Auf der anderen Seite müsse das Gericht nun aber auch ein Urteil finden, das der Tat gerecht werde. Der Angeklagte zeige starke Entwicklungsdefizite und eine große Reifeverzögerung, erklärte Streicher, der sich dabei auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen stützte. Für den zur Tatzeit 20-Jährigen müsse deshalb das Jugendstrafrecht angewandt werden. Der Vater des Opfers konnte den Urteilsspruch der Jugendkammer nicht verstehen. Er verließ völlig aufgelöst den Saal. Für ihn war die Strafe viel zu gering.
Aufwendiger Lebensstil
Der Angeklagte hatte die 18-Jährige im Frühjahr 2008 kennengelernt. Doch alsbald habe sich die »dunkle Seite« dieser Beziehung gezeigt, so Streicher bei der Urteilsverkündung. Der 21-Jährige sei eifersüchtig gewesen und habe seiner Freundin wenig Freiraum gelassen.Auch beruflich kam der Angeklagte nicht auf die Füße. Sein Vater hatte ihm eine wirtschaftliche Grundlage schaffen wollen, doch der 21-Jährige vernachlässigte die Arbeit und bald schon liefen »seine Finanzen aus dem Ruder«. Streicher: »Der Angeklagte wurde nie den Anforderungen des Alltags gerecht«.
Andererseits pflegte der Angeklagte offensichtlich einen aufwendigen Lebensstil, um seiner Freundin zu imponieren. Es sei eine Welt aus Sein und Schein gewesen, meinte Streicher.
Im Oktober 2008 kam es zu ersten Gewalttätigkeiten. In angetrunkenem Zustand schlug der 21-Jährige auf seine Freundin ein und versetzte ihr einen Stich in den Oberschenkel. Die Tat konnte aber nie völlig aufgeklärt werden.
Nach dem Vorfall kamen die beiden wieder zusammen. Doch der Mann änderte sich nicht. Er erhob gegenüber seiner Freundin weiterhin »besitzergreifende Machtansprüche«. Schließlich kam es zum ersten Mal zu einer Trennung. Im Januar 2009 brach der Angeklagte in die elterliche Wohnung der Frau ein. Angeblich ging es um einen Laptop, den er zurückhaben wollte. Bei diesem Vorfall kam das Sonderkommando der Polizei zum Einsatz und nahm ihn fest.
Der 21-Jährige wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er sollte sich einem Anti-Gewalt-Training unterziehen und Arbeitsstunden leisten. Diese Auflagen erfüllte er aber nicht, weshalb er hinter Gittern wandern sollte. Vorher wollte er aber noch einmal die 18-Jährige, die inzwischen einen neuen Freund hatte, sehen. Sie verabredeten, in ein Reutlinger Hotel zu gehen. Der 21-Jährige hoffte, die junge Frau wieder für sich zu gewinnen. In der Nacht muss ihm die 18-Jährige aber deutlich gemacht haben, dass sie keine Beziehung mehr zu ihm haben will.