Fairtrade will Produzenten und Arbeiter in Entwicklungsländern gerecht bezahlen, damit dringend benötigte Infrastruktur vor Ort realisiert werden kann. »Nur so können soziale Einrichtungen aufgebaut werden, die Familien ein menschenwürdiges Leben sichern«, sagte Oberbürgermeisterin Barbara Bosch bei der Verleihung der Urkunde.
Dass auch immer mehr Reutlinger Geschäfte, Gastronomiebetriebe, Schulen, Vereine und Veranstalter fair gehandelte Produkte anbieten und nutzen, sei ihr »eine Freude« - und trug maßgeblich dazu bei, dass Reutlingen das begehrte Zertifikat erhalten hat.
Weitere Schritte müssen folgen
Der gemeinnützige Verein »TransFair«, der dieses Siegel an Kommunen vergibt, startete im Jahr 2009 seine Kampagne »Fairtrade Towns«, die in Großbritannien seit dem Jahr 2000 läuft, auch in Deutschland.Bereits ein Jahr zuvor hatten Grüne und SPD im Reutlinger Gemeinderat angeregt, dass die Verwaltung mehr Waren aus fairem Handel (beispielsweise Kaffee oder Fruchtsäfte) einkaufen solle.
Die schrittweise Annäherung zum fairen Handel sei allerdings kein Prozess, »mit dem Reutlingen eine kurzfristige Mode des Gewissens aufgreift«, sagte Hartmut Queisser, Leiter des städtischen Hauptamtes und Vorsitzender der 13-köpfigen Steuerungsgruppe »Fairtrade-Stadt«, beim Festakt.
Natürlich markiere die Anerkennung einen »Meilenstein«. Weitere Schritte müssten allerdings folgen, der eingeschlagene Weg konsequent fortgesetzt werden. »In zwei Jahren werden wir unsere Bemühungen erneut auf den Prüfstein stellen«, sagte Hartmut Queisser.
Eine Herausforderung im Rahmen der Antragsvorbereitung habe in der Auflistung der Angebote bestanden - eine Herausforderung, die ein nützliches »Nebenprodukt« gezeitigt hat: Ein Einkaufsführer im Taschenformat informiert über die Bedeutung des fairen Handels, stellt die wichtigsten Labels, Siegel und Logos für fair gehandelte Waren vor und listet 22 Reutlinger Läden sowie elf Gastronomiebetriebe auf, die fair gehandelt Waren im Sortiment haben. Erhältlich ist dieser Wegweiser bei der Reutlinger Stadtverwaltung, über die städtische Homepage und im Eine-Welt-Laden (Weibermarkt 3).
Nach Ansicht von Dr. Jürgen Quack, Vorstandsmitglied des Eine-Welt-Vereins Reutlingen, gibt solch ein Tag »Rückenwind«, auch wenn kaum mehr als ein Anfang geschafft sei. »Es muss weitergehen, die alten Verhältnisse reichen nicht mehr aus«, warb Jürgen Quack für neue Regeln in einer veränderten Welt. »Es braucht den persönlichen Einsatz, aber auch neue Strukturen und Gesetze.«
Wie Billigware und Kinderarbeit in Entwicklungsländern zusammenhängen, verdeutlichte Benjamin Pütter.
Der Kinderarbeitsexperte vom Hilfswerk Misereor forderte dazu auf, öffentlich Druck zu machen auf jene, die mit Kinderarbeit Geld verdienen. Und es sind viele Produkte und Produzenten, die vor allem im Internet von diversen Organisationen an den Pranger gestellt werden. »Kinderarbeit ist menschenverachtend«, sagte Benjamin Pütter, der Barbara Bosch darum bat, sich auch in ihrem Amt als Städtetagspräsidentin gegen ausbeuterische Kinderarbeit einzusetzen.