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So war die Weinlese im Reutlinger Weinberg

Oberbürgermeister Thomas Keck denkt bei der Weinlese auf dem Reutlinger Weinberg über eine Neuanlage mit anderen Sorten und über den Bau einer Photovoltaikanlage nach.

Schöne Abwechslung zum Büroalltag: Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Mitglieder des Gemeinderats bei der Ernte.
Schöne Abwechslung zum Büroalltag: Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Mitglieder des Gemeinderats bei der Ernte. Foto: Frank Pieth
Schöne Abwechslung zum Büroalltag: Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Mitglieder des Gemeinderats bei der Ernte.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Mit 637 Kilogramm gibt es 2024 zwei Drittel weniger der Blauen Portugiesertraube im Reutlinger Weinberg als im Vorjahr. Schuld sei, so Oberbürgermeister Thomas Keck, eine Frostnacht im April. Am Dienstag haben der OB, Finanzbürgermeister Roland Wintzen, acht Mitglieder des Stadtrats und die Mannschaft des Forsthofs, die den Weinberg bewirtschaftet, die saftigen Trauben geerntet. Noch kein Ergebnis gab es beim weißen Müller-Thurgau.

Der Frostschock habe, erläuterte Keck, zu einem Zweitaustrieb der Reben geführt. Diese Trauben, noch recht klein im Vergleich zum ersten Schub, lasse man hängen. »Je nach Wetterlage können wir darauf hoffen, dass sie noch nachreifen.« Dann könne man sie mit den Resten der blauen Trauben im sogenannten »Gemischten Satz« noch zu Schillerwein verarbeiten. Bei diesem sei es wichtig, dass die Trauben aus derselben Parzelle kämen.

Kurz vor der Lese: Der Reutlinger Weinberg.
Kurz vor der Lese: Der Reutlinger Weinberg. Foto: Frank Pieth
Kurz vor der Lese: Der Reutlinger Weinberg.
Foto: Frank Pieth

Am vergangenen Donnerstag war die erste Lese in diesem Jahr, an der auch die Auszubildenden von Forst und Verwaltung teilnahmen. Mit dabei war auch Fabian Schäufele, stellvertretender Leiter des Liegenschaftsamts. Mit Schädlingen wie der Essigfliege habe man in diesem Jahr glücklicherweise noch keine Probleme gehabt, berichtete er. Fachlich würden die Reutlinger vom Weingut der Stadt Stuttgart unterstützt, das auch den Wein ausbaue. Außerdem stehe mit Rat und Tat auch Matthias Reusch vom Auhof Metzingen-Neuhausen zur Seite, der spritze und mähe und mit dem man sich fachlich austausche.

Die Ermittlung der Oechsle-Grade an einzelnen vollreifen Trauben und daher nicht wirklich repräsentativ, ergaben für beide Weine um die 70 Grad, mithin etwas weniger als im vergangenen Jahr. Sekt gebe es, so Keck, in diesem Jahr keinen, doch man habe noch zwei Vorräte in der »Pipeline«. Der Jahrgang 2020 komme demnächst auf den Markt.

Große Trauben ernten Oberbürgermeister Thomas Keck (rechts) und Finanzbürgermeister Roland Wintzen.
Große Trauben ernten Oberbürgermeister Thomas Keck (rechts) und Finanzbürgermeister Roland Wintzen. Foto: Gabriele Böhm
Große Trauben ernten Oberbürgermeister Thomas Keck (rechts) und Finanzbürgermeister Roland Wintzen.
Foto: Gabriele Böhm

Der Reutlinger Weinbau hat eine lange Geschichte, die sich bis in die Zeit der Stadtwerdung im Hochmittelalter zurückverfolgen lässt. Genau 750 Jahre alt wird aktuell die älteste schriftliche Erwähnung von 1274. Dort ist die Rede von einem am Hang der Achalm gelegenen Weinberg (»vinea in clivo Achalm sita«). Straßennamen wie »Weinstraße« oder »Innere-« und »Äußere Kelterstraße« erinnern an die lange Tradition. 1939 wurde die urige Inneneinrichtung der Weingärtnerzunftstube ins Heimatmuseum versetzt.

Allerdings stammt der heutige Weinberg an der Reutlinger Sommerhalde im Gewand Betzenried mit seinen 58 Ar erst aus dem Jahr 1957. Um das historische Erbe zu bewahren, hatte der Gemeinderat damals beschlossen, den kleinen Weinberg anzulegen und durch die Stadt zu bewirtschaften. »Es geht vor allem um diese Tradition«, sagte der Oberbürgermeister, »und nicht um den finanziellen Ertrag.« Gleichwohl sei eigener Reutlinger Wein natürlich etwas ganz Besonderes. Abgesehen davon sei die Lese an der frischen Luft auch eine schöne Abwechslung im Büroalltag.

Der heutige Weinberg an der Reutlinger Sommerhalde im Gewand Betzenried mit seinen 58 Ar wurde 1957 angelegt.
Der heutige Weinberg an der Reutlinger Sommerhalde im Gewand Betzenried mit seinen 58 Ar wurde 1957 angelegt. Foto: Frank Pieth
Der heutige Weinberg an der Reutlinger Sommerhalde im Gewand Betzenried mit seinen 58 Ar wurde 1957 angelegt.
Foto: Frank Pieth

Die vor fast 70 Jahren gesetzten Reben würden freilich irgendwann das Ende ihrer Lebenszeit erreichen. »Noch tragen sie, aber wir müssen den Zustand beobachten.« Eventuell müsse der Weinberg irgendwann neu bepflanzt werden, dann aber nicht mehr mit Portugieser und Rivaner, sondern bevorzugt mit Lemberger und Chardonnay. Die Investitionskosten wären allerdings hoch. Schäufele rechnet mit einem niedrigen sechsstelligen Bereich, denn man würde auch gleich die Drainage erneuern und den im unteren Teil abgerutschten Hang sanieren.

Und noch eine weitere Idee steht im Raum. Der sonnige Hang sei ideal für eine Hochstände-Photovoltaikanlage. »Man könnte es probieren«, meinte Keck. Denn die Kollektoren bedeuteten für den Wein keinen Nachteil, sondern würden ihn im Gegenteil auch vor Hagel schützen. Spruchreif sei das alles aber noch nicht. »Vielleicht bleibt auch alles, wie es ist.« (GEA)