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Stadträte schwören die Bevölkerung schon mal auf »schwere Zeiten« ein

Foto: dpa
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REUTLINGEN. Als Stadtkämmerer Frank Pilz die aktuelle Lage in der Stadtkasse vortrug, fiel die Stimmung im Finanzausschuss auf den Tiefpunkt. Bereits ohne die Corona-Pandemie gehen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer gegenüber dem Vorjahr um 14,6 Millionen Euro zurück. Pilz beschrieb die Situation im Finanzbericht, den er regelmäßig vorlegt, als »bedenklich«, weshalb (wie berichtet) schon vor dem Lockdown eine haushaltsrechtliche Sperre erlassen wurde.

Nach der Mai-Steuerschätzung und mit den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie bestehe eine Abweichung für das Haushaltsjahr – ohne Berücksichtigung von Rettungsschirmen und Hilfspaketen der Bundes-/Landesregierung – von 81,6 Millionen Euro. Eine Erstattung von Bund und Land unterstellt, geht Pilz von einer Deckungslücke in der Größenordnung von 30 bis 40 Millionen in diesem Jahr und in den Folgejahren aus.

Der Stadtkämmerer beschrieb die aktuelle Lage auf Bundes- und Landesebene als unklar. Das 130 Milliarden schwere Konjunkturpaket enthalte den hälftigen Ersatz der coronabedingten Gewerbesteuerausfälle an die Kommunen, eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel zur Mitfinanzierung der Kosten des ÖPNV sowie eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer. Die für die Umsetzung erforderlichen Gesetzesbeschlüsse stünden aber noch aus. Daher sei aktuell nicht genau zu beziffern, welchen Anteil der coronabedingten Mehrbelastungen das Konjunkturpaket des Bundes bei der Stadt abdecke. Eines steht laut Pilz aber fest: Das bereits vor der Corona-Pandemie bestehende strukturelle Defizit von rund 22,7 Millionen werde nicht ersetzt werden können.

In der anschließenden Debatte entbrannte ein Streit unter den Fraktionen, wie die Situation zu lösen sei. Während die WiR-Fraktion und die AfD angesichts der schlechten Kassenlage darauf drängen, anstehende Investitionen zu verschieben, appellierten die anderen Fraktionen, jetzt »nicht im Stillstand zu verharren« (Gabriele Janz, Grüne und Unabhängige). Auf keinen Fall dürfe man »chaotisch alles auf null fahren«, widersprach Sebastian Weigle (SPD) der AfD. Sonst dürfe man sich nicht wundern, wenn die Arbeitslosigkeit ansteige.

Man müsse sich davor hüten, »Einrichtungen anzugreifen, die es nachher nicht mehr gibt«, widersprach auch Jürgen Fuchs (FWV). Dennoch schwor er die Bevölkerung auf »schwere Zeiten« ein: »Es wird uns alle treffen.« Die Mangelwirtschaft der Zukunft müsse mit Mut angegangen werden.

Andreas vom Scheidt (CDU) fand es verfrüht, jetzt Entscheidungen zu treffen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie seien noch nicht absehbar, bevor nicht geklärt sei, welche Mittel Bund und Land zur Verfügung stellen. Jetzt Prognosen abzugeben, sei »höchstens Kaffeesatzleserei«. Umso wichtiger sei, dass »keine zweite Welle kommt«.

Zum »sparen, sparen, sparen« riet Hagen Kluck (FDP). Dies dürfe aber nicht bei der Kultur und beim Sozialen geschehen. Vielmehr müsse alles getan werden, um Steuereinnahmen zu generieren. Nadelstiche gegen die Schlüsselindustrie, nämlich gegen das Auto, müssten aufhören, ebenso die »Verkehrsexperimente« der jüngsten Vergangenheit.

Betroffen von der Haushaltslage waren alle. Gabriele Janz richtete einen Appell an Bund und Land, den Stellenwert der Kommunen neu zu bewerten. Ebenso Sebastian Weigle: Städte und Gemeinden müssten dem Bund klarmachen, »dass der Rahmen nicht stimmt«. Da lohnten sich Vergleiche durchaus: Immerhin habe der Bund für Lufthansa ein Neun-Milliarden-Euro-Paket geschnürt. (GEA)