REUTLINGEN. Genau ein Jahr liegt Wilhelm Königs Ankündigung zurück, in diesem Frühjahr den Vorsitz der 1978 von ihm gegründeten »Mundartgesellschaft Württemberg« in jüngere Hände abzugeben und somit auch keine Reutlinger Mundart-Wochen mehr zu veranstalten. Die lockten bereits 1976 zum ersten Mal ein dialektbegeistertes Publikum in den Spitalhof und seither alljährlich zu Autorenlesungen sowie Auftritten von Liedermachern und Kabarettisten unterschiedlichster Sprachausprägung, fast immer im Foyer der Reutlinger Volksbank.
Von Anfang an war »Wein & Wort« fester Bestandteil der Veranstaltungsreihe, ein Abend, der eine – stets württembergische – Weinprobe mit schwäbisch geprägter Musik und Königs eigenen Gedichten zum Rundum-Vergnügen verbindet und von einem treuen Stammpublikum hoch geschätzt wird.
Ohne Zwang
Deshalb soll es »Wein & Wort« auch weiterhin geben. König, der im Juni 89 Jahre alt wird, hat die Mundart-Wochen einfach in Mundart-Momente umbenannt und umgeht damit den Zwang, Jahr für Jahr eine ganze Reihe auf die Beine zu stellen. Stattdessen werden in unregelmäßiger Folge kleine, feine Einzelveranstaltungen angeboten, so wie die neueste Auflage von »Wein & Wort« am vergangenen Samstag.
Eingeladen war das Weingut Wöhrwag aus Untertürkheim, das vor bald fünfzig Jahren schon bei der Premiere dabei war. Seither habe er immer wieder versucht, Wöhrwag nach Reutlingen zu holen, erzählt König, »aber i hon se ums Verrecka nemme kriagt.« Diesmal hat’s geklappt, zusammen mit dem Weingut Idler aus Strümpfelbach – eine reizvolle Kombination, denn Marcel Idler absolvierte einst seine Ausbildung bei Wöhrwag, bevor er Weinbau studierte und 2012 sein eigenes Weingut im Remstal gründete.
»Wir wollen vor allem junge Winzer vorstellen«, erklärt Bernhard Hüger von der Sondelfinger Firma Getränke Fro, der zusammen mit Wilhelm König Jahr für Jahr zwei Weingüter auswählt. »Die haben neue Ideen und einen hohen Qualitätsanspruch.« Und so kamen die achtzig Gäste an den acht großen runden Tischen – kein Platz blieb leer – in den Genuss von vier Probierrunden mit je einem Wöhrwag- und einem Idler-Erzeugnis.
Von der frischen weißen Cuvée bis zum gehaltvollen, würzigen Zweigelt reichte das Spektrum im Lauf des Abends, Runde für Runde kenntnisreich vorgestellt von Wöhrwag-Kellermeister Jakob Bittner und Winzer Marcel Idler. Dazwischen las der aus Kappishäusern stammende, seit vielen Jahren in Reutlingen lebende König eigene Gedichte und Betrachtungen, von heiter bis nachdenklich und durchweg auf Schwäbisch, versteht sich.
Den musikalischen Part bestritten Günther Wölfle und Dieter Hildenbrand vom Fuß der Teck, einer aus Kirchheim, der andere aus Dettingen. Köstlich, wie Wölfle mit Gitarre und Mundharmonika bekannte Songs der Beatles oder Stones mit schwäbischen Texten versieht, von Hildenbrand kongenial am Kontrabass begleitet. »Yesterday« wird so zu »Jeschderdeh, an meim Fahrrad isch der Drebbel heh«, und »Angie« wandelt sich zur »Marie« – schwäbisch auf der ersten Silbe betont. Aber auch »Dr Gsangverei« von Sebastian Blau wurde musikalisch dargeboten oder eigene Werke, wie das Kellerlied, das beim schwabentypischen Moschd beginnt und unverhofft beim in Schduagert versenkten Bahnhof landet.
Wilhelm König und Ehefrau Manuela bedankten sich am Ende bei allen Beteiligten, die Gäste applaudierten begeistert. Anfang Mai findet die Mitgliederversammlung der Mundartgesellschaft statt, auf der Königs Nachfolgerin gewählt werden soll. Dem Vernehmen nach war die Kandidatin am Samstagabend anwesend. Ihr Name wird erst nach der Wahl verraten, aber der Fortbestand von Königs Werk ist offenbar gesichert. (GEA)