REUTLINGEN/DETTINGEN. »Wenn es tagelang regnet, dann sprechen wir von Landregen. Über dieses Ereignis konnten wir uns in diesem November freuen«, so Dr. Ulrich Maurer, Präsident der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Für viele Menschen sei das trübe und regnerische Novemberwetter zwar kein Grund zur Freude gewesen, für das Grundwasser, die Böden und somit für die Natur aber schon, meinte der Chef der Umweltbehörde angesichts steigender Pegel.
In der Region rund um Reutlingen zeigen vier Messstationen steigende Grundwasserpegel an, bei zwei von ihnen steigt der Wasserstand sogar überdurchschnittlich an. Im oberen Wiesaztal bei Reutlingen-Gönningen ist der Pegel im Vergleich zum Vorjahresmittel um 76 Zentimeter gestiegen, an der Messstelle bei Dettingen immerhin um vier Zentimeter. Bei Hayingen fällt der Anstieg um 196 Zentimeter laut LUBW mittelmäßig aus. Ebenso bei der Quellfassung der Bronnbachquelle in der Nähe von Rottenburg. Hier gab es im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 216 Zentimeter. Im Vergleich zum Durchschnittswert der Vormonats zeigt der Anstieg bei allen Messstellen noch deutlicher nach oben.
Angesichts solcher Werte freut sich die LUBW: »Nach steilen Anstiegen im November 2023 bewegen sich die Grundwasserstände und Quellschüttungen in Baden-Württemberg zum Monatsende auf überdurchschnittlichem, bei jeder vierten Messstelle sogar auf hohem Niveau. In diesem November fiel mehr als doppelt so viel Niederschlag wie in der Referenzperiode 1961-1990. Die Bodenfeuchte hat sich dadurch sehr schnell erholt.«
Dennoch warnt die Behörde. Seit der Jahrtausendwende seien die Grundwasserstände im Land nicht mehr stabil. Die Zahl der Trockenjahre sei seit 2003 spürbar gestiegen. Gleichzeitig würden an zahlreichen Stellen die Grundwasserstände mehr und mehr sinken. Die Neubildung von Grundwasser sei nicht mehr sicher. Hinzu käme, » dass in den letzten Jahren zunehmend in den Sommermonaten einzelne Quellen versiegen.«
Auch bei den Grundwassermesstationen im Kreis Reutlingen ist ein Trend zu erkennen. Der Pegel fällt, über die letzten 30 Jahre betrachtet, kontinuierlich. Das dokumentieren die Daten der LUBW beispielsweise auch beim Aachursprung an der Wimsener Höhle bei Hayingen.
Umso erfreulicher sei der November 2023, der den drittmeisten Niederschlag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gebracht habe. Für die Menschen sei er aber gleichzeitig auch der drittdüsterste November seit Aufzeichnungsbeginn gewesen, so die LUBW.
Einer, der sich auch über den vielen Regen der letzten Zeit freut, ist der Revierförster und Betzinger Ortsvorsteher Friedemann Rupp: »Es ist nach langen Trockenperioden gut für den Wald, dass der Boden jetzt durchfeuchtet ist«. Die Laubbäume inklusive der Lärchen hatten aber gegenwärtig nichts davon: »Die sind in ihrer vegetationsfreien Phase, haben Blätter und Nadeln abgeworfen. Die Nadelhölzer können die Feuchtigkeit direkt nutzen.« Die Laubbäume hätten aber bereits in einigen Wochen etwas davon, wenn der Vorfrühling beginne. »Da sind gut gefüllte Grundwasserstände eine prima Sache.«
»Es ist nach langen Trockenperioden gut für den Wald, dass der Boden jetzt durchfeuchtet ist«
Schlecht sei ein nasser Waldboden allerdings für die Forstwirtschaft: »Da sinken die schweren Erntemaschinen ganz schön ein und das macht die Arbeit nicht leichter. Im schlimmsten Fall kann deswegen überhaupt kein Holzeinschlag stattfinden«, erklärt Rupp. Frost oder zumindest eine geschlossene Schneedecke würde der Waldwirtschaft im Winter helfen.
Positiv beurteilt auch das Landratsamt Reutlingen die Regenfälle der vergangenen Tage und Wochen. Im Amt ist unter anderem die untere Wasserbehörde und das Umweltschutzamt angesiedelt. Sprecherin Katja Walter weist auf die wichtige Rolle des Grundwassers bei der Trinkwasserversorgung im Landkreis hin. Hier gebe es auch in heißen und trockenen Sommermonaten keine Engpässe, wie mittlerweile bereits in einigen Regionen des Schwarzwaldes.
»Dennoch ist es immens wichtig, dass sich der Bodenwasservorrat derzeit wieder auffüllt, ähnlich wie bei einem Schwamm«
Für die Landwirtschaft sei der Winterregen nur »bedingt nutzbringend«, da sie für die angebauten Kulturen erst im kommenden Frühling Wasser benötige: »Dennoch ist es immens wichtig, dass sich der Bodenwasservorrat derzeit wieder auffüllt, ähnlich wie bei einem Schwamm, der seine Poren mit Flüssigkeit voll saugt. Von diesem im Boden gespeicherten Wasser können insbesondere die Winterkulturen wie Winterweizen oder Winterraps profitieren. Sie können Trockenphasen im zeitigen Frühjahr wesentlich besser überstehen«, erklärt die Sprecherin des Landratsamtes Reutlingen, Katja Walter, schriftlich.
Gefährlich werde es dagegen, wenn die Böden »so stark wassergesättigt sind, dass die Niederschläge teilweise oberirdisch abfließen.« Wenn auf den Feldern das Wasser stehe, könnten die Wurzeln der dort wachsenden Pflanzen keinen Sauerstoff bekommen und würden absterben. Zudem steige die Gefahr von Hochwasser und Erdrutschen. (GEA)