REUTLINGEN. Weder sein unschuldiger schwarzer Traueranzug noch sein unüberhörbares Schweigen haben einen Drogendealer vor einer langen Gefängnisstrafe bewahrt. Das Schöffengericht am Reutlinger Amtsgericht hat dem 40-Jährigen mit einem über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinausgehenden Urteil die Quittung für fortgesetzte kriminelle Handlungen ausgestellt.
Atemberaubend wirkt im Laufe des Verfahrens die kriminelle Energie des 1983 in Damaskus geborenen Angeklagten. Die Verlesung der Vorwürfe durch Staatsanwalt Dr. Burkhard Werner hört sich zu Beginn noch nach einem von vielen Fällen illegalen Drogenhandels an. Dazu wird dem 2006 von Schleusern als Flüchtling nach Deutschland geschmuggelten Mann auch vorgeworfen, erstens ohne Führerschein gefahren zu sein, sowie zweitens seine Frau verletzt und bedroht zu haben. Später wird klar, dass es sich keinesfalls um einmalige Ausrutscher im Lebenslauf handelt. Dieser Mensch mit dem korrekten Kurzhaarschnitt hat einiges auf dem Kerbholz, lebt scheinbar in einer anderen Welt. Wiewohl der palästinensische Staatsbürger bereits seit 17 Jahren im Land ist, benötigt er die Dienste eines Dolmetschers. Es geht im Prozess um keine Kleinigkeiten.
Erst kürzlich hinter Gittern
Laut Anklageschrift sind in seiner Reutlinger Wohnung im Mai dieses Jahres 52,85 Gramm Marihuana sowie 3,15 Gramm Kokain gefunden worden. Außerdem entdeckte die Polizei noch eine Feinwaage sowie Verpackungsmaterial. »Die Drogen waren zum Weiterverkauf bestimmt«, ist sich der Staatsanwalt sicher. Dieser Eindruck drängt sich spätestens dann auf, als Amtsrichter Eberhard Hausch im Rahmen der Beweisaufnahme über eine Viertelstunde zur Verlesung des Vorstrafenregisters benötigt. Der ehemalige Flüchtling, der durch die mittlerweile gescheiterte Ehe mit einer Deutschen ein Bleiberecht in der Bundesrepublik genießt, hat Erfahrungen mit dem Drogenhandel.
Mehrfach ist er beim Dealen mit Marihuana und anderen Stoffen erwischt worden, mehrfach zu Bewährung verurteilt worden. Immer wieder ist er erneut in Konflikt mit dem Gesetz geraten und schließlich zur Verbüßung einer kürzeren Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Hechingen gelandet. Dieser Aufenthalt hinter Gittern ist noch nicht allzu lange her. Dazu hat er bei vielen Gelegenheiten seine Missachtung für den Rechtsstaat gezeigt. Die Liste reicht vom Schwarzfahren mit gefälschten Fahrkarten im Bus über lange Finger an billigen Anzügen bis hin zu einem Ladendiebstahl unter Missbrauch eines Kindes und seines Rucksacks. Außerdem hat er versucht, Familienangehörige aus Syrien über Italien nach Deutschland einzuschleusen, später dann ebenso andere Palästinenser. Ist da sonst noch etwas?
Chaotisches Umfeld
Offenbar weder der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse noch eine hier anerkannte Berufsausbildung und auch keinerlei dauerhafte Arbeitstätigkeit. Heute lebt der Kriminelle von Bürgergeld in einem Umfeld, das Richter Hausch als »insgesamt chaotisch und schlecht« bezeichnet. Sagen möchte der Angeklagte persönlich nichts, lässt stattdessen seinen Verteidiger sprechen, starrt dabei auf den Boden. Als die erdrückende Beweislage immer klarer wird, ringt er sich über seinen Anwalt schließlich dazu durch, die Vorwürfe im Wesentlichen einzuräumen. Das Verfahren wegen Körperverletzung und Bedrohung seiner »nach islamischem Recht« geheirateten Frau wird eingestellt, weil es im Gesamtzusammenhang keine Rolle spielt. Die Härte des Gesetzes bekommt der Mann voll und ganz zu spüren.
Staatsanwalt Dr. Werner fordert eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Haftstraße von einem Jahr und sechs Monaten. Der Verteidiger bittet um Bewährung. Richter Hausch und seine beiden Schöffen kommen zum Ergebnis, dass eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten den Taten und der Vorgeschichte des Mannes angemessen sind. Die Liste der belastenden Argumente sei erheblich länger als die der entlastenden Punkte. (GEA)