REUTLINGEN. Mit geplanten 110 Millionen Euro ist die Rathaussanierung die teuerste Einzelinvestition, die die Stadt je getätigt hat. Neue Arbeitskonzepte, neue Raumkonzepte, die weniger Fläche benötigen und mehr Homeoffice: Im Finanzdezernat wurde ein Dreh gefunden, wie die Ertüchtigung des dreiteiligen denkmalgeschützten Komplexes finanziert werden kann.
Vor der Pandemie habe man 100 Telearbeitsplätze gehabt, berichtete Finanzbürgermeister Roland Wintzen am Donnerstagabend im Gemeinderat. Unterdessen seien es mehr als 700 mobile Arbeitsplätze. Der Prozess der Flexibilisierung der Arbeit schreite voran, und man sei in Sachen Digitalisierung schon »relativ weit vorn« im Reutlinger Rathaus.
»60 Prozent der Mitarbeiter freuen sich auf das Sanierungsprojekt«
40 Prozent Homeoffice und Desksharing sind die Eckwerte, mit denen das Finanzierungsmodell gerechnet ist. »Das ist ambitioniert, aber realistisch« laut Wintzen. Durch Neuorganisation und Renovierung werden relevante Sparposten im laufenden Betrieb kreiert: Weniger Fläche und sanierte Substanz sparen Energie und Unterhalt. Zudem senkt der Wegfall von bisher angemieteten Außenstellen Kosten.
Das gesparte Geld soll in Tilgung und Kreditkosten gesteckt werden: Eine »sich selbst tragende Finanzierung« haben die Rathausköpfe ausgetüftelt. Wenn sie funktioniert wie geplant, müsse man nicht auf andere wichtige Vorhaben verzichten.
Das Dezernat ist mit dem Tübinger Regierungspräsidium (RP) im Gespräch. Es sei geklärt, dass die Sanierung eine kommunale Pflichtaufgabe sei. Offensichtlich besteht aber Bereitschaft beim RP, den Reutlingern trotz klammer Kasse im Rahmen des Haushalts höhere Kredite zu genehmigen.
Die Sanierung unter laufendem Betrieb ist eine logistische Herausforderung, für die eigens ein Projektteam gegründet wurde. Rund 860 Mitarbeiter sind betroffen.
Interimslösungen schaffen Platz für die großen Arbeiten. »Viele Umzüge stehen an. Ab Anfang 2026 startet der Erste«, berichtete Gebäudemanagerin Kathrin Berger im Rat: Dann gehen die Mitarbeiter des Gebäudes Marktplatz 22 ins Interim in der Tübinger Straße 74. In drei Chargen wird hin- und hergezogen, bis die Arbeiten, so zumindest der Plan, 2034 abgeschlossen sind.
Die Bestandsuntersuchung ist demnächst abgeschlossen. Bisher hat man laut Berger nichts »Erschreckendes« mehr gefunden. Neben Umbau und Renovierung sind Brandschutz und Schadstoffsanierung – es wurde jede Menge Formaldehyd in Schrankwänden und Akustikdecken entdeckt – große Themen bei der Renovierung. Erste Arbeiten sind bereits begonnen, etwa an Stützenfüßen, Toiletten und Fenstern.
Zu all den Neurungen müsse man die Betroffenen laut Roland Wintzen »mitnehmen«. Hauptamtsleiter Philipp Riethmüller berichtete von einer Mitarbeiterumfrage, bei der 1 100 Beschäftigte angeschrieben wurden. Knapp 400 hätten geantwortet. 60 Prozent »freuen sich« aufs Sanierungsprojekt. 21 Prozent gaben an, »verunsichert« zu sein. (GEA)