REUTLINGEN. Marco Kaschuba sitzt seelenruhig in der Alten Bank in Reutlingen und genießt seinen Kräutertee. Sollte jedoch irgendwo auf der Welt eine Naturkatastrophe auftreten – was durchaus jeden Moment geschehen kann – wird sich diese stoische Gemütsruhe ruckartig in Hektik wandeln. Dann heißt es: Im Schweinsgalopp zum Flughafen, im besten Fall per Direktflug zum Ort des Geschehens und die Katastrophe dokumentieren. Der Reutlinger ist Wetter-Dokumentarfilmer.
Im Moment wartet der 42-Jährige auf einen Auftrag, der ihn nach Island schickt, denn dort tobt der Fagradalsfjall.
Ein paar Tage zuvor ist er wegen der Überschwemmungen nach Nordrhein-Westfalen gereist. Letztes Jahr war er zweimal in Island. Nach Italien haben ihn Hagelunwetter und Vulkanausbrüche gelockt. In Irland hat er Riesenwellen dokumentiert, in den USA Tornados und Hurrikane gejagt und Rekordhitze in der Wüste ausgehalten.
»Meine Familie ist Nummer eins«
Stets mit dabei – wenn auch nur mental – seine Familie: »Meine Gedanken sind immer bei meiner Frau und meinen zwei Töchtern. Meine Familie ist Nummer eins«, so der Videograph. Das spiegelt sich auch in seinem veränderten Verhalten im Umgang mit Gefahren – wie sie etwa bei Vulkanausbrüchen oder herannahenden Stürmen durchaus drohen – wider: »Früher bin ich noch anders mit gefährlichen Situationen umgegangen – leichtsinniger«, sagt er schmunzelnd.
Töchter verstehen mittlerweile, was sein Beruf ist
Trotz etlicher risikoreicher Erlebnisse überall auf dem Globus bringt seine Familie Verständnis für ihn und sein Schaffen auf: »Natürlich haben sie Angst, aber mittlerweile sind meine Töchter alt genug, um zu verstehen, dass das mein Beruf ist.«
Das Reportieren von (Un-)Wetter ist dabei nicht nur Kaschubas Profession, sondern auch seine grenzenlose Leidenschaft, die schon früh zum Vorschein kam. Schon als Kind beobachtete er mit seinem Großvater aus dem Fenster die Unwetter. Dennoch kam er erst auf Umwegen zu seinem jetzigen Traumberuf als Filmemacher. Zunächst absolvierte er eine Ausbildung zum Fachinformatiker und entschied sich dann doch für einen anderen Lebensweg. Dann absolvierte er ein Meteorologie-Studium in Mississippi in den USA in den 1990ern.
Gut 25 Jahre später leitet er nun seine eigene Film-Agentur mit zwei Mitarbeitern. Neben Reportagen übernimmt Marco Kaschuba auch Beratungstätigkeiten, beispielsweise für Filme, die Wetteraufnahmen zeigen, bei dem Medienimperium »Universal«. Zusätzlich zu diesem weiten Aufgabenspektrum steht er auch als Reporter bei wetter.online vor der Kamera.
Als eben solcher dokumentierte er 2021 den folgenschweren Vulkanausbruch auf La Palma. Ebenfalls in Spanien hielt er die dortige Dürrewelle fest, die für starken Wassermangel sorgte. Für diese Reportage gewann er Ende letzten Jahres zum zweiten Mal beim Wettergipfel, einer wichtigen Preisverleihung für Meteorologen, eine Auszeichnung.
Permanent auf Abruf
Der Preisgewinn mag zwar einen Monat zurückliegen – die Dürre und die Auswirkungen nicht: »Das war echt verrückt, als ich da war. Die Einwohner warteten den ganzen Tag auf den einen Lastwagen voll mit Wasser – das ist auch heute noch so«, sagt er. Solch ein Leid mitzuerleben, sorgte für einen Sinneswandel Kaschubas: »Es war ganz merkwürdig, in Deutschland einfach den Wasserhahn aufzudrehen«, erzählt er.
Sein Nomadenleben ist meist Full-Stress-Reisen: Permanent auf Abruf zu sein und sich an neuen Orte zu bewegen, stellt eine Herausforderung dar: »Manchmal ist es nicht ganz leicht, sich vor Ort zurechtzufinden. Alles muss ganz schnell gehen«, erzählt er. Ein Arbeitstag als Videograph kann sich dann auch gerne mal über 24 Stunden erstrecken. Da bleibt keine Zeit für Cocktails am Hotel-Pool.
Trotz des Stresses wird – da ist sich Marco Kaschuba sicher – seine Faszination fürs Wetter und das Dokumentieren von besonderen Ereignissen bestehen bleiben: »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, etwas anderes zu machen«, sagt der Dokumentarfilmer mit stetem Blick aufs Handy – das an diesem Tag ruhig geblieben ist. (GEA)
Von Vinzenz Kuntze