REUTLINGEN. Seit dem 1. April gilt die sogenannte Teil-Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Verantwortlich zeichnet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der mit Blick auf das Datum betonte, es handele sich nicht um einen Aprilscherz. So wie es aktuell aussieht, gibt es aber wenige Tage nach Inkrafttreten des neuen und weiterhin umstrittenen Cannabisgesetzes (kurz: CanG) noch viele offene Fragen.
Eine von diesen Fragen ist: »Wo darf in der Öffentlichkeit gekifft werden und wo nicht?« Laut Gesetz gilt: In der Nähe von Kindergärten, Schulen oder Spiel- und Sportplätzen, wo sich Kinder und Jugendliche aufhalten, darf sich niemand mal eben einen Joint anzünden. Zumindest, wenn man sich näher als 100 Meter davon aufhält. Das sind Verbotszonen. Auf sogenannten »Bubatzkarten«, die im Internet bereits für die Großstädte Deutschlands veröffentlicht wurden, werden diese in Rot im Umkreis von diesen 100 Metern vor Schulen, Kitas oder Spielplätzen verzeichnet.
Was passiert aber, wenn in den rot eingezeichneten Gebieten trotz des Verbots gekifft wird? Wer kontrolliert das in Reutlingen beispielsweise in der Pomologie, der Planie oder der Fußgängerzone? Die Polizei, oder der städtische Ordnungsdienst? Gibt es vielleicht Verwarnungen oder sogar Knöllchen nicht nur fürs »Falsch-Parken« sondern auch fürs »Falsch-Kiffen«?
Noch viele unbeantwortete Fragen
Diese Fragen haben sich sowohl Polizei als auch die Stadtverwaltung bereits gestellt, aber noch keine detaillierten Antworten gefunden. Sowohl Polizei als auch Stadtverwaltung befinden sich gerade noch in der Überlegungsphase: Wer setzt wie die Vorgaben aus dem neuen Gesetz vor Ort um? In einer schriftlichen Stellungnahme des Polizeipräsidiums Reutlingen heißt es: »Für die Überprüfungen zur Einhaltung der Bestimmungen werden Polizei- und Ordnungsbehörden zuständig sein. Entsprechende Abstimmungsprozesse laufen momentan noch, weshalb in diesem Kontext derzeit keine näheren Abgrenzungen möglich sind.«
Lutz Jaksche, Leiter der Presseabteilung im Polizeipräsidium Reutlingen, stellt gleichzeitig fest, dass das neue Cannabisgesetz Auswirkungen auf die klassischen Polizeibereiche Verkehrssicherheit, Kriminalitätsbekämpfung sowie Kinder- und Jugendschutz haben werde. Dies bedeute, dass unter anderem »... mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit sich deutliche Mehraufwände für die Polizei ergeben. Die Polizei wird durch das Konsumcannabisgesetz nicht entlastet.« Die Reutlinger Polizei rechnet auch nicht damit, dass die zusätzliche Arbeit mittel- und langfristig weniger wird. Gerade beim Straßenverkehr (»hier sind Anstiege bei den berauschten Verkehrsteilnehmern zu erwarten«), oder beim Kinder- und Jugendschutz: »Das sind Aufgaben, die bleiben«, so die Antwort aus dem Polizeipräsidium.
Behörden wollen sich untereinander abstimmen
Auch von der Stadtverwaltung, die für den Ordnungsdienst zuständig ist, gibt es auf Anfrage des GEA noch keine konkreten Antworten auf offene Fragen in Bezug auf die Umsetzung des Cannabisgesetzes. Stadtsprecher Dennis Koep meint: »Es gibt zu dem neuen Gesetz einigen Klärungsbedarf bezüglich Zuständigkeiten und Umsetzung. Insbesondere muss auch das Zusammenwirken von Polizei und städtischem Vollzugsdienst noch abgestimmt werden.« Im Klartext: Die Lage ist noch unklar. Klar ist aber im Rathaus: Das Cannabisgesetz und seine Umsetzung wird als zusätzliche Arbeit betrachtet: »Mit dem Cannabisgesetz kommen neue Aufgaben und damit zusätzliche Belastungen auf den kommunalen Ordnungsdienst und auch unsere Bußgeldstelle zu. Den Umfang dieses Mehraufwands können wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht abschätzen.«
Das Gegenteil war von Gesetzgeber beabsichtigt. Die Bundesregierung hatte stets davon gesprochen, dass gerade Polizei, Gerichte und Justiz durch das neue Gesetz entlastet werden sollten. Nach dem Motto: Mehr Legalisierung, weniger Illegalität, also weniger Strafverfolgung. So werde voraussichtlich auch die Polizei entlastet. Das erwartet weiterhin auch Janosch Dahmen, der gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und früherer Rettungsarzt: »Dass es in der Umstellung Aufwand mit sich bringt, das ist offensichtlich. Mittel- und langfristig wird es eine erhebliche Entlastung mit sich bringen.«
Höhere Strafen bei Verstößen
Bei all den noch unbeantworteten Fragen: Der Bundesregierung erschien es offensichtlich wichtig, die Strafen bei Verstößen gegen ihr neues Cannabisgesetz zu verschärfen. So heißt es zum Beispiel: »Die Strafrahmen im Cannabisgesetz für den Verkauf oder die Überlassung von Cannabis an Minderjährige wurden angehoben.« Wer überführt werde, könne zwei Jahre ins Gefängnis wandern. Auch Kiffen in den erwähnten Verbotszonen kann laut Reutlinger Polizei teuer werden: »Der Rahmen für ein Bußgeld ist laut Gesetzestext sehr breit gefasst und kann theoretisch bis zu 30.000 Euro gehen.« (GEA)