REUTLINGEN/KUSTERDINGEN. Magdalena Henken-Viereck aus Reutlingen und Franziska Söll aus Kusterdingen sind unter den mehr als 700 Theologinnen und Theologen, die in einer Petition die Migrationspolitik im neuen Grundsatzprogramm der CDU scharf kritisiert haben.
Die katholische Jugendseelsorgerin Henken-Viereck (35) sagte dem GEA, dass »eine Partei, die das C im Namen trägt« es sich nicht so einfach machen solle, Geflüchtete unter den Generalverdacht zu stellen, nicht schutzbedürftig zu sein. »Eine offene Tür für Menschen, die Schutz suchen, ist für mich eine Frage der christlichen Ethik«, so die Pastoralreferentin, die sich um Angebote für Junge Erwachsene und Jugendliche kümmert. Die Bezahlkarte für Flüchtlinge befürwortet sie allerdings. Kritik übt Henken-Viereck auch an der mangelnden Klimapolitik des CDU-Programms: »Ökologie und damit die Bewahrung der Schöpfung ist für mich auch ein christliches Thema.« Als Jugendseelsorgerin habe sie »viel mit jungen Menschen zu tun, die sich Sorgen um ihre Zukunft angesichts der Erderwärmung machen«, sagt Henken-Viereck. Zwar sehe sie bei beiden Themen auch Kritikpunkte bei anderen Parteien, bei der CDU sei jedoch der Aufhänger, dass sich die Partei der »christlichen Politik« verschrieben habe. Die Petition sei unter Theologen beider Konfessionen weitergereicht worden, sagt Henken-Viereck.
Auch die evangelische Vikarin Franziska Söll (29) aus Kusterdingen hat die Petition und den Aufruf unterschrieben. Sie sagte dem GEA, dass sie es wichtig finde, das individuelle Recht auf Asyl beizubehalten. »Die Herangehensweise, Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen, finde ich fragwürdig«, so die Vikarin. »Dass eine Partei, wie die CDU, die sich Familienpolitik auf die Fahnen schreibt, Migrantenfamilien auseinander reißt, das stört mich besonders«, sagt Söll. Sie sehe zwar ähnliche Tendenzen in der Migrationspolitik auch bei anderen Parteien, doch für sie sei es wichtig, als Christin dazu eine klare Haltung zu haben, sagt Söll.
Mehr als 700 Vertreter beider großen Kirchen haben anlässlich des CDU-Parteitags den Migrationskurs der Christdemokraten scharf kritisiert. »Die asylpolitischen Pläne der CDU sind unchristlich«, heißt es mit Bezug auf das zur Abstimmung stehende neue CDU-Grundsatzprogramm in einem gemeinsamen Aufruf. Konkret geht es um die CDU-Forderung, Asylverfahren künftig in sicheren Drittstaaten durchzuführen.
»Das ist gegen jedes Recht – und soll doch Programm der CDU werden«, heißt es in dem Aufruf der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. »Nichts ist unchristlicher als Menschen in Not zurückzulassen und sich der eigenen Verantwortung billig zu entledigen. Nichts ist der Botschaft von Jesus fremder als Nationalismus, ethnische Arroganz und deutsche Leitkulturen. Der Platz von Christinnen und Christen ist an der Seite der Schwachen und Schutzsuchenden.«
Im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm heißt es: »Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren.« Für die Anforderungen an sichere Drittstaaten seien der Kern der Verpflichtungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten maßgeblich. Weiter heißt es im Parteiprogramm: »Beide Konventionen beinhalten nicht das Recht, sich das Land des Schutzes frei auszusuchen, und gewähren keinen Schutzanspruch aufgrund einer wirtschaftlichen Schwäche des Herkunftslandes. Wir wollen Schutzbedürftige durch humanitäre Kontingente aufnehmen.«