REUTLINGEN. Gegen die komplette Abholzung des Grundstücks rund um die Villa Menzel am Blooßbuckel ist die Reutlinger Stadtverwaltung machtlos gewesen. Doch der Kahlschlag hat die kritische Aufmerksamkeit auf das konzentriert, was ein Investor hier plant – und damit indirekte Konsequenzen. Jetzt hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstagabend beschlossen, das historische Gebäude unter Erhaltungsschutz zu stellen, um seinen Abbruch zu verhindern.
Obschon erst spät als Punkt Nummer 11 auf der Tagesordnung sind beim Thema »Bebauungsplan Alteburgstraße 32 / Gerokstraße – Aufstellungsbeschluss, frühzeitige Beteiligung« sofort alle hellwach. Die Präsentation von Stadtplanungsamtschef Stefan Dvorak zeigt ein Luftbild des ehemaligen Zustands des Geländes. Das ist mal ein hübscher Park mit vielen Bäumen rund um die Villa Menzel gewesen. Im vergangenen Jahr haben hier Motorsäge & Co. gewirkt, jetzt ist der nackte Boden zu sehen. Sehr zur Empörung der Anlieger und vieler Reutlinger. Das Entsetzen über den Kahlschlag blitzt im Ratssaal wie ein Warnlicht auf, als Dvorak die Vorhaben des neuen Grundstückseigentümers vorstellt.
»Schockierender Baufall. Mit Baumschutzsatzung wäre das nicht passiert«
Ein der Stadt vorliegender Planungsentwurf des Architektenbüros Riehle im Auftrag der Pflugfelder Planen & Bauen Gesellschaft zeigt auf den insgesamt 4 410 Quadratmetern der beiden Flurstücke 3070/2 und 3070/3 keine Villa mehr. Stattdessen dokumentiert das Foto eines Modells fünf Gebäude mit laut Beschriftung »48 Wohneinheiten und 46 Tiefgaragenstellplätzen«. Bei einem ersten Besprechungstermin hat die Stadtverwaltung laut Dvorak dem neuen Eigentümer mitgeteilt, »dass die Villa zu erhalten ist und die Zulassungskriterien für das Blooßgebiet zu berücksichtigen sind. Es wurde vereinbart, dass die Planung auf der städtebaulichen Ebene überarbeitet wird und dabei auch die Freiraumgestaltung zu berücksichtigen ist«. Dem Gemeinderat wird deswegen eine Beschlussvorlage vorgelegt, die diesen Zielen Rechnung trägt.
HINTERGRUND
Ohne Baumschutzsatzung kein Mittel gegen Kahlschläge
Die Rodung der Grundstücke rund um die Villa Menzel hat für Empörung gesorgt. Fakt ist, dass die Reutlinger Stadtverwaltung gegen solche Kahlschläge machtlos ist, die Fällaktionen legal sind. Denn es gibt in Reutlingen keine Baumschutzsatzung, die dies verhindern oder zumindest einschränken könnte. Ein Konzept für eine solche Satzung gab es. Vorgesehen war unter anderem, das Fällen von Bäumen ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern zu verbieten. Ausnahmen hätten beantragt werden können, für Zuwiderhandlungen waren Bußgelder vorgesehen. Auf Antrag der CDU-Fraktion ging der Satzungsentwurf, anders als von der Stadt beabsichtigt, auch zur Abstimmung in die zwölf Bezirksgemeinden – und fiel dort in Bausch und Bogen durch. Die Verwaltung reagierte, beschränkte den Geltungsbereich wie ursprünglich vorgesehen auf die Kernstadt. Doch es half nichts: Mit den Stimmen von CDU, Freien Wählern, FDP und AfD lehnte der Gemeinderat in seiner Sitzung am 19. Juli 2022 die Baumschutzsatzung ab. Die Enttäuschung der Befürworter war riesig – auch jetzt wieder in der Gemeinderatssitzung in Sachen Bebauungsplan für den ehemaligen Park der alten Villa Menzel. (GEA)
Ziel des Bebauungsplanverfahrens sei die »Einhaltung der beschlossenen Zulassungskriterien und damit der städtebaulichen Qualität des Gebietes. Das bestehende Gebäude (Villa Menzel) wird unter Erhaltungsschutz gestellt, um einen Abbruch der stadtbildprägenden, historischen Villa zu verhindern«. Diesen Vorgaben schließt sich der Gemeinderat einstimmig an. Zuvor jedoch brechen die alten Wunden der Diskussion über eine Baumschutzsatzung erneut auf.
Das Grundstück dürfe nicht »ausgemostet« werden, fordert Edeltraut Stiedl (SPD), weswegen ihr die Veränderungssperre als Schutz für die Villa wichtig erscheint. Es sei, bedauert Stiedl mit Blick auf andere Fraktionen in der Runde, »ein Fehler, gegen die Baumschutzsatzung gewesen zu sein«. Noch deutlicher wird der Grüne Holger Bergmann in seiner Stellungnahme. »Das ist ein schockierender Baufall. Mit Baumschutzsatzung wäre das nicht passiert«. Ganz bestimmt dürfe die Villa nicht einfach so abgerissen werden. Für die FDP signalisiert Regine Vohrer Zustimmung zur Beschlussvorlage, »wir hoffen, dass wir eine ordentliche Planung sehen«. Ähnlich äußert sich auch Udo Weinmann (CDU). »Die Stadt muss das Heft des Handelns in der Hand behalten«, wünscht sich Georg Leitenberger (FWV). Gegen »einen Baumfrevler« hätte die Baumschutzsatzung auch nicht geholfen, meint Leitenberger. Für ein wenig Aufregung im Saal sorgt Sarah Zickler (FDP) die ganz allgemein kritisiert manche würden erst Wohnungsbau fordern, aber dann, wenn es jemand tue, kritisieren.
Einige direkte Gegenreden veranlassen Regine Vohrer zur Klarstellung im Bezug auf die Vorgänge rund um die Villa Menzel habe »sie nicht gesagt, dass sie es gut findet«. Was der Investor, die Pflugfelder Planen & Bauen Gesellschaft mit Sitz in Ludwigsburg, zur Diskussion über sein Vorgehen und seine Pläne zu sagen hat, ist unbekannt. Auf telefonische und schriftliche Anfragen des GEA hat das Unternehmen nicht geantwortet. (GEA)