Die Pfäfflins
Im Jahr 1651 wird der ehemalige Rittmeister Johann Caspar Pfäfflin als Eigentümer des aus mehreren Gebäuden bestehenden Anwesens genannt. Nach dieser Familie, aus der auch ein Reutlinger Bürgermeister hervorging, wird das Areal Hofstattstraße 24 auch »Pfäfflinshof« und im 19. Jahrhundert die ganze angrenzende Straße benannt.Im Jahr 1810 erwarb Johann Jakob Schill, Obermeister der Gerberzunft und Senator in Reutlingen, das Areal. Laut alter Adressbücher und anderer Quellen war auf dem Grundstück um 1859 die Werkstatt des Rothgerbers Schill, ab 1876 wieder eine Lederfabrik. 1909 gab es dort sogar zwei Betriebe, eine Lederfabrik und eine Treibriemenfabrik. Seit dieser Zeit wechselten sich die Geschäfte in bunter Reihenfolge ab: Eine Einkaufsgenossenschaft für das Schuhmacherhandwerk residierte dort, ein »Rohproduktenhandel«, ein Sparofenwerk, ein Papiergroßhandel.
Diskothek im Keller
Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieb die Eigentümerfamilie Göppinger dort eine Steppdecken- und Daunenfabrik, die ab 1961 von Josef Schmid weitergeführt wurde. 1967 wird die Strickwarenfabrik Flad genannt und ab 1974 das Möbelgeschäft Bechtle. Die Eigentümer eröffneten im Keller des Hauptgebäudes zusätzlich eine Diskothek mit dem Namen »Sound-Club«, 1966 in »Route 66« umbenannt. Nach dem Möbelhaus kamen noch ein Sportgeschäft und ein Reisebüro. Um 2009 verkauften die Bechtles an die Stadt, 2012 erwarb dann »Akabus« das Areal und begann umgehend mit der Sanierung.Im Hauptgebäude an der Hofstattstraße gibt es nach den bauhistorischen Untersuchungen einiges an Bausubstanz aus dem Jahr 1431. Für den Ausbau des dritten Geschosses wurde Ende des 18. Jahrhunderts zwar die Traufe angehoben, Teile des alten Dachstuhls blieben dabei allerdings erhalten. Zwischen 1871 und 1892 wurde das Gebäude im hinteren Bereich durch einen Backsteinanbau um etwa drei Meter verlängert.
Fast fertig
Im Hauptgebäude sind die Sanierungsarbeiten schon weit fortgeschritten. Neben dem alten Fachwerk, das teilweise sichtbar ist, blieben auch Treppen- und Treppengeländer sowie der gemusterte Steinboden der Eingangshalle und der Flure aus dem 19. Jahrhundert erhalten. Und im ersten Obergeschoss wurden Reste einer sogenannten Bohlenstube gerettet, die dem Leiter des Tübinger Landesdenkmalamts, Günter Kolb, besonders am Herzen liegt.Als Bohlenstube werden Räume bezeichnet, die besonders aufwendig gestaltet waren. Wände und Decken bestanden vollständig aus dem teuren Baumaterial Eichenholz, das eine gute Isolierung bot. Dazu gab es auch einen Ofen. Über Kamin und Schornstein hat das Gebäude in den ersten Jahrhunderten übrigens nicht verfügt: Der Rauch musste durch das gesamte Haus abziehen, das Gebäude an der heutigen Hofstattstraße war – durchaus üblich im späten Mittelalter und Renaissance – ein sogenanntes »Rauchhaus«.
Die Wandtäfelung der Bohlenstube ist nicht mehr erhalten, unter den neuen Isolierfenstern befinden sich noch als letzter Rest der Wandtäfelung sogenannte Lamperien. Boden und Decke sind noch vorhanden, der Boden ist allerdings nicht mehr sichtbar, er liegt unter dem Parkett. Die Bohlenbretter der Decke liegen frei. Und ein weiteres Detail: In dieser Wohnung im ersten Stock führt die alte, aber gerichtete Zimmertür aus dem 19. Jahrhundert in eine moderne Küche.
Bemerkenswert noch ein Detail aus der Wohnung gegenüber: Im Vorraum zu einem durchaus »stylischen« Bad steht frei im Raum ein durch den Rauch der Jahrhunderte geschwärzter massiver Pfosten, der auch heute noch tragende Funktion hat.
Freiliegendes Fachwerk
Noch nicht so weit ist »Akabus« mit den beiden anderen Gebäuden auf dem Gelände. In der quer zur Pfäfflinhofstraße stehenden ehemaligen Scheune, die in den vergangenen Jahrhunderten ebenfalls verschiedensten Nutzungen unterworfen war, laufen die Sanierungsarbeiten, das Fachwerk aus dem 15. Jahrhundert liegt frei, in den Wänden sind die alten Verfachungen zu erkennen, die – so weit dies möglich ist – ebenfalls erhalten werden sollen. Wesentlich jünger ist der Bau, der längs zur Pfäfflinhofstraße steht. Nach den Feststellungen von Kolb ist er ein typischer Gewerbebau aus dem 19. Jahrhundert. Auch dort sind die Handwerker am Werk.In zwei Bauabschnitten sollen nach den Worten von Akabus-Geschäftsführer Ditmar Olszewski 22 Wohnungen, inklusive Lofts in den alten Shedhallen, dazu eine Garage mit fünf Stellplätzen und ein kleiner Garten entstehen. Die würden durchwegs von Kapitalanlegern erworben. Und daran gebe es keinen Mangel, sagt der »Akabus«-Vertreter. »Die Wohnungen sind in sechs bis acht Wochen verkauft«, meint er. Gerade in einer solchen Lage sei der Markt vorhanden und wegen der langfristigen Vermögensanlage auch interessant.
Baubürgermeisterin Ulrike Hotz unterstrich, dass man für ein solches Bauvorhaben kundige Investoren brauche, die in enger Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt sanieren. »Das ist immer ein Abenteuer«, meinte sie. Da fügt es sich doch gut, dass »Akabus« mittlerweile auch die angrenzenden Häuser Pfäfflinhofstraße 1 und 3 erworben hat. Diese Häuser sind noch älter als die Hofstatt. Untersuchungen haben ergeben, dass die Balken aus dem Jahr 1340 stammen. Dieses Projekt wird Olszewski im nächsten Jahr angehen. (GEA)