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Reutlinger Chefarzt gibt Tipps gegen Heuschnupfen

Was bei Heuschnupfen hilft, weiß Chefarzt Adrian Gillissen von der Medizinischen Klinik III in Reutlingen.

Tränen, Husten und juckende Augen: In Deutschland leiden viele Menschen unter Heuschnupfen. FOTO: KLOSE/DPA
Tränen, Husten und juckende Augen: In Deutschland leiden viele Menschen unter Heuschnupfen. FOTO: KLOSE/DPA
Tränen, Husten und juckende Augen: In Deutschland leiden viele Menschen unter Heuschnupfen. FOTO: KLOSE/DPA

REUTLINGEN. Sommer, Sonne, Pollenflug. Viele Menschen können die prächtigen Blumenwiesen und die im warmen Wind sanft schwingenden Gräserhalme nur mit laufender Nase und juckenden Augen genießen – wenn der garstige Heuschnupfen Genuss überhaupt zulässt. Rund 20 bis fast 50 Prozent – je nach Studie – aller Erwachsenen leiden unter mindestens einer Allergie, auch im Zusammenhang mit Gräsern und Bäumen. Für mache ist der Heuschnupfen nur ein Ärgernis, für andere eine massive Beeinträchtigung im Alltag. Lösungen, die Symptome zu bekämpfen oder das Leiden zu therapieren, gibt es im Internet zuhauf – nur sind die nicht immer seriös und machen im Zweifel die Symptome nur noch schlimmer. Was wirklich hilft, weiß der Chefarzt der Medizinischen Klinik III der Reutlinger Kreiskliniken, Professor Dr. Dr. Adrian Gillissen.

- Ist der Heuschnupfen dieses Jahr so schlimm wie viele behaupten?

»Subjektiv können das Betroffene sicher so wahrnehmen, aber die Pollen fliegen nicht stärker als in den vergangenen Jahren. Es geht eher um die Länge der Pollenzeit durch den milden Winter«, eröffnet der Chefarzt. Dadurch haben auch die Bäume deutlich früher ausgetrieben. »Manche Allergiker hatten durch die Frühblüher schon im Dezember mit Heuschnupfen zu kämpfen. Nun sind aber die Gräser dran.«

Professor Dr. Dr. Adrian Gillissen ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Sportmedizin und Notfallmedizin.
Professor Dr. Dr. Adrian Gillissen ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Sportmedizin und Notfallmedizin. FOTO: KREISKLINIKEN REUTLINGEN
Professor Dr. Dr. Adrian Gillissen ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Sportmedizin und Notfallmedizin. FOTO: KREISKLINIKEN REUTLINGEN

- Was passiert bei Heuschnupfen im Körper?

»Eine allergische Reaktion – und das ist der Heuschnupfen – ist eine Überreaktion des Immunsystems auf ein Allergen«, erklärt Gillissen. Dabei interpretiert der Körper die eigentlich ungefährlichen Pollen als Schädlinge und versucht sie zu bekämpfen. Die gebildeten Antikörper binden sich an sogenannte Mastzellen, die einen Entzündungsbotenstoff namens Histamin ausschütten. Der sorgt dafür, dass die Nase läuft, die Augen jucken oder der Hals kratzt.

- Was sollte ich machen, wenn der Heuschnupfen zuschlägt?

»Der erste Ansatz sollte immer der Entzug sein«, rät der Facharzt. Pollenfilter im Auto, geschlossene Fenster, saubere Kleidung – alles, was hilft, sich den Pollen in der unmittelbaren Umgebung zu entziehen. »Wenn das nicht ausreicht, kommen H2-Blocker zum Einsatz. Dadurch können Histamine nicht mehr an den Rezeptoren andocken und die Immunreaktion bleibt aus.« Gute Nachrichten: Medikamente der neueren Generationen machen lange nicht mehr so müde wie ältere Präparate der ersten Generation.

- Kann mein Heuschnupfen geheilt werden?

Ja, das ist möglich: »Eine sogenannte Immuntherapie verläuft bei rund 70 Prozent der Menschen erfolgreich«, weiß Gillissen. »Grundsätzlich gilt: je jünger die Patienten sind und je weniger Allergien sie in der Breite haben, desto besser wirkt die Therapie.« Dabei werden – je nach Intensität über mehrere Jahre – kleine Mengen des Heuschnupfen auslösenden Allergens in den Körper gespritzt oder über Tabletten eingenommen. Nach und nach wird die Dosis erhöht, bis sich der Körper schließlich an den vermeintlichen Schadstoff gewöhnt hat – und auf Pollenbefall nicht mehr mit den leidlichen Symptomen antwortet. Das Verfahren funktioniert auch bei vielen anderen Allergien.

- Liegen Gefahren in der Behandlung von Heuschnupfen?

»Die größte Gefahr ist wohl die falsche beziehungsweise gar keine Diagnose zu haben«, erklärt der Allergologe. Grundsätzlich solle man sich beim Verdacht auf eine Allergie immer von einem Arzt untersuchen lassen. Dann könne eine geeignete Therapie ausgearbeitet werden. »Allergietests kann man bei Dermatologen, Allergologen, Lungenfachärzten oder HNO-Ärzten mit Blut- oder Hauttests machen«, sagt Gillissen. »Alternativmedizin und Homöopathie sehe ich bei einer Behandlung kritisch.« Häufig arbeite man dort mit Pflanzenpräparaten, deren Wirkung auf eine Allergie nicht eingeschätzt werden könne. »Was aber nicht bedeutet, dass derartige Präparate grundsätzlich nicht wirken würden – sie sind teilweise nur nicht ausreichend getestet.« Wird die Allergie aber stärker oder falsch behandelt, kann sich eine asthmatische Erkrankung ausbilden. Das passiert aber glücklicherweise nicht bei jedem.

- Was kommt an der Allergie-Front noch auf uns zu?

»Wir müssen lernen, mit den Allergien zu leben«, erläutert Gillissen. »Sie nehmen in der Bevölkerung zu. Es gibt so viele verschiedene Einflüsse und Faktoren wie Klima, Umwelt und Ernährung.« Auch erstünden durch die technologischen Fortschritte immer mehr neue Stoffe, die potenziell Allergien auslösen können. »Es ist ein Kampf gegen Windmühlen.« Deswegen sei eine gute und fachkundige Behandlung so wichtig. (GEA)