BETZINGEN. »Dass man hier so viel Interessantes über Katastropheneinsätze und öffentliche Sicherheit erfahren kann, hätte ich nicht gedacht«. Dem jungen Student Jannik aus Tübingen geht es am Samstag wie vielen anderen Besuchern, die sich auf das Betriebsgelände des Technischen Hilfswerks (THW) im Industriegebiet Mark-Nord aufgemacht haben, um beim Tag der offenen Tür mehr über Hilfseinsätze und die überörtliche und einheitliche Einsatzstruktur des THW zu erfahren.
Angefangen hat alles »mit einer Schubkarre und mehreren Schaufeln«, erzählt Giuseppe Dezulian, der seit rund 25 Jahren beim THW Reutlingen aktiv und seit Juni dieses Jahres Ortsbeauftragter der Hilfsorganisation ist. Damals, vor 70 Jahren, am 5. April 1954, gründete der Architekt Ernst Digel mit einer Hand voll Helfer den Reutlinger Ortsverband. Nach mehreren Ortswechseln vom Städtischen Bauhof unter den Linden über Wannweil und das ehemalige Arbachbad bis zum Gelände der früheren Fadenfabrik Knapp, bezog der THW im Juli 1983 das heutige Domizil in der Carl-Zeiss-Straße 60.
Inzwischen hat das THW 64 aktive Helfer, 18 Reservehelfer, 25 Althelfer und zwei Jugendgruppen mit 42 Junghelfern und drei Jugendbetreuern. Zudem stehen 14 Einsatzfahrzeuge, zwei Feldkochherde und ein gemeinsam mit der Reutlinger Feuerwehr genutztes Übungsgelände für Ausbildung und Hilfeleistung zur Verfügung: »Unser Fuhrpark ist so gut bestückt, dass wir auch Einsätze in Erstabnahme bearbeiten können«, betont Dezulian. Was das Nachrücken von Jugendhelfern angeht, kann die Reutlinger Ortsgruppe ebenfalls aus dem Vollen schöpfen: »Nachwuchsprobleme haben wir keine«, erläutert Giuseppe Dezulian, »wir mussten sogar eine Warteliste einrichten«.
Vom Hochwasser in Ebersbach bis zum Wirbelsturm in Mosambik
Tatsächlich sind die ehrenamtlichen THW-Helfer aus Reutlingen bei zahlreichen Einsätzen vor Ort, ob bei schweren Unfällen, Hochwasser, öffentlichen Notständen, Großbränden, größeren Schadensereignissen oder Explosionsunglücken. Der letzte große Einsatz war beim jüngsten Hallenbrand In Laisen und auch beim Hochwasser in Ebersbach war man mit dem »Technischen Zug«, dem Kern einer jeden Ortsgruppe, vor Ort. Selbst im Ausland - zuletzt bei Hilfstransporten in die Ukraine und mit einem Helfer bei einem tropischen Wirbelsturm in Mosambik – sind Reutlinger THW-Mitglieder regelmäßig im Einsatz.
Beim Tag der offenen Tür bekamen die zahlreichen Besucher einen Eindruck, wie sich das Engagement des THW gestaltet: Sie konnten die Einsatzfahrzeuge begutachten, Fragen stellen und erfuhren, was es etwa mit der Fachgruppe Logistik, die für die Materialversorgung und die Verpflegung der Helfer zuständig ist, auf sich hat. Auch dass die vor 30 Jahren ins Leben gerufene Kommunikationstechnikgruppe (Kommtech) eine der ersten bundesweit war, wussten vermutlich die wenigsten Besucher: Die Kommtech-Gruppe hat sich zur Aufgabe gemacht, sich mit der Reutlinger Feuerwehr zu vernetzen und zusammenzuarbeiten, um schneller und professioneller zu reagieren.
Mehrere hundert Interessierte kamen im Laufe des Tages und ließen es sich unter wolkenlosem Himmel gut gehen: Mit einer Spielstraße und Riesenrutschbahn für die Kleinen, einer Gulaschkanone und Herzhaftem von Grill und abends durfte zum Coverrock der Reutlinger Band Fünfkommanull auch getanzt werden. (GEA)