»Ist die Betreuung in Reutlingen so viel besser?«In Reutlingen und sechs anderen Städten (Tübingen, Freiburg, Stuttgart, Heidelberg, Heilbronn und Mannheim) wurden die Gebühren von vier Modelfamilien mit unterschiedlichen Einkommen und unterschiedlicher Kinderzahl verglichen. Fazit: Reutlingen ist mit einer Ausnahme in allen Modellbeispielen teurer: teils 200, 300 Euro und mehr monatlich. In Heilbronn kostet das Hüten der Sprösslinge die Eltern gar nichts.
»Warum zahlen wir in Reutlingen so viel mehr? Ist die Betreuung so viel besser?«, fragen sich Freidel und ihre Mitstreiter.
Mancherorts deckeln Regelungen die Belastung. Eltern müssen beispielsweise nicht mehr als zehn Prozent vom Gesamteinkommen bezahlen. Erschwerend komme in Reutlingen hinzu, dass die Eltern trotz 30 Schließtagen für zwölf Monate zahlen. Eine Praxis, die ebenfalls nicht überall Usus ist.
Weiterhin hadert man beim Gerk mit der vor gut einem Jahr eingeführten Umgestaltung der Einkommensstaffelung. Sie entlaste zwar – wie von der Stadt beabsichtigt – die unteren Einkommen, sorge aber für eine unverhältnismäßig hohe Mehrbelastung der neuen »Spitzenverdiener«.
Für Haushalte, die mehr als 65 000 Euro Jahresbruttoeinkommen haben, wurde eine neue Stufe eingeführt. Vorher war bei 45 000 Euro Schluss. Die Einführung zweier weiterer Stufen könnte das Gebührensystem nach Gerk-Auffassung gerechter machen. Außerdem soll, wie beispielsweise in Tübingen, das bereinigte Bruttoeinkommen der Familie Berechnungsgrundlage sein und bestimmte Einkommensarten wie Kindesunterhalt oder BAföG nicht als Familieneinkommen gewertet werden.
Die Stadtverwaltung hatte stets behauptet, dass die Umstrukturierung keine Mehreinnahmen generiere. Der neue Finanzzwischenbericht (siehe Randnotiz) spricht eine andere Sprache. Was den Gerk nicht wundert: Viele Haushalte fielen in die neue Höchststufe Ü-65. Mehreinnahmen sollten der Kinderbetreuung zugutekommen, findet der Gerk. Der quantitative Ausbau der Betreuung fordere zweifellos weitere Ressourcen. »Wir sehen, dass überall neuer Wohnraum geschaffen wird, aber der Ausbau der Einrichtungen nicht mithält.« Dies betreffe vor allem Ringelbachgebiet und Oststadt.
Ein besserer Personalschlüssel sei wünschenswert, wird aber auch vom Gerk als wenig realistisch angesehen. Es gelte, wenigstens Personalengpässe zu vermeiden, auch indem man die Arbeitsplätze möglichst attraktiv gestalte und Bewerber locke mit kostenlosem ÖPNV, Hilfe bei der Wohnungssuche, aber auch dem Vermeiden von befristeten Einstellungen.
Die Haushaltsberatungen sind noch fern. Aber die Ohren der Gemeinderäte angesichts der anstehenden Kommunalwahlen weit offen. Derzeit touren die Elternvertreter mit ihren Anliegen durch die Gemeinderatsfraktionen. »Wir wollen uns rechtzeitig ins Gespräch bringen«, sagt Freidel.
Ein zentrales Anliegen ist dem Gerk die Sprachförderung. Immer mehr Kinder brauchten Unterstützung, sie müsse idealerwiese bereits im Kindergarten bei den Drei- bis Vierjährigen stattfinden und nicht erst bei den Fünf- bis Siebenjährigen. Mehr Fördergruppen, mehr Personal und bessere Fortbildung sowie eine Fachkraft bei der Stadt, die sich nur um die Sprachförderung kümmert, erachten die Elternvertreter für notwenig. Diesbezüglich erhielte man bisher gute Resonanz von den Fraktionen. »Die Räte wollen Geld dafür in die Hand nehmen«, so Freidels Eindruck.
Die Stadtverwaltung wollte zum Vorwurf der vergleichsweise hohen Gebühren noch keine Stellungnahme abgeben. Die Überprüfung der vom Gerk erstellten Liste erfordere Zeit, hieß es aus dem Presseamt.
Das Presseamt lässt vorab verlauten, dass den Kommunen empfohlen werde, dass die Eltern 20 Prozent der Kosten der Kindertageseinrichtung über Gebühren beitragen sollen. »Politisch gewollt« werde diese Quote in Reutlingen aber nicht erreicht. Auch die Empfehlung, dass für Kinder unter drei Jahren doppelt so hohe Gebühren erhoben werden sollen wie für Kinder über drei, sei nicht umgesetzt.
So liege die Finanzierungsquote der Elternbeiträge im Schnitt bei etwa acht Prozent. (GEA)