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So hat es ein Reutlinger ins Ninja-Warrior-Nationalteam geschafft

Der aus Reutlingen stammende Benjamin Grams zählt regelmäßig zu den Besten der TV-Show »Ninja Warrior Germany«. Dank seiner herausragenden Leistungen wurde er für den erstmals ausgetragenen Weltcup nominiert. Dabei pflegt er eine »Hass-Liebe« zu diesem TV-Format.

Zwischen Anspannung und Vorfreude: der Reutlinger Benjamin Grams vor seinem Start beim Ninja-Warrior-Weltcup in Tokio.
Zwischen Anspannung und Vorfreude: der Reutlinger Benjamin Grams vor seinem Start beim Ninja-Warrior-Weltcup in Tokio. Foto: RTL
Zwischen Anspannung und Vorfreude: der Reutlinger Benjamin Grams vor seinem Start beim Ninja-Warrior-Weltcup in Tokio.
Foto: RTL

REUTLINGEN/BERLIN. Er kennt nur eine Geschwindigkeit: Vollgas. Wer sich Benjamin Grams' Auftritte in der TV-Show »Ninja Warrior Germany« ansieht, könnte meinen, das Video läuft in doppelter Geschwindigkeit. So blitzschnell stürmt der Reutlinger durch den Hindernis-Parcours. Kommentator Frank Buschmann bezeichnet den 31-Jährigen, der seit der ersten Staffel 2016 regelmäßig dabei ist, als »unmenschlich«. Bei seinen sieben Teilnahmen erreichte Grams bis auf eine Ausnahme immer das Finale. 2018 schnupperte er am Sieg und belegte schließlich den dritten Platz. Trotzdem war er überrascht, dass er dieses Jahr für eine Art Ninja-Nationalmannschaft nominiert wurde.

Benjamin Grams' Fähigkeiten gefragt beim Weltcup in Japan

»Es gibt mittlerweile so viele Top-Athleten«, erklärt Grams. Deshalb war die Nominierung eine »riesige Ehre für mich«. Im Juni reiste er mit vier weiteren deutschen »Ninjas« zum ersten Weltcup nach Japan – dem Mutterland des Show-Konzepts. »Die Spannung und der Nervenkitzel waren unbeschreiblich«, erzählt er, besonders, weil er die besten Athleten aus anderen Ländern kennenlernen durfte. Der Wettbewerb, der am Freitag um 23:15 Uhr auf RTL ausgestrahlt wird, unterscheidet sich deutlich von der deutschen Version. »In der Vorrunde ging es viel mehr um Laufen und Springen, während es bei uns mehr ums Hangeln geht.« Das sei wohl auch ein Grund für seine Nominierung gewesen.

Denn Laufen und Springen sind sein Job. Grams arbeitet als professioneller Parkour-Athlet. Diese Sportart dreht sich darum, Hindernisse wie Geländer, Treppen, Mauern und Häuser ohne Hilfsmittel zu überwinden. »Ich war schon im Kindergarten überall am Klettern«, erinnert sich Grams, der zunächst in Riederich und ab der vierten Klasse in Sondelfingen aufwuchs. 2006 zeigte ihm ein Klassenkamerad während einer Pause Videos der damals noch recht unbekannten Trendsportart. Grams war sofort fasziniert. »Seitdem gab es keinen Tag mehr ohne Training«, sagt er. Schnell entwickelte er sich weiter und meisterte anspruchsvollere Sprünge, etwa an den Graffiti-Wänden der Reutlinger Pomologie oder bei der Volksbank. »Ich habe dort viel Schweiß und Blut gelassen.«

Anfangs dachte Grams nicht daran, mit Parkour Geld zu verdienen. »Ich hatte nur mein Training im Kopf.« Seine Eltern hatten nichts dagegen. Selbst dann, als er nach der Mittleren Reife noch keinen Plan für sein Berufsleben hatte. »Sie waren einfach froh, dass ich draußen aktiv war und nicht vor dem PC saß«, erzählt Grams lachend. Für ihn fühlte sich das Training wie ein großes Spiel an. Nach seinem Schulabschluss verließen Grams und seine Familie Reutlingen. Der talentierte Sportler vernetzte sich mit Gleichgesinnten und fand seinen Platz in der Parkour-Szene. Erste bezahlte Auftritte folgten, etwa bei Events und Messen. Seit 2012 verdient Grams seinen Lebensunterhalt mit Shows.

Doch die Corona-Pandemie brachte seine Karriere vorübergehend zum Erliegen. »Ich war pleite«, gibt Grams zu. Statt aufzugeben, nutzte er die Zeit, um kreativ zu werden. Er produzierte eigene Videos und Tutorials, startete einen Podcast und baute seine Präsenz in den sozialen Medien aus. Das zahlte sich aus: Marken buchten ihn zunehmend als Sportmodell, und er wurde als Darsteller für Werbe- und Filmprojekte engagiert.

Deutscher Meister und Europameister im Fangen

»Ninja Warrior Germany« half Grams, der seit 2019 in Berlin lebt, sich auch im TV-Bereich zu etablieren. »Die Show hat mich in meiner persönlichen Entwicklung weitergebracht und mir viele Türen geöffnet.« 2021 trat er bei »Catch! Die Deutsche Meisterschaft im Fangen« auf Sat.1 an und gewann mit seinem Team. Auch bei der Europameisterschaft ging er als Sieger hervor. Anfang des Jahres war Grams zudem beim »RTL Turmspringen« zu sehen.

Mit »Ninja Warrior« verbindet Grams eine »Hass-Liebe«. »Ich mag den Wettkampfdruck eigentlich gar nicht. Da kann bei mir schnell der Spaß verloren gehen.« Zweimal verzichtete er deshalb auf eine Teilnahme. »Wenn es mir aber gelingt, den Kopf auszuschalten, macht es mir unglaublich viel Spaß.« Die Parcours sind für ihn ein »Riesen-Abenteuerspielplatz«, wie es ihn auf der Straße nicht gibt. »Es gibt jedes Mal Überraschungen, sodass es nie langweilig wird.«

Benjamin Grams am Freitag bei »Ninja Warrior Germany«

»Ninja Warrior Germany« ist die deutsche Adaption der japanischen Spielshow »Sasuke« und wird seit 2016 vom TV-Sender RTL ausgestrahlt. Die Kandidaten müssen in möglichst kurzer Zeit verschiedene Hindernisparcours überwinden. In der neunten Staffel, die ab dem 18. Oktober immer freitags um 20:15 Uhr läuft, ist auch Benjamin Grams aus Reutlingen dabei. Die Staffel besteht aus sechs Vorrunden, zwei Halbfinals und zwei Finalfolgen. Die Teilnehmer, die in einem Parcours am weitesten kommen, qualifizieren sich für die nächste Runde. Wer im Finale alle Hindernisse meistert und als Schnellster den »Mount Midoriyama« bezwingt, wird mit dem Titel »Ninja Warrior« sowie einer Siegprämie von 300.000 Euro belohnt. Dies gelang bisher nur René Casselly, einem Zirkus-Artisten, im Jahr 2021. Schafft es niemand, den Final-Parcours vollständig zu absolvieren, erhalten die besten Kandidaten – eine Frau und ein Mann – jeweils eine Prämie von 25.000 Euro. (GEA)

Das sportliche Niveau steigt jedes Jahr, hat Grams festgestellt. »Hindernisse wie die ‚Himmelsleiter‘, die früher erst im Finale kamen, sind jetzt schon in der Vorrunde Standard.« Mittlerweile gibt es Athleten, die sich ausschließlich auf den Ninja-Sport konzentrieren und ein eigenes Wettkampfsystem aufgebaut haben. »Von der jungen Generation haben mich schon einige überholt«, gibt Grams zu. Dennoch will er nicht verbissen um Anschluss kämpfen und etwa sein Training ausschließlich auf den Show-Wettkampf ausrichten. »Ich muss nicht um jeden Preis präsent sein. Bei mir stehen Spaß und Gesundheit im Vordergrund.« Neben Parkour betreibt er auch Klettern, Wandern und Triathlon. Und: »Mit meiner Erfahrung kann ich einiges wettmachen.«

Diese Erfahrung gibt Grams gerne weiter. In seinen sozialen Medien und in seinem kürzlich erschienenen Buch »Train like a Ninja« gibt er Tipps und Tricks, wie jeder zum Ninja werden kann. Hat er keine Angst, sich selbst Konkurrenz zu machen? »Für mich würde keine Welt zusammenbrechen, wenn ich irgendwann nicht mehr dabei bin.« Trotzdem würde er sich freuen, das nächste Mal wieder für die Ninja-Nationalmannschaft nominiert zu werden. (GEA)