Logo
Aktuell Städtebauförderung

Schmuckstücke aus Bruchbuden in der Altstadt

REUTLINGEN. Dass der Samstag kein guter Tag für harte Kost ist, mussten die Oberbürgermeisterin und ihre Kollegen aus der Verwaltung erfahren. Sie hatten wie 570 andere deutsche Städte zum »Altstadtspaziergang« eingeladen, doch die Spaziergänger ließen sich an einer Hand abzählen.

Unsichtbares Kleinod: Stadtverwaltung und einige wenige Gäste besichtigten ein saniertes Haus in der Rebentalstraße.  FOTO: TRIN
Unsichtbares Kleinod: Stadtverwaltung und einige wenige Gäste besichtigten ein saniertes Haus in der Rebentalstraße. Foto: Gerlinde Trinkhaus
Unsichtbares Kleinod: Stadtverwaltung und einige wenige Gäste besichtigten ein saniertes Haus in der Rebentalstraße.
Foto: Gerlinde Trinkhaus
Und so schlenderte die Riege der Amtsleiter und Bürgermeister allein durch die Gassen, hohen Besuch in Person von Staatssekretär Peter Hofelich aus Göppingen im Schlepptau, der seine zehn- und elfjährigen Töchter Anna-Helena und Sophie Emilia mitgebracht hatte und auch bald wieder gehen musste.

Dabei hätte sich eine Teilnahme gelohnt, denn Oberbürgermeisterin Barbara Bosch führte durch versteckte Winkel der Altstadt, die man so noch nicht gesehen hat. Um sie zu Schmuckstücken zu machen, haben die Reutlinger einiges geleistet: Sie investierten in den vergangenen zehn Jahren privat 110 Millionen Euro in das Sanierungsgebiet Altstadt, unterstützt durch 13,2 Millionen Euro aus dem öffentlichen Topf der Städtebauförderung. Für Bosch ein Erfolg: Ein investierter Euro löst das Zehnfache an privaten Investitionen aus – deutlich mehr als im deutschen Durchschnitt.

»Mit diesem Geld praktizieren wir Wirtschaftsförderung«
Doch es gibt noch einiges zu tun, wie der Rundgang zeigte: Manch’ altes Haus an exponierter Stelle wartet auf eine lohnenswerte Sanierung. Die Altstadt soll deshalb als Sanierungsgebiet weitergeführt werden – mit den bekannten Vergünstigungen. »Mit diesem Geld praktizieren wir Wirtschaftsförderung«, sagte Barbara Bosch und meinte die Aufträge an örtliche Handwerker, Baufirmen und Architekten, die dadurch in Gang kommen. Staatssekretär Hofelich sprach von der »Hebelwirkung des Städtebauprogramms«.

Es waren viele kleine Projekte, die links und rechts des Spaziergangs zu besichtigen waren. So ein Ensemble in der Nürtingerhofstraße 13 bis 17, das die Unternehmensgruppe Akabus sanierte. Geschäftsführer Ditmar Olszewski zeigte sechs Gebäude, die sein Unternehmen im Umfeld modernisiert hatte. Die denkmalgeschützten Häuser wurden zwischen 1750 und 1780 gebaut. 30 Mietwohnungen wurden geschaffen und mit dem Nahwärmenetz eines Blockheizkraftwerks in der Nürtingerhofstraße gekoppelt. Olszewski präsentierte eine ehemalige Kunstschmiede, die heute ein hochwertiges 120-Quadratmeter-Loft beherbergt.

Vieles musste als Denkmal in seinem bisherigen Erscheinungsbild bleiben, bei einigem konnten die Sanierer mit moderner Architektur Kontrapunkte setzen. Offenbar sehr zum Erstaunen mancher Bauherren: »Oftmals sind sie nicht in der Lage, sich vorzustellen, was man aus dem alten Gebäude machen kann.«

In der Nürtingerhofstraße gelang dem Unternehmen, mehr oder weniger stark heruntergekommene Häuser in modernen Wohnraum mit hohem Nutzwert zu verwandeln.

Viele gelungene Sanierungen sind bekannt, etwa das Ackerbürgerhaus in der Spendhausstraße 5 gegenüber der Volkshochschule, dem sich die GWG angenommen hatte. Der Spaziergang führte auch dort vorbei und hinein. Das 1558 errichtete Gebäude gehört zu den wenigen Bauten, die den großen Stadtbrand von 1726 überlebt hatten. Erste Untersuchungen ergaben 2009, dass es mit der Standsicherheit des Hauses nicht mehr weit her war. Nachdem ein statisches Sanierungskonzept entwickelt und umgesetzt worden war, konnte mit den eigentlichen Arbeiten auf geschichtsträchtigem Boden begonnen werden. Highlight unter den Grabungsfunden aus der Zeit des Hausbaus war ein um 1500 entstandenes Tonmodel. Es zeigt die künstlerisch hochwertige Darstellung eines dornengekrönten Christushauptes.

»Plattform für die Verwaltung und ihre Partner«
Ein erstaunliches Beispiel der Altstadtsanierung sah Bürgermeister Alexander Kreher in jenem Spielplatz in der Nürtingerhofstraße, der vor einem Jahr eingeweiht wurde: »Ein Paradebeispiel für Bürgerbeteiligung«. Ursprünglich Klostergarten, 1969 als Spielplatz bereits angelegt, führte er ein Schattendasein – bis zur Neukonzeption. Weitere Stationen des Rundgangs waren die Rebentalstraße 9, die Deckerstraße 4, der Weibermarkt, die Pfäfflinshofstraße 1 und schließlich der Bürgerpark.

Mehr als 100 Städte in Baden-Württemberg hatten am »Tag der Städtebauförderung« teilgenommen. Für Reutlingen, sagte Kreher, sei es »überhaupt keine Frage« gewesen, mitzumachen. Er sah in dem Tag eine »Plattform für die Verwaltung und deren Partner«. (GEA)