REUTLINGEN. Plattgefahrene Tauben, hilflose Tiere, die sich im Netz verheddern, weil sie die alte Heimat nicht aufgeben wollen, entsetzte Taubenfreunde, ein ratloses Rathaus, ein Sabotageakt am Netz: Die Taubenvergrämung unter der Reutlinger Eisenbahnbrücke Unter den Linden beschäftigt seit Monaten Herzen und Hirne, Tierschützer und -freunde, Ämter und Medien.
Mit der Netzanbringung unter der Brücke und einem Alternativangebot für die Tauben auf dem Dach der Briefpost will man die Tiere von den angestammten Plätzen fernhalten (der GEA berichtete mehrfach). Die Vergrämungsaktion schlägt mit rund 80.000 Euro zu Buche.
»Die Tauben lieben den Standort Eisenbahnbrücke«
»Es war ein steiniger Weg«, resümierte Baubürgermeisterin Angela Weiskopf im Bauausschuss am Donnerstagabend. Bei der Suche nach Lösungen halfen Taubenfreunde und Veterinäramt - und eine Stuttgarter Spezialfirma. Und eben deren Kompetenz stellte Tiefbauamtsleiter Frank Bader infrage: »Die Firma hat für die spezielle Arbeit nicht so die Erfahrung wie gewünscht. Das lief nicht optimal.«
Das neue Taubenhaus, ein Container mit Brutboxen, Wasser und Witterungsschutz, müsse nun von den Tieren angenommen werden. Das brauche viel Zeit. »Die Tauben lieben den Standort Eisenbahnbrücke.« Zwang sei zudem nötig durch das Netz - und Werbemaßnahmen: Die übernehmen nun Zuchttauben in einer dem Container vorangestellten Voliere. Sechs Pärchen sind dort angesiedelt worden, die Artgenossen anlocken sollen.
»Die Firma hat für die spezielle Arbeit nicht so die Erfahrung wie gewünscht. «
SPD-Rätin Edeltraut Stiedl berichtete vom Taubenhaus in Orschel-Hagen: Zwei bis drei Jahre habe es gedauert, bis die Tiere das Taubenhaus dort angenommen hätten. Nun sei es »eine Hochburg«.
Wie und wann die Umsiedelung der Citytauben gelingt, wird sich weisen. Dass die Vergrämung ein komplexes Thema ist, darauf hatten Experten des Vogelschutzzentrums Mössingen und des Kreisveterinäramts schon lange hingewiesen. Grundthema dabei auch Überbevölkerung. Die Klimaerwärmung sorgt durch eine verlängerte Brutzeit für stete Zunahme der Stadttaubenpopulation. Spät geschlüpfte Tiere starben früher im Novemberfrost. Heute legen die Vögel wegen der milderen Witterung bis in den frühen Winter Eier, die Jungtiere überleben in vielen Fällen. (GEA)