KREIS REUTLINGEN. Es wird viel getan für die Stärkung und Verbesserung des Öffentlichen Nahverkehrs im Landkreis Reutlingen. Das verdeutlichten im Ausschuss für technische Fragen und Umweltschutz (AtU) des Kreistags der Erste Landesbeamte Hans-Jürgen Stede sowie die Nahverkehrsexpertinnen Karin Blum und Nicole Reichhardt. »Die Bedeutung des ÖPNV hat deutlich zugenommen«, sagte Stede. Abzulesen sei das allein schon an der Tatsache, dass die Kosten zur Unterstützung des Nahverkehrs von einer halben Million Euro im Jahr 2017 auf 7,2 Millionen Euro 2024 zunahmen.
Dabei handle es sich um eine Verfünfzehnfachung – Regionalstadtbahn und Schülerbeförderung seien dabei noch gar nicht eingerechnet. »Insgesamt kommen wir im laufenden Jahr auf eine Summe von rund 10 Millionen Euro«, so Stede. Damit nicht genug: Die Ausgaben sollen in Zukunft weiter steigen, »wir müssen aber den Kurs des Machbaren fahren, all das muss finanzierbar bleiben – wir befinden uns dabei in der Quadratur des Kreises«. Der drastische Anstieg der Kosten bereite auch dem Reutlinger Landrat Sorgen, »das zeigt, wie die Landkreise in die Pflicht genommen werden, obwohl der ÖPNV eigentlich Aufgabe des Landes ist«, so Ulrich Fiedler.
Digitale Buchung des Anmeldeverkehrs
Allerdings sei der Landkreis auch an vielen ÖPNV-Verbesserungen dran: an den Linienbündeln Metzingen und Bad Urach etwa oder auch an der Umsetzung des Anmeldeverkehrs im südlichen Landkreis. Letzterer koste rund 420.000 Euro in einem Jahr, 2023 wurden damit etwa 30.000 Fahrgäste befördert, wie Blum erläuterte. Im südlichen Landkreis waren es rund 6.100. Neue, einheitlich digitale Buchungsmöglichkeiten sollen in diesem Anmeldeverkehr geschaffen werden.
Weiterhin werde vom Landkreis ein Masterplan zur Ladeinfrastruktur und Elektromobilität erstellt. Beendet wurde zur Mitte vergangenen Jahres ein »Landmobil-Projekt«, auf deren Grundlage eine Mitfahrplattform entstehen soll. Routenvorschläge mit der Kombination verschiedener Verkehrsmittel wurden erarbeitet, das Interesse sei sehr groß gewesen, wie die Fachfrauen erläuterten. »Ideal wäre dabei eine landesweite Lösung«, so Nicole Reichhardt.
Infrastruktur für Radfahrer
Die Infrastruktur für Radfahrerinnen und -fahrer wurde verbessert, etwa mit Abstellanlagen in Engstingen. Dabei habe sich die Nähe zu einer E-Carsharing-Station und zum ÖPNV als positiv herausgestellt. »Die niedrigschwellige Kombination von verschiedenen Verkehrsmitteln wird genutzt«, so ein weiteres Fazit.
Beim Einsatz von E-Bikes und später auch E-Scootern habe sich gezeigt, dass Letztere deutlich mehr nachgefragt wurden als die Räder. »Die Kooperation von mehreren Gemeinden wäre von Vorteil«, so Karin Blum. Zudem habe sich die Einrichtung von E-Carsharing-Stationen in Engstingen und Münsingen als positiv erwiesen, »es gab eine sehr gute Auslastung beider Standorte«. Die Möglichkeit von One-Way-Fahrten werde sehr geschätzt. Was bleibe nach Ende des geförderten Projekts? Die E-Carsharing-Standorte würden beibehalten, die Mitfahrplattform werde aufgebaut, der ausgeweitete Betrieb von E-Scootern werde momentan geprüft.
Anbindung nicht optimal
Trotz aller Tätigkeiten der Fachleute beim Landratsamt übte Rainer Blum (Grüne) im Ausschuss Kritik: Die Verfünfzehnfachung der Kosten habe nicht zu einem ebensolchen Anstieg der Qualität des ÖPNV geführt. »Änderungen an dem Konzept sind leicht zu fordern, aber immer schwer umzusetzen«, sagte Hans-Jürgen Stede dazu. Die Anforderungen an die Verkehrsunternehmen würden immer höher, die Taktung der Fahrten immer dichter. »Es gibt keine einfachen Lösungen, es handelt sich hier um das Bohren von ganz dicken Brettern.«
Die Anbindung des Reutlinger Landkreises nach Tübingen und Stuttgart sei nach den Worten von Dietmar Bez (CDU) suboptimal: »Wenn die Verbindungen vom Ermstal über Tübingen nach Herrenberg und dann mit der S-Bahn nach Stuttgart klappen würden, dann wäre das eine tolle Alternative zum Auto.« Das stimme, sagte Stede: »Leider funktionieren die zu oft nicht.« Jeder dritte Umstieg in Herrenberg klappe nicht, weil die Züge aus dem Ermstal viel zu oft Verspätung hätten.
Ab Dezember 2025 würden die Karten jedoch neu gemischt, wenn der Halbstundentakt im Ermstal komme und ein Stuttgart-21-Probefahrplan eingeführt werde. Ob dann alles besser wird, müsse sich allerdings erst noch erweisen. Etwas Positives merkte Silke Höflinger (FWV) an: »Der Expresso über Walddorfhäslach zum Stuttgarter Flughafen muss unbedingt beibehalten werden.« (GEA)