REUTLINGEN. Der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor geht weiter nach oben. Deshalb müsse, so Oberbürgermeister Thomas Keck gestern bei der Einweihung der Fußverkehrs- und Radachse in der Planie, "die Verkehrswende "mit großen Schritten angegangen werden".
In Reutlingen sind es bisweilen nur Tippelschritte. Umso erfreulicher, dass der OB das Band zu einer Neuerung durchschneiden konnte, die nicht nur den Radfahrern, sondern auch Fußgängern zugutekommt: an den Übergängen über Kaiser- und Bismarckstraße sind nun Zebrastreifen anstelle von Ampeln. Die Radler auf der Südseite der Allee queren auf einer bevorrechtigten Fahrradstraße.
Die neue Lösung hat zwei Jahre Probezeit. Anregungen und Kritik sind erwünscht
»Ein weiterer Meilenstein in Sachen Radverkehr an einem besonders wichtiger Ort für Reutlingen«, ist laut Keck der »Verkehrsversuch« auf 250 Metern Länge. Er ist zunächst auf zwei Jahre angesetzt. Die Umgestaltung werde, so berichtete Baubürgermeisterin Angela Weiskopf von der jüngsten Bürgerbeteiligung Anfang des Jahres, »als Chance gesehen, den Stadtraum aufzuwerten«. Zugleich erlaube diese Lösung, den Autoverkehr nicht weiter einzuschränken, sondern nur »langsamer und vorsichtiger« zu gestalten. Auch die Stellplätze in der Planie wurden weniger reduziert als zunächst angedacht: Dafür beginnt die Fahrradstraße nach der Einmündung von der Gartenstraße etwas später.
»Die Planie ist ein Aushängeschild dafür, wie die Nutzung des öffentlichen Raumes gut gelingen kann«, befand die Dezernentin. Wo’s klemmt, soll nachjustiert werden. Anregungen sind willkommen. Bequem online können Bürger ab Samstag Kritik und Anregungen loswerden. Eine hatte Edith Willman vom Reutlinger BUND beim Termin gleich parat: Warum stehen keine Stoppschilder an den Kreuzungen zur Fahrradstraße, wollte sie wissen. Ordnungsamtschef Albert Keppler erklärte, dass man diese Option zunächst nicht anwende. Man müsse schauen, wie stark sich die »Bremswirkung« der Achse gestalte. Mit Stauentwicklung rechnet man laut Keppler nicht.
Die Sorge um die Verkehrssicherheit trieb viele Bürger im Vorfeld schon um. Laufen Autofahrer Gefahr, die Neuregelung zu übersehen? Eine Verschwenkung der Fahrspur mithilfe von erhöhten Verkehrsleitinseln vor den – ohnehin bremsenden – Zebrastreifen drückt nun das Tempo. Zusätzlich wurden »Vorfahrt-achten-Schilder« aufgestellt – mit Blinklicht.
Die Hauptradroute 2 nähert sich der Vollendung
Mit der Planie-Achse ist ein weiteres Teilstück der Hauptradroute 2 realisiert, die damit Reutlingens erste ernst zu nehmende Durchgangsroute würde. In aller Stille wurde dieses Jahr die Umgestaltung der Paul-Pfizer-Straße zur Fahrradstraße weitgehend vollendet. So dass nun stressfreies Radeln von der Panoramastraße bis zum Freibad fast durchgängig (und meist auf Fahrradstraßen!) möglich ist.
Im kommenden Jahr soll laut Daniel Scheu von der Task-Force-Radverkehr im Rathaus ein weiteres Kernstück dieser Route angegangen werden: Am Lindachknoten wird eine Fußgängerbrücke über die Echaz konstruiert, was im bestehenden Raum Platz macht für eine akzeptablere Radwegführung.
Im Süden der Stadt soll im kommenden Jahr die Achse Gustav-Schwab-Straße entwickelt werden. Und: 2025 soll das gesamte Reutlinger Radnetz ausgeschildert werden. Einigungsbedarf besteht laut Scheu noch im Hinblick auf die versprochenen Verbesserungen bei der Rathaustiefgarage.
Ein Viertel weniger Verkehr in der Oststadt
Der gestrige Tag war ein guter Tag für die Task-Force Radverkehr und die sie unterstützenden Verbände. Die Planie-Achse ist ein Vorhaben mit langem Vorlauf: In der Bürgerbeteiligung zum Rahmenplan Oststadt kam die Idee 2015 erstmals auf. Zunächst waren aufwendige bauliche Veränderungen vorgesehen. Die Finanzlage der Stadt verschob das Projekt auf bessere Tage. Bis die Idee aufkam, mit weniger Aufwand den gleichen Effekt zu erzielen. 120.000 Euro kostete die Veränderung nun inklusive der Renovierung der Deckschicht.
Ortsumgehung Scheibengipfeltunnel, Parkraumbewirtschaftung, die Fahrradstraße Charlottenstraße: In der Oststadt gedeihen die Früchte der Verkehrsberuhigung: Der Autoverkehr hat in den vergangenen Jahren um 25 Prozent nachgelassen. 85 Prozent davon ist Ziel- und Quellverkehr.
Auch die Planie macht nun Lust auf Radeln: Als prominente Zeugin radelte gestern Ex-Oberbürgermeisterin Barbara Bosch fröhlich winkend durch den Pressetermin. (GEA)