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Aktuell Verhalten

Reutlinger Freibad-Betreiber: »Aggressivität nimmt zu«

In den vergangenen Wochen kam es in Freibädern im Südwesten vermehrt zu Gewalttaten und Übergriffen. Wie sieht's in Reutlingen aus? Der Betriebsleiter und die Polizei nehmen Stellung.

An heißen Tagen kann es im Reutlinger Freibad auch bei Besuchern schonmal hitzig zugehen.
An heißen Tagen kann es im Reutlinger Freibad auch bei Besuchern schonmal hitzig zugehen. Foto: Stadtwerke Reutlingen
An heißen Tagen kann es im Reutlinger Freibad auch bei Besuchern schonmal hitzig zugehen.
Foto: Stadtwerke Reutlingen

REUTLINGEN. Nicht nur im berühmt-berüchtigten Columbiabad in Berlin-Neukölln kam zuletzt zu Übergriffen und Gewalt am Beckenrand. Auch im Südwesten sorgten Bäder für Schlagzeilen mit Schlägereien und sexuellen Übergriffen. »In Reutlingen ist die Lage nicht so dramatisch«, sagt Necdet Mantar, Leiter der Reutlinger Bäder und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft öffentliche Bäder in Baden-Württemberg. Aus der aktuellen Freibad-Saison ist Mantar aus Reutlingen nur ein Fall eines tätlichen Angriffs bekannt.

Im Wellenfreibad wurde vor kurzem ein Mitarbeiter ins Wasser geschubst, erzählt er. »Das war einer aus Berlin«, stellt er klar. »Vielleicht reisen die Berliner jetzt im Ländle herum, und sorgen hier für Ärger«, sagt Mantar scherzhaft. Ernsthaft sagt er dagegen, dass er in Reutlingen keinen Anstieg der Gewalt feststellen könne. »Insgesamt gibt es in der Region immer mal wieder ein Auf und Ab.« Das gelte auch für sexuelle Belästigungen. »Die gibt's gefühlt schon immer in Bädern. Wir kennen bei diesem Thema keine Toleranz.«

Zahl der Straftaten im Kreis Reutlingen steigt

Zuletzt gab es laut den Zahlen des Reutlinger Polizeipräsidiums wieder ein Auf an Straftaten. Im Jahr 2022 - nach der Corona-Pandemie das erste Jahr mit weitgehend normalem Badebetrieb - wurden in Freibädern im ganzen Landkreis Reutlingen insgesamt 63 Straftaten aktenkundig. Im Vor-Corona-Jahr 2019 wurden rund 30 Fälle zur Anzeige gebracht. Pandemiebedingt waren es 2020 noch etwa 20, im Jahr darauf sank die Zahl auf rund ein Dutzend. 2022 entfällt der Hauptanteil mit 32 Fällen – also etwa der Hälfte der registrierten Straftaten – auf Diebstahlsdelikte. Gefolgt von zwölf Vermögens- und Fälschungsdelikten. Außerdem gab es fünf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung »Die Zahl der angezeigten Körperverletzungsdelikte lag mit drei Fällen auf sehr niedrigem Niveau«, sagt Polizei-Pressesprecherin Andrea Kopp. Eine Bilanz oder ein Trend für dieses Jahr zeichnet sich noch nicht ab. »Dazu ist es noch zu früh.«

Necdet Mantar, Leiter der Reutlinger Bäder und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft öffentliche Bäder in Baden-Württemberg.
Necdet Mantar, Leiter der Reutlinger Bäder und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft öffentliche Bäder in Baden-Württemberg. Foto: Frank Pieth
Necdet Mantar, Leiter der Reutlinger Bäder und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft öffentliche Bäder in Baden-Württemberg.
Foto: Frank Pieth

Eine Tendenz ist Mantar dagegen in der aktuellen Freibad-Saison aufgefallen: »Die Aggressivität bei den Leuten nimmt zu, der Ton wird rauer. An heißen Tagen fängt mancher an zu spinnen.« Dann würden oft »Kleinigkeiten« reichen, damit Besucher vor allem mit dem Personal lautstark zu diskutieren beginnen. Haus- und Badeordnungen werden bewusst missachtet und beim Einschreiten der Mitarbeiter werden diese angeschrien, angepöbelt und beleidigt.

»Manche Mitarbeiter sagen, dass sie damit überfordert sind«, sagt Mantar. Er sorgt sich, dass manch einer die Lust an seinem Job verlieren könnte. Die Konsequenz von Kündigungen wäre, dass die sowieso schon reduzierten Öffnungszeiten weiter verkürzt werden müssten. Denn das Personal, das die Sicherheit der Gäste gewährleisten muss, ist schon so knapp, dass bereits das Frühschwimmen gestrichen worden ist.

Sicherheitsdienst sorgt für Ordnung

Um die Mitarbeiter zu unterstützen, sorgt ein Sicherheitsdienst für Ordnung. »Der hat sich während der Pandemie bewährt«, sagt der Bäder-Leiter. Bis zu acht Security-Mitarbeiter sind zu Spitzenzeiten am Wochenende im Einsatz. Aber nicht nur wegen pöbelnden Besuchern. »Viele versuchen, mit ungültigen Tickets oder ganz ohne Ticket hereinzukommen.«

Das Aufsichtspersonal ist zudem angehalten, sich nicht »in endlose Diskussionen zu verstricken«, sagt Mantar. »Sie müssen sich schließlich am und im Wasser um die Sicherheit aller Gäste kümmern.« Im Zweifelsfall sollen die Mitarbeiter die Polizei verständigen. »Wir haben einen direkten Draht ins Präsidium, die Zusammenarbeit klappt gut.«

Damit sich die Gemüter künftig etwas weniger erhitzen, ist für dieses Jahr ein Deeskalationskurs für das Kassen- und Aufsichtspersonal geplant, das laut Bäder-Leiter »an der Front« arbeite. Die Schulung könne wohl aber erst nach dem Ende der Saison stattfinden. »Aktuell brauchen wir jeden Mitarbeiter an den Becken.« (GEA)