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Polizei Reutlingen: Unfälle mit betrunkenen Autofahrern nehmen zu

Laut Reutlinger Polizei nehmen Fälle von Alkohol am Steuer zu. Auch die Zahl der Unfälle ist gestiegen. Wie viel Promille man intus haben darf, woran man merkt, dass man zu viel getrunken hat und wie sich das auf den Versicherungsschutz auswirken kann.

Foto: weyo/Adobe Stock
Foto: weyo/Adobe Stock

REUTLINGEN. Nach ein oder zwei Flaschen Bier noch nach Hause fahren, das geht schon noch. Oder etwa nicht? Diese Frage richtig zu beantworten, ist für alle Verkehrsteilnehmer enorm wichtig. Fehleinschätzungen können nämlich fatale Folgen haben. Erst vor kurzem kam es auf der B312 bei Pfullingen zu einem schweren Unfall. Eine 57-jährige Frau erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass sie mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen werden musste. Beim Unfallverursacher wurde ein Alkoholwert von mehr als 2,8 Promille festgestellt. Vorfälle wie dieser häufen sich.

Wie viele Fälle von Alkohol am Steuer gab es 2021?

Im Jahr 2021 sind 1.470 Autofahrer im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidium Reutlingen angezeigt worden, weil sie alkoholisiert unterwegs waren, teilte Pressesprecherin Andrea Kopp auf GEA-Anfrage mit. Das ist ein Plus von 205 Fällen gegenüber dem Vorjahr. Damals seien »nur« 1.265 Fahrer erwischt worden. Zu diesen sogenannten »folgenlosen Trunkenheitsfahrten«, also Fahrten, bei denen nichts passiert ist, müsse man noch die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss hinzurechnen, um die Zahl der polizeilich bekannten Fälle von Alkohol am Steuer zu erhalten, erklärt die Sprecherin. Zusätzlich sei zu beachten, dass es auch eine erhebliche Dunkelziffer gibt. 

Wie viele Unfälle mit Alkohol am Steuer gab es 2021? 

Unfälle unter Alkoholeinfluss sind im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 10,5 Prozent auf 411 gestiegen, sagt Kopp. 2020 waren es demnach noch 368 Fälle. Bei rund 40 Prozent der Unfälle seien Personen verletzt worden. Zwei Menschen starben, die Zahl der Leichtverletzten stieg von 112 auf 142. Die Zahl der Schwerverletzten verringerte sich hingegen von 66 auf 50. 

Wie viel Promille Alkohol darf ich als Verkehrsteilnehmer haben? 

In einigen Ländern ist Autofahren unter Alkoholeinfluss strikt verboten. Deutschland ist da kulanter. Wie der ADAC auf seiner Website schreibt, dürfen Personen, die einen Alkoholwert von 0,5 Promille nicht überschreiten, noch am Steuer eines Kraftfahrzeugs sitzen. Anders ist das bei Fahranfängern in der Probezeit. Für sie und Personen bis zu ihrem 21. Geburtstag gilt die 0,0-Promillegrenze. Fahrradfahren ist ab einem Promillewert von 1,6 strafbar. Wer jedoch ab 0,3 Promille gefährlich unterwegs, oder in einen Unfall verwickelt ist, kann ebenfalls belangt werden. 

Bei einem E-Bike hängt die Promillegrenze laut Allianz-Versicherung von der Art des Fahrzeugs ab. Unterstützt das Rad den Fahrer bis 25 Stundenkilometer, gelten die gleichen Regeln wie beim Fahrradfahren. Handelt es sich um ein E-Bike, das bis zu 45 Stundenkilometer beschleunigt, gelten die gleichen Regeln wie bei einem Auto. E-Scooter dürfen ab 0,5 Promille nicht mehr genutzt werden.

Umfrage (beendet)

Sollte für Verkehrsteilnehmer grundsätzlich Null-Promille Alkohol gelten?

In Deutschland zählte die Polizei im Jahr 2021 mehr als 32.000 Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss. Das ist ein leichter Anstieg gegenüber 2020.

43%
52%
5%

Welche Strafen drohen bei Alkohol am Steuer?

Einem Autofahrer der mit 0,5 bis 1,09 Promille Auto fährt und bei dem keine weiteren Auffälligkeiten bestehen, droht laut ADAC eine Geldstrafe von 500 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot. Dieser Fall gilt als Ordnungswidrigkeit.

Um eine Straftat handelt es sich dagegen, wenn ein Promillewert zwischen 0,3 und 1,09 im Zusammenhang mit sogenannten alkoholtypischen Ausfallerscheinungen, wie zum Beispiel Schlangenlinien fahren, festgestellt wird. Geahndet wird das mit einer Geldstrafe ab 30 Tagessätzen. Ein Satz beträgt ein Dreißigstel des monatlichen Nettogehalts des Täters. Außerdem bekommt er drei Punkte in Flensburg und muss seinen Führerschein für mindestens sechs Monate abgeben. 

Kommt es bei einem Alkoholwert zwischen 0,3 und 1,09 Promille zu einem Unfall, wird eine Geldstrafe ab 45 Tagessätzen fällig. Auch eine Freiheitsstrafe ist möglich. Außerdem bekommt der Fahrer drei Punkte in Flensburg und muss seinen Führerschein für mindestens neun Monate abgeben. Bei einem alkoholbedingtem Unfall mit mehr als 1,1 Promille droht eine Geldstrafe ab 50 Tagessätzen, eine Freiheitsstrafe, drei Punkte in Flensburg und mindestens ein Jahr Führerscheinentzug.

Wenn beim Fahrer mindestens 1,1 Promille festgestellt werden, wird er ebenfalls als absolut fahruntüchtig eingestuft - auch ohne Ausfallerscheinungen. Die Folgen sind eine Geldstrafe ab 40 Tagessätzen, drei Punkte in Flensburg und mindestens neun Monate Führerscheinentzug. Wenn der Fahrer zusätzlich alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigt, muss er außerdem zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU). Hier soll geklärt werden, ob eine Alkoholgewöhnung oder ein Alkoholproblem vorliegt. Wird festgestellt, dass in der Tat ein Problem gegeben ist, dann wird der Führerschein entzogen. Ab 1,6 Promille ist automatisch eine MPU vorgeschrieben. 

Fahranfängern, die unter Alkoholeinfluss fahren, droht eine Geldstrafe von 250 Euro, ein Punkt in Flensburg, die Pflichtteilnahme an einem Aufbauseminar und die Verlängerung der Probezeit auf vier  Jahre. 

Mit welchen Strafen müssen andere alkoholisierte Verkehrsteilnehmer rechnen?

Ein Radfahrer mit 0,3 Promille oder mehr, muss laut Bußgeldkatalog gegebenenfalls mit einer Anzeige, Geldstrafe oder der Anordnung einer MPU rechnen, wenn er auffällig gefahren ist. Mit 1,6 Promille oder mehr ist ein Radfahrer laut ADAC absolut fahruntüchtig und begeht eine Straftat. Die Folgen sind eine Geldstrafe von meistens 30 Tagessätzen, zwei Punkte in Flensburg und die Anordnung einer MPU. Fällt diese negativ aus, dann wird auch einem Fahrradfahrer der Führerschein entzogen. Außerdem kann sogar das Fahrradfahren verboten werden, wenn die Gefahr besteht, dass die Person wieder unter Alkoholeinfluss aufs Rad steigen wird.

Betrunkenen E-Bike-Fahrern drohen laut Allianz Versicherung bei mehr als 0,5 Promille zwei Punkte in Flensburg, eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro, ein Monat Fahrverbot und die Anordnung einer MPU. Beim zweiten Mal wird die Geldstrafe - zusätzlich zu den anderen Strafen - auf bis zu 1.000 Euro erhöht und das Fahrverbot auf drei Monate verlängert. Beim dritten Mal wird die Geldstrafe auf bis zu 1.500 Euro erhöht. Alkoholisierte E-Scooter-Fahrer erhalten die selben Strafen, wie Autofahrer und Fahranfänger.

Bin ich noch versichert, wenn ich alkoholisiert einen Unfall baue?

»Die Kfz-Haftpflichtversicherung zahlt bei einem Unfall immer den kompletten Schaden des Unfallgegners«, erklärt ein Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Wenn aber festgestellt wird, dass der Unfallverursacher alkoholisiert war, kann sich die Versicherung bis zu 5.000 Euro vom Versicherungsnehmer zurückholen. Außerdem zahlt die Kaskoversicherung gegebenenfalls nur einen Teil oder vielleicht auch gar nichts von dem Schaden, der beim Unfallverursacher entstanden ist.

Wie beeinträchtigt Alkohol die Fahrtauglichkeit?

»Bei der Wirkung von Alkohol auf Körper und Verstand gibt es bedeutende Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen«, sagt Verena Sulfrian von der Jugend- und Drogenberatung Reutlingen. »Gerade Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren neigen in alkoholisiertem Zustand dazu, Fahrfehler zu machen und ihre Fahrtüchtigkeit zu überschätzen«, sagt die Beraterin. Bereits ab 0,3 Promille sind Seh-, Konzentrations-, Urteils und Reaktionsvermögen eingeschränkt. Ab 0,8 Promille sind die Einschränkungen bereits erheblich: das Sichtfeld wird um 25 Prozent eingeschränkt und die Reaktionszeit verlängert sich um bis zu 50 Prozent. 

Gibt es eine Möglichkeit, den Alkoholgehalt im Blut zu berechnen?

Um einschätzen zu können, wie viel Promille man bereits intus hat, finden sich etliche Promillerechner im Internet, sagt Sulfrian. Mit der sogenannten Widmark-Formel lässt sich der Alkoholwert im Blut in etwa einschätzen. Sie lautet: Aufgenommene Alkoholmenge in Gramm geteilt durch Körpergewicht in Kilogramm mal Anteil der Körperflüssigkeit. Die Formel zu nutzen sei nicht ganz so einfach, schon gar nicht, wenn eine gewisse Promillegrenze bereits überschritten ist. Alternativ kann man sich auch ein eigenes Atemtestgerät anschaffen, sagt Sulfrian. 

Was rät die Polizei?

»Um festzustellen, ob man nach Alkoholkonsum noch fahrtüchtig ist, kann keine Faustregel seriös sein«, sagt Polizeisprecherin Andrea Kopp. Die ganz klare polizeiliche Botschaft ist: »Wer fährt, trinkt nicht und wer trinkt fährt nicht«. Die strafrechtlichen Promillegrenzen seien da durchaus trügerisch und ließen eigentlich keine Aussage zur tatsächlichen, persönlichen Fahrtüchtigkeit zu. »Sich an diese Grenzen herantrinken zu wollen, sei purer Leichtsinn, ja fast schon Vorsatz, und schlicht und ergreifend gefährlich.« Viele Menschen seien auch schon unter 0,5 Promille de facto nicht mehr fahrtüchtig. (GEA)