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Aktuell Frisch vom Markt

Reutlinger haben Bock auf Ziegenkäse

Bemerkenswert mild schmeckt er und wird in schierer Handarbeit hergestellt: Der Ziegenkäse des Zwiefalter Loretto-Hofs, der immer dienstags auf dem Reutlinger Wochenmarkt zu haben ist. Was ihn auszeichnet und wie er am liebsten verzehrt wird.

Achim Schäfer hat sich auf Ziegenkäse spezialisiert, den er und seine Frau Gunhild Borghoff in Handarbeit auf dem Zwiefalter Lor
Achim Schäfer hat sich auf Ziegenkäse spezialisiert, den er und seine Frau Gunhild Borghoff in Handarbeit auf dem Zwiefalter Loretto-Hof herstellen. Foto: Frank Pieth
Achim Schäfer hat sich auf Ziegenkäse spezialisiert, den er und seine Frau Gunhild Borghoff in Handarbeit auf dem Zwiefalter Loretto-Hof herstellen.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Rumgezicke und Gemeckere? Das kommt auf dem Loretto-Hof von Achim Schäfer und Gunhild Borghoff regelmäßig vor. Was im Übrigen wenig überrascht. Züchtet der 58-Jährige dortselbst doch Ziegen: und zwar hinter historischen Mauern. Denn das von ihm und seiner Frau seit Januar 2012 gepachtete und bewirtschafteten Gehöft, hat gut und gerne 300 Jahre auf dem Gebälk und zieht insbesondere an sonnigen Wochenenden Besucher und Alb-Touristen an.

Hier hegt und pflegt das Ehepaar – er ausgebildeter Zimmerer, Landwirt und Agrarökonom, sie Ethnologin und professionelle Hofkäserin – rund fünfzig Hornträger, aus deren Milch köstlicher Ziegenkäse hergestellt wird. Allerdings nicht irgendwie, sondern in reiner Handarbeit. Auf diese Besonderheit legt Achim Schäfer großen Wert. Umso mehr, als sich der manuelle Produktionsprozess positiv auf Qualität und Geschmack jedes Ziegenmilch-Erzeugnisses auswirkt.

Sehr mild statt streng und »bockelig«

Nach Worten von Schäfer macht es einen deutlichen Genuss-Unterschied, ob Ziegenmilch abgepumpt und maschinell verarbeitet wird oder händisch – vom Melken bis hin zum Formen der Laibe: Ein zweifellos mühsames Geschäft, aber eines, das die Kundschaft zu schätzen weiß. Warum? Weil die handgemachten Käsevariationen made in Zwiefalten bemerkenswert mild, also weder streng noch »bockelig« schmecken.

Besagte Milde ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass Borghoff und Schäfer die Ziegenmilch unmittelbar nach dem Melken, quasi vom Euter weg, verarbeiten. Und zwar aus gutem Grund. Ließe man sie nämlich längere Zeit stehen, wär’s der Käsequalität abträglich: In diesem Fall oxidiert das in der Milch enthaltene Fett und setzt Caprinsäure frei, die fürs beißende »Stall-Aroma« minderwertiger Ziegenkäse verantwortlich zeichnet.

Das Rezept: Überbackener Ziegenkäse mit Honigsoße

Zutaten (4 Portionen): 2 große Äpfel, 4 Scheiben Ziegenfrischkäse à 1 Zentimeter Dicke, etwas Feldsalat, 2 EL Honig, 1 EL Butter, 1 EL Balsamico, 2 EL Pinienkerne

Zubereitung: Den Backofen auf 225 Grad (Ober-/Unterhitze) vorheizen. Die Pinienkerne unter Umrühren in einer Pfanne ohne Fett rösten. Die Äpfel in vier große Scheiben mit etwa 1,5 Zentimeter Dicke schneiden. Das Kerngehäuse entfernen. Die Apfelringe in eine gefettete Form legen, jeweils eine Scheibe Käse obenauf legen und ungefähr 20 Minuten lang überbacken: bis der Käse schön goldgelb ist. Den Salat waschen und die Blätter auf Portionstellern anrichten. Den überbackenen Käse auf den Salat setzen. Mit den Pinienkernen bestreuen. Honig, Butter und Balsamico in die noch warme Form geben und verrühren. Die Soße über den Käse gießen und servieren. (GEA)

Anders bei den Erzeugnissen des Loretto-Landwirts, die – dank zügiger Verarbeitung – mit ihrer sanften, leicht nussigen Note dem Gaumen schmeicheln und darob auf dem Reutlinger Wochenmarkt längst zahlreiche Fans gefunden haben.

Neben Gelegenheitskäufern sind es vor allem treue Stammkunden, die Schäfers Stand beehren und keinen Zweifel daran lassen, dass ihnen die Loretto-Produkte munden. Für sie greift die Klientel sogar gerne etwas tiefer in die Tasche. Denn dass handgefertigte Qualität – anders als industrielle Massenware – ihren Preis hat, dessen sind sich Reutlingens Käsefreunde vollauf bewusst und nehmen’s ohne zu Murren in Kauf.

Streichzarte Frischkäse-Variationen mit Kräutern oder Datteln

Seit zwölf Jahren ist Achim Schäfer mit seinen Spezialitäten auf dem Reutlinger Dienstagsmarkt präsent. Im Angebot hat er streichzarte Frischkäse-Variationen mit Kräutern oder Datteln und Ingwer sowie Frischkäsekugeln mit Paprika-Chilli-Kruste. Weichkäse ist bei ihm in unterschiedlichen Reifestufen ebenso zu haben wie pikanter Hartkäse. »Ab und zu«, so der 58-jährige Selbsterzeuger, »habe ich auch Würste, Ziegensalami und Kaminwurz im Sortiment.« Und: von Juni bis Ende Oktober Zicklein-Fleisch – »aber nur auf Bestellung«.

Dass Achim Schäfer nicht auch donnerstags und samstags auf dem Reutlinger Marktplatz Flagge zeigt, ist dem hohen Arbeitspensum geschuldet, das er und seine Frau in ihrem Zwei-Personen-Betrieb zu schultern haben. Wer täglich Käse herstellt, zusätzlich Landwirtschaft für den Futteranbau betreibt und nebenbei einen Hofladen schmeißt, kann beim besten Willen nicht auch noch persönlich mehrere Tage hinter der Freiluft-Theke stehen. Der muss ohnedies ein lupenreiner Idealist und Überzeugungstäter sein.

Was Schäfer bestätigt. Denn für Freizeit gibt’s in seinem Leben denkbar wenig Platz. Und von Urlaub kann er allenfalls träumen. Was den Mann indes nicht im Mindesten anficht. Haben er und seine Gunhild in jüngeren Jahren doch etliche »große Reisen« unternommen. Asien und Südamerika, verrät der Agrarökonom, wurden erkundet. Später zog es das Paar immer wieder in die Schweiz. »Dort haben wir Senn-Alpen bewirtschaftet« – und das Handwerk der Käserei von der Pike auf gelernt: erst bei Kuh-, später bei Ziegenbauern.

In eine klassische Marktlücke vorgestoßen

Das gab den Anstoß fürs eigene Geschäftsmodell. Wobei die Wahl deshalb auf Ziegen fiel, weil die »Kühe des kleinen Mannes« oder vielmehr deren Milch und Fleisch vor zehn, fünfzehn Jahren in Deutschland noch kulinarischen Seltenheitswert hatten: eine klassische Marktlücke also, in die vorzustoßen, Achim Schäfer zielführend erschien.

Seither ist sein Berufsalltag ziemlich »zickig«; und seither hat Schäfer viele Menschen buchstäblich angefüttert. Etwa jene Seniorin, die jetzt auf den Loretto-Stand zusteuert und dem Zwiefalter Marktbeschicker schon von Weitem zuwinkt. »Schee, dass Du wieder da bisch – trotz Ferien.«

Wie beim Pressebesuch zu beobachten, haben sich binnen der zurückliegenden Jahre etliche Duz-Bekanntschaften entwickelt, stehen sich Achim Schäfer und seine Stammkundschaft inzwischen recht nahe. Die Thekengespräche gehen jedenfalls weit über den Erwerb von Ziegencamembert und Co. hinaus. Mal drehen sie sich um Arbeitsstress und Überstunden, ein andermal um Zipperlein, Wetterkapriolen oder um die große Politik. Natürlich sind auch die Produkte in Schäfers Auslagen Thema – und wie man sie daheim genüsslich in Szene setzt.

Zwar neigen die Schwaben dazu, den Käs’ meist zum Brot zu servieren. Manche braten ihn aber auch in der Pfanne oder peppen mit ihm Blattsalate auf. Das schöne an mildem Ziegenkäse: »Er lässt sich sowohl mit Süßem als auch mit Salzigem kombinieren.« Schäfer selbst schwört auf Schwarze-Träubles-G’sälz mit jungem Natur-Weichkäse. Von seiner Klientel weiß er, dass sie, wenn sie Bock auf Ziegenfrischkäse hat, diesen auch als Topping für Ofengemüse verwendet, Flammkuchen oder Pizza mit ihm belegt und, und und. Der kulinarischen Fantasie scheinen diesbezüglich keine Grenzen gesetzt. (GEA)