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Reutlinger Luft muss noch besser werden: Aber wie?

Bei Verschärfung der Grenzwerte hätte Reutlingen wieder Probleme mit seinen Stickstoffdioxidwerten an der Messstelle Lederstraße.

Stadt und Land müssen eng zusammenarbeiten, machten Elke Zimmer und OB Thomas Keck (rechts) klar.
Stadt und Land müssen eng zusammenarbeiten, machten Elke Zimmer und Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck (rechts) klar. Foto: STEFFEN SCHANZ
Stadt und Land müssen eng zusammenarbeiten, machten Elke Zimmer und Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck (rechts) klar.
Foto: STEFFEN SCHANZ

REUTLINGEN. Die EU-Kommission will die Richtlinien für Luftschadstoffe verschärfen. Geht die Gesetzesnovelle durch – was absehbar ist – werden ab 2030 die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub halbiert. Während die kleinen Staubpartikel kein Problem darstellen, wären die Reutlinger bei einem Grenzwert von 20 Mikrogramm in Sachen Stickstoffdioxid an ihrer Messstation Lederstraße wieder voll dabei. 27 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ermittelte die Station für 2023 im Jahresmittel.

»Wir haben zusammen mit dem Land viel erreicht«

Luftreinhaltung ist Ländersache. Der Besuch einer Staatssekretärin des Stuttgarter Landesverkehrsministeriums – Elke Zimmer entstieg am Mittwoch zur Mittagszeit dem klimatisierten Ringbus hinein in die Gluthitze des Bürgerparks – hat also durchaus Symbolkraft. Stadt und Land müssen sich ’ranmachen und wollen dabei eng zusammenarbeiten. Das Motto ist schon getextet. Reutlingen wird mal wieder Exempel, diesmal »Modellstadt Luftreinhaltung 2030«.

Erst seit 2020 werden die relevanten Schadstoffgrenzwerte an der Lederstraße eingehalten, nach großen Anstrengungen und noch mehr Diskussionen.

»Wir haben zusammen mit dem Land viel erreicht«, befand Oberbürgermeister Thomas Keck, und auch Elke Zimmer lobte die gut eingespielte jahrelange Zusammenarbeit: »Mobilitätswende und Luftreinhaltung schaffen wir nur gemeinsam.« So muss man sich nun nicht erst lang beschnuppern – dafür ist bei der Maßgabe 7 Mikrogramm Stickstoffdioxid-Reduktion in fünfeinhalb Jahren auch keine Zeit.

Zimmer und Keck zeigten sich in der Pressekonferenz hoffnungsvoll. »Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen«, so die Landesvertreterin. Und wie soll das gehen? Das muss jetzt zunächst ermittelt werden. »Wir haben keinen Plan in der Schublade.«

In jedem Fall soll es einen weiteren Plan für Reutlingen geben: einen »Klimamobilitätsplan«. Der soll Wege zur Einhaltung der neuen Luftschadstoffgrenzwerte aufzeigen, aber auch die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen im Mobilitätssektor ins Visier nehmen. Bis 2030 sollen es 55 Prozent weniger sein als 2010. Bis ins Jahr 2035 sogar 77,5 Prozent.

»«Wir haben keinen Plan in der Schublade.» «

Der Chef des Stadtplanungsamtes Stefan Dvorak rühmte die Regional-Stadtbahn Neckar-Alb als einen zentralen Baustein der hiesigen Bemühungen um Luft, Klima und Verkehrswende: Bereits ab 2028 könnten die ersten Tram-Trains fahren. Bei näherem Hingucken wird die Stadtbahn bis 2030 jedoch wohl kaum einen nennenswerten positiven Beitrag für die Messwerte an der Lederstraße liefern, weil die ersten Züge laut Dvorak auf der bestehenden Bahnverbindung Reutlingen-Bad Urach kursieren werden. Für die Innenstadtstrecke haben die Reutlingen noch nicht einmal eine Trassenführung festgelegt. Aktuell laufen die Vorplanungen an, die Entscheidung soll, laut Dvorak, in der zweiten Jahreshälfte 2025 fallen.

Der große Ausbau des Busverkehrs ist über die Bühne. Musik ist vor allem in der weiteren Elektrifizierung drin. Eine ewige Baustelle – die vielen zu langsam geht – ist der Radverkehr. Tiefbauamtschef Frank Bader befand jedoch: »Wir kommen relativ gut voran.« Mit der Gründung der Task Force Radverkehr 2019 habe die Stadt einen Sprung gemacht – auch wegen des fruchtbaren Dialogs mit Rad-affinen Gruppen aus der Bürgerschaft. Frank Bader führte die wohl bemerkenswerteste Zahl im Reutlinger Verkehrsgeschehen an: Laut Modal Split hat sich der Radverkehrsanteil in Reutlingen von 1991 bis 2023 von 8 auf 21 Prozent gesteigert. Der Autoverkehr ging von 51 auf 39 Prozent zurück. Den in der Pressekonferenz viel Raum einnehmenden Rückblick begründete Stefan Dvorak damit, dass die Verwaltung damit Mut machen wolle. »Wir werden Stück für besser.«

» «In Reutlingen ist das Auto in der DNA der Leute.» «

Förderung des Umweltverbunds, mehr E-Busse, die Zunahme der Auto-E-Mobilität: Auch Elke Zimmer setzt auf das »Gesamtpaket«, das nun zeitnah geschnürt werden muss. Angesichts der klammen Reutlinger Kassenlage stellt sich die Frage, wie die weiteren Bemühungen gestemmt werden. Auch hier gab sich die Vertreterin des Verkehrsministeriums zuversichtlich: »Wir kriegen das gemeinsam hin. Auch finanziell.«

OB Keck brachte das Thema Akzeptanz ins Spiel: »In Reutlingen ist das Auto in der DNA der Leute.« Veränderungen bedeuteten immer auch »Kampf«. Elke Zimmer riet, den Begriff »Auseinandersetzung« zu wählen. Sie wünscht sich, dass die Bürgerschaft in Reutlingen bei der Verkehrswende, so gut es geht, mitgenommen wird. (GEA)