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Aktuell Pomologie

Reutlinger wehren sich gegen Funkmast auf dem IHK-Dach

Drei Masten, die jeweils 12 Meter hoch sind, sollen auf dem Dach der IHK stehen. 40 Anlieger hat die Stadt über das Vorhaben informiert. Rund die Hälfte hat Einwände erhoben.

FOTO: MEYER Foto: Jürgen Meyer
FOTO: MEYER
Foto: Jürgen Meyer

REUTLINGEN. Die »Bürgerinitiative Funkmast Hindenburgstraße 54« weitet ihre Forderungen aus. Die 20 Aktiven um die Initiatoren Jens Krickhahn und Alec Reiff protestieren nun nicht nur gegen die geplante Funkübertragungsstelle mit drei Masten á zwölf Metern Höhe auf dem Dach des neuen IHK-Gebäudes (der GEA berichtete). Sie möchte auch erreichen, dass generell in Reutlinger Wohngebieten keine Sendeanlagen errichtet werden. Stattdessen soll die Verwaltung neutrale Sachverständige mögliche Ersatzstandorte prüfen lassen und »eine grundlegende Alternativkonzeption für Funkmaststandorte«, in denen das Wohnen dominiert, erarbeiten.

Abseits von Industrie- und Handelskammer (IHK) und Handwerkskammer handle es sich beim aktuell avisierten Standort um ein reines Wohngebiet, argumentiert die BI – mit vier Schulen, fünf Kindergärten und zwei gut frequentierten Spielplätzen in unmittelbarer Nähe.

Erfolgreich protestiert

Bereits auf dem Dach des alten IHK-Gebäudes hatte ein Funkmast gestanden. Mit dem Abriss flammte Protest auf: Anwohner wehrten sich erfolgreich gegen den Standort Maximilianstraße, den die Deutsche Funkturm GmbH zunächst auserkoren hatte.

Nun machen Bürger gegen das IHK-Dach mobil. Flugblätter, eine Online-Petition, eine Unterschriften-Aktion auf der Garden Life: Die Resonanz sei groß, berichtet Jens Krickhahn. Familien wollten sich auch rechtlich wehren. Mittlerweile gebe es auch »Zuspruch« aus dem Kammweggebiet. Die Aktiven setzten sich auch dafür ein, dass die Mobilfunkversorgung generell »emmissionsärmer« bewerkstelligt werde. Vorbild: die nordischen Länder, in denen nur ein Infrastrukturanbieter tätig sei.

40 Anlieger hat die Stadt informiert. Rund die Hälfte hat Einwände erhoben, berichteten Ottmar Hahr, der Leiter des Bürgerbüros Bauen, und der zuständige Sachverständige im Rathaus, Robin Lohmiller, bei einem Pressetermin. Die Stadt bevorzugt das IHK-Dach. Im Rathaus hatte man das Projekt Maximilianstraße von Anbeginn kritisch gesehen und deshalb die Einigung mit der Deutschen Funkturm ausgehandelt. Der Bauantrag für die Maximilianstraße ruht aktuell. Wird der Anbieter zu sehr geärgert, könnte er das alte Projekt reanimieren: Einen 27-Meter-Mast mitten im Wohngebiet, der gut sieben Meter vom nächsten Wohnhaus aus sendet. Variante: eine kleine – verfahrensfreie Anlage – auf dem Umspanngebäude des Areals, das der Funkturm gehört.

Auf dem IHK-Dach beträgt der Abstand zum nächsten Wohnhaus 40 Meter. 15 Meter sind mutmaßlich ausreichend, um mit der projektierten Anlage die Grenzwerte einzuhalten. Dass dies im Umkehrschluss auch heißt, dass der Standort Pomologie Potenzial für mehr birgt, kommentierte Hahr nicht.

Aufs zentrale Papier für die Erteilung der Baugenehmigung wartet man noch: die Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur, die bestätigt, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Im Hinblick auf die Vorwürfe der BI, dass die neue Anlage die Bewohner einer höheren Belastung aussetze, äußert man sich nicht im Rathaus. Unzutreffend sei, dass der Mast mehr Anbieter beheimaten soll: Deutsche Telekom, Vodafone und O2 Telefónica sind bereits vertreten. Wenn die Anlage in Betrieb ist, soll die Belastung von einem unabhängigen Gutachter gemessen werden, versprach Ottmar Hahr. Vor der baurechtlichen Genehmigung soll das Thema öffentlich im Ausschuss behandelt werden. Der Amtsleiter wundert sich angesichts der regen Smartphone-Nutzung über den Protest. Dass die Verwaltung sich mit dem Thema wieder verstärkt auseinandersetzen muss, zeichnet sich indes ab. Der Ausbau des 5-G-Standards dräut. »Das wird spannend«.

Hausherrin IHK äußert sich zurückhaltend über die neuerlichen Kalamitäten: Über die Rechtmäßigkeit des geplanten dreiteiligen Antennenträgers entscheiden Stadt und Bundesnetzagentur, heißt es auf Nachfrage. Beide Institutionen werden dies nach Überzeugung der IHK »auf Basis der geltenden Normen und unter Berücksichtigung der Interessen von Anwohnern und Beschäftigten sowie von gewerblichen und privaten Mobilfunknutzern tun«. (GEA)

HOCHFREQUENTE ELEKTROMAGNETISCHE FELDER

Gesundheitsschädlich oder nicht? Bundesamt für Strahlenschutz sieht viele »offene Fragen«

Auf der Internetseite des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) finden sich Informationen über »mögliche gesundheitliche Wirkungen hochfrequenter Felder beim Menschen«. Nach Einschätzung der IARC (die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO) gibt es »begrenzte Hinweise auf eine krebserregende Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf den Menschen«, schreibt das Bundesamt.

Das BfS habe jedoch eigene Studien initiiert, die dieses Ergebnis nicht bestätigten: Nach dem wissenschaftlichen Kenntnisstand seien "keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch hochfrequente Felder aus dem Mobilfunk zu erwarten sind, wenn die Grenzwerte eingehalten werden». Bis zur endgültigen Klärung der offenen Fragen fordert das Bundesamt für Strahlenschutz weiterhin neben den bestehenden Vorschriften zur Gefahrenabwehr eine «vorsorgliche Verringerung der individuellen Belastung und eine umfassende Information der Bevölkerung". Welche Auswirkung hat der Ausbau der nächsten Mobilfunkgeneration 5G ? Das Bundesamt geht nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht von negativen gesundheitlichen Auswirkungen aus, sieht aber auch offene Fragen. Da für diesen Bereich bislang "nur wenige Untersuchungsergebnisse" vorlägen, gebe es "Forschungsbedarf", heißt es im Internet. Mit den steigenden Datenübertragungsmengen würden mehr Sendeanlagen benötigt, insbesondere mehr Kleinzellen. Sie werden zwar eine geringere Sendeleistung haben, gleichzeitig aber näher an Orten betrieben werden, an denen sich Menschen aufhalten. In welchem Maße die Bevölkerung der Strahlung ausgesetzt sein wird, könne noch nicht abgeschätzt werden, heißt es. (bfs/GEA)

www.bfs.de