REUTLINGEN. Wenn Gäste einen Tisch reservieren, dann aber einfach nicht kommen, ist das für Gastronomen bitter. Unentschuldigt fehlende Kundschaft bedeutet einen finanziellen Verlust. Da scheint der Gedanke naheliegend zu sein, solche »No-Shows« mit einer Gebühr zur Kasse zu bitten. Wie Reutlinger Gastgeber mit dem Problem umgehen zeigt, dass es für sie eine Gratwanderung ist.
»Wenn man eine No-Show-Gebühr verlangt, besteht das Risiko, dass man den Gast nie wieder sieht«, sagt Uwe Grauer. Unter dem Dach seines Unternehmens UG Gastro Holding GmbH finden sich mehrere Etablissements wie das Café und Bistro »Alexandre«, die italienische Pizzeria »Sale e Pane«, das mexikanische Restaurant »Mezcalitos« sowie der Catering-Service Gastwerk. Grauers Betriebe bitten unentschuldigt fernbleibende Gäste nicht zur Kasse, obwohl es sich um »ein Riesenproblem« handele. Allerdings bewegen den Firmenchef »abartige Kosten« aktuell dann doch erheblich mehr.
Ähnlich äußert sich der Juniorchef einer stadtbekannten Genussmanufaktur. »Reservierungen bei Veranstaltungen funktionieren bei uns nur mit Vorkasse«, erklärt Paul Sommer vom seit mehreren Generationen im Familienbesitz geführten Café Konditorei Sommer. Das sei nicht immer so gewesen. Bis vor rund zwei Jahren habe man bedauernd bei manchen Events wie dem Valentinsdinner oder Muttertagsmenü auf zwar reservierte, aber eben leere Plätze blicken müssen. »Vor allem, wenn die Veranstaltung ausgebucht gewesen ist, war das natürlich sehr schlecht«, so Sommer. Neben dem entgangenen Umsatz musste teilweise auch Gästen abgesagt werden, die gerne dabei gewesen wären. Vorkasse senke zumindest das Kostenrisiko. Allerdings, so Paul Sommer, »machen wir das nur bei Menü-Abenden und nicht im normalen Tagesgeschäft«.
»Reservierungen bei Veranstaltungen nur mit Vorkasse«
Eine zuckersüße Ausnahme seien Bestellungen von persönlichen Kreationen wie Geburtstagstorten, bei denen die Konditoren zumindest eine Anzahlung fordern. In diesem Zusammenhang kommt Paul Sommer dann auch auf erheblich größere Herausforderungen für den Betrieb zu sprechen: »Kuvertüre ist gerade 20 Prozent teurer geworden. Mich bewegen steigende Rohstoffkosten, Energiekosten und Personalkosten«. Diese Belastungen ließen sich kaum vollständig über den Verkaufspreis kompensieren. Der Gast ist und bleibt vor diesem Hintergrund König, mit dem so freundlich wie möglich umgegangen wird.
Ausfallgebühren sind keine Ausnahme
Außergewöhnlich sind Ausfallgebühren keinesfalls. Je später man storniert, desto höher sind in der Reisebranche oft die anfallenden Stornokosten. Das gilt beispielsweise für Hotelreservierungen und Flugtickets. Das Kleingedruckte aufmerksam zu lesen, ist da besonders wichtig. Mittlerweile sehen sich auch manche Arztpraxen dazu gezwungen, beim Nichterscheinen von Patienten mit finanziellen Konsequenzen zu drohen.
Sieben von zehn Arztpraxen beklagen Probleme mit verpassten Terminen ihrer Patientinnen und Patienten. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, forderte daher bereits im vergangenen Jahr eine Ausfallgebühr für nicht wahrgenommene Termine – und handelte sich damit den Vorwurf der versuchten Abzocke ein. Die Krankenkassen brachten im Gegenzug eine Entschädigung für Patienten ins Gespräch, die lange auf den Kontakt zum Arzt warten müssten.
Laut einer Online-Umfrage der KBV geht es bei rund 44 Prozent der betroffenen Praxen um 5 bis 10 Prozent aller Termine, zu denen Patienten nicht erscheinen. Bei rund 16 Prozent der Praxen ist demnach sogar bis zu einem Fünftel aller Termine betroffen. In manchen Praxen der Region Reutlingen wird zumindest mit einer Ausfallgebühr gedroht.
Stornierungsgebühren können bei Buchungen für die Ferien zu einer Kostenfalle werden. Gerade auf Online-Portalen ist es für Verbraucher oft schwer zu durchschauen, welche Bedingungen jetzt für ihre Reservierung gelten. Manche Anbieter treten nur als Vermittler auf, etwa wenn es um Ferienwohnungen geht. Der eigentliche Vertragspartner ist dann jemand anders. Bei Hotels gibt es eine Vielzahl von Tarifen, bei denen meistens die günstigeren Raten an entsprechend restriktive Bedingungen geknüpft sind.
Ein Haken können bei Frühbuchungen aber Befristungen sein. So erlauben die Tarife teils eine kostenlose Stornierung nur bis zwei Wochen vor Reisebeginn, manchmal auch länger. Diese »Lücke« zwischen Ablauffrist der Flex-Tarife und dem Reisebeginn lässt sich mit einer Reiserücktrittsversicherung zumindest teilweise schließen. Diese kann einspringen, und die dann anfallenden Stornogebühren tragen.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen widmet im Internet dem Thema »Reise« einen eigenen Menüpunkt mit vielen geldwerten Hinweisen. (dpa/zen)
»Wir machen das nicht«, erklärt Sabine Contino als Junior-Chefin des italienischen Ristorante »Da Nico« auf die Frage nach einer No-Show-Gebühr. »Natürlich ist das ärgerlich – aber es ist nicht so häufig«, ergänzt sie noch. Schon lange werde aber bei besonderen Anlässen wie Weihnachten oder Silvester, wenn die Familie ihre Leidenschaft für gutes italienisches Essen mit besonderen Menüs auslebt, »nur gegen Vorkasse reserviert«.
»Bei größeren Tischbestellungen rufen wir nochmals an«
Eine andere Strategie gegen Verluste durch trotz Anmeldung wegbleibende Gäste hat Michael Mylonas entwickelt. »Ab 20 Uhr nehmen wir keine Reservierungen mehr an, damit wir die Chance haben, nicht reservierte Tische frei zu vergeben«, erklärt der Betreiber von »Alte Bank«, »Billy Bobs« und »Nua – Café am Markt«. Grundsätzlich seien »No-Shows« deswegen ein Problem, weil zu den Hauptfrequenzzeiten reserviert werde. Im Café sei das die Frühstückszeit, im Restaurant eher die Stunden des Abendessens. »Dann muss man andere Gäste wegschicken, obwohl die Tische leer sind«, so Mylonas, »oder man hebt die Reservierung zu spät auf, und keiner kommt mehr«. Gelegentlich sei die Zahl fernbleibender Gäste durchaus erheblich. »Es kann schon passieren, dass von 15 Reservierungen zwei bis drei nicht wahrgenommen werden. Bedeutet, das fünf bis sechs Tische unbesetzt bleiben«, verrät der Gastronom. Dennoch gibt’s bei ihm keine No-Show-Gebühr, »denn wenn ich die verlangen würde bin ich sicher, dass der Kunde extrem verärgert wäre«. Stattdessen werde bei Reservierungen neben dem Namen um eine Telefonnummer gebeten. »Bei größeren Tischbestellungen rufen wir am gleichen Tag nochmals an«, so Mylonas.
»Ein kritischer Punkt, da wir Speisen und Getränke einkaufen müssen«
»Wir verlangen eine No-Show-Gebühr, jedoch lediglich bei unseren Hotelzimmern (ab 24 Stunden vorher) sowie bei unseren Veranstaltungen«, erklärt Dominic Dollinger, Geschäftsführer der Achalm Hotel GmbH, »bei Menüs und bei Tischreservierungen in unserem Restaurant fordern wir bisher keine solche Gebühr. Natürlich ist das nach wie vor ein kritischer Punkt, da wir die Speisen und Getränke ja auch kalkulieren und einkaufen müssen, jedoch konnten wir diese bisher immer ganz gut managen und weiter verarbeiten oder verwenden«. Seit der Corona-Pandemie habe das Problem »ein wenig zugenommen, jedoch nicht drastisch und so dass wir sagen könnten, Corona ist der Auslöser. Ich glaube eher generell, dass sich die Einstellung der Gäste dahingehend verändert hat«, meint Dollinger.
Was in der Diskussion über einen Obolus für geplatzte Reservierungen gerne vergessen wird, ist die Frage der Abrechnung. Im Gegensatz zu einer Reisebuchung oder Terminvereinbarung in der Arztpraxis haben Wirte von ihren Gästen meistens nur einen Namen, eventuell noch die Telefonnummer. Wohin sollten Sie die Rechnung schicken? (GEA)