gründlich zu arbeiten, fordert seinen Preis. »Wenn man sein Kreistagsmandat ernst nimmt, ist das ein Drittel einer normalen Arbeitsstelle«, weswegen seine Tage – als er gleichzeitig seine Kanzlei betrieb und im Gemeinderat saß – zwischen 14 und 16 Stunden lang gewesen seien. Dies zuerst für die Grünen, dann fünf Jahre für die WiR und zuletzt 15 Jahre für die Linke. Das liest sich nach Beliebigkeit, sei aber das Gegenteil.

»Ich sehe mich politisch nicht als Wanderer, aber meine politischen Umgebungen haben sich verändert«, sagt Ziegler. So habe er nach wie vor einen herzlichen Kontakt zu den Grünen, »und wenn Kretschmann, Özdemir oder Palmer um die Ecke biegen würden, würden sie mit hallo Thomas grüßen«. Nach einer Bilanz gefragt, klingt er im Frieden mit sich und seiner politischen Arbeit: »Ich war immer dort gefordert, wo hart gefochten wurde«. Den Landkreis und seine Verwaltung sehe er »mit Landrat Dr. Fiedler in souveränen Händen zielführend unterwegs«. Sein Engagement verlagere sich jetzt eher ins Familiäre: zu seiner betagten Mutter, zur Enkelin in Berlin, zum Neubau einer Wohnanlage in Gönningen. Engagiert bleibt er in dem Bündnis gegen rechts und in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Ebenso wird er in den Regionalverband einziehen. Noch ein Ratschlag für alle, die sich in der Lokalpolitik einsetzen wollen: »Selbst mit einer kleinen Gruppierung kann man sehr wohl Erfolge erzielen. Aber nur mit Mut und energischem Einsatz«. (GEA)