REUTLINGEN. »Piep, piep, piep« tönt es aus dem Schaubrüter im Reutlinger Naturkundemuseums. Die ersten Küken sind geschlüpft. »Sie sind ein bisschen aufgeregt«, bemerkt Diplombiologin Dr. Katja Bader. Im Museum werden traditionell vor Ostern Eier von verschiedenen Haushuhnrassen bebrütet. Die Expertin begleitet das Projekt. In der Ausstellung »Wir brüten was aus« können Besucher den Prozess des Schlüpfens vor Ort mitverfolgen. Die Eier stammen aus dem Erlebnisbauernhof Schwillehof aus Pfullingen.
»Hier richten sie sich aus und bereiten sich auf das Schlüpfen vor«, sagt die Expertin, während sie auf den Schaubrüter zeigt. Dort liegen beim Besuch der GEA-Reporterin rund 40 Eier – und zwei Küken, die vor ein paar Stunden das Licht der Welt erblickt haben. In dem Brutapparat »ist es minimal kühler, weil die Küken mehr Eigenwärme produzieren und die Luftfeuchtigkeit etwas höher als im Vorbrüter ist«, erläutert die Wissenschaftlerin.
Eier werden gedreht
18 Tage lang liegen die Eier im Vorbrüter. Dort werden sie regelmäßig gedreht, damit sich das Innere nicht verklebt und sich das Küken problemlos entwickeln kann. "Das macht die Henne auch, die dreht auch die Eier im Gelege." Ob ein Ei befruchtet ist, ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Am zehnten Tag durchleuchtet Bader die Eier mit einer Speziallampe. Das sei vergleichbar mit einem Ultraschall. "Ich überprüfe, ob sich im Inneren ein Embryo entwickelt oder nicht.
In diesem Frühstadium ist ein kleines schwarzes Wesen zu erkennen und ein paar Blutadern. Wenn das Ei unbefruchtet ist, sehe ich vielleicht noch den Schatten vom Dotter." Das sei dann ein Zeichen, es aus der Schlupfgruppe zu entfernen. "Es ist eine Sache, auf die man keinen Einfluss hat, man kann alles optimieren, aber am Ende des Tages entscheidet die Natur, was passiert", sagt Bader.
»Jede Vogelart hat ihre Eigenart, wie sie brütet. Die einen legen erst alle Eier ab, die anderen warten, bis das Gelege voll ist und legen sich auf alle Eier gleichzeitig drauf«, beschreibt die Vogelexpertin. Dann gibt es Vögel wie die Eule: »Sie legt ein Ei ab und bebrütet es auch gleich. So haben die Tiergeschwister im Nest ein unterschiedliches Alter. Bei den Hühnern ist es anders. Die brüten alle gleichzeitig aus.«
Sonderausstellung
Im Jahr 2000 gab es das erste Kükenausbrüten im Reutlinger Naturkundemuseum. Seit 2012 gibt es eine Begleitausstellung rund ums Thema Eier, Brüten und Kükenentwicklung. Dieses Jahr läuft die Ausstellung mit lebenden Tieren bis zum 7. April. Damit die Personenzahl vor den Arenen beschränkt ist und die Küken keinen Schaden nehmen, sind Gruppen gebeten, ihren Besuch anzumelden. »Uns ist das Tierwohl sehr wichtig«, betont Bader. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 11 bis 17 Uhr, Donnerstag 11 bis19 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 bis 18 Uhr. Am Karfreitag ist das Museum geschlossen. Der Eintritt ist frei. (ifi)
Im Museum läuft alles nach Plan. Die Eierschalen sind mit Buchstaben gekennzeichnet: »Wir legen mehrere Gruppen ein, das hier ist Gruppe A und nach einer Woche kommt schon B. So geht es weiter bis zu Gruppe D, die an Ostern schlüpft.« Was manche nicht wissen: Die Eier sind atmungsaktiv, ansonsten würden die Kükenembryos ersticken. Nährstoffe erhalten sie aus dem Dotter. Es dauert 21 Tage, bis sich ein Küken vollständig entwickelt hat. »Natürlich gibt es auch in der Tierwelt Frühchen und Nachzügler.«
Kurz vor dem Schlupf hört man die Küken im Ei piepsen. Offensichtlich bestehe eine Art Kommunikation zwischen den Geschwistern. »Sie sprechen sich den Schlupf ab«, erklärt Bader. Drei Tage verbringen sie im Schaubrüter. »Diese viereckigen Kästen sind unseren Hennen«, sagt Bader und grinst. »Die Brutapparate sind absolut verlässlich, wir hatten noch nie einen Ausfall, und sie sind schon das elfte Jahr in Betrieb.«
Nächste Station: Laufarena
Die nächste Station für die Küken ist die Laufarena. Sie machen hier alles in Gruppen, schlafen und essen gemeinsam. Ihr Futter ist fein gemahlenes Mehl mit Getreide und verschiedenen Zusätzen. »Wenn sich eins hinlegt, dann kommen die anderen gleich dazu«, berichtet Bader. »Sie wachsen unwahrscheinlich schnell. Nach zwei Wochen haben sie schon ein Federkleid.«
Die Küken seien unkompliziert. »Das Schöne ist, dass man ihnen nichts zeigen muss. Viele denken, dass sie ohne ihre Mutter verhaltensgestört sind, aber das können wir nicht bestätigen. Im Gegenteil: Sie sind sehr entspannt, wenn sie wieder nach zwei Wochen zurück zum Schwillehof können.« Bader betont: »Sie werden hier sehr verhätschelt.« Vor allem Kinder lassen sich für die kleinen Tierchen begeistern. Einmal wollte ein ganz junger Besucher wissen, »ob die Küken batteriebetrieben sind«, erinnert sie sich und lacht. (GEA)